Adverben verderben

Wie der Löwenzahn zählt das Adverb zu den unbeachteten Arten, obwohl es allgegenwärtig ist. Von meinen Bekannten konnte mir jedenfalls keiner eine korrekte Erläuterung geben. Im Deutschen erkennt man es, anders als im Englischen, auch nicht an diesem -ly am Ende.

Hier eine kurze Definition: «Adverbien sind jene Wörter, die ein Verb oder ein Adverb näher erläutern». Das „näher“ im Satz zuvor wäre also ein solches Adverb, weil es dieses „erläutern“ erläutert. Der schönere und genauere Satz aber verzichtet «regelmäßig» auf barocke Adverbgirlanden und gewinnt dadurch an Qualität: «Adverbien sind jene Wörter, die ein Verb oder ein Adverb erläutern».

Wir haben es bei den Adverbien mit Pseudo-Präzisierungen zu tun: «„Du kannst mich mal!“ rief er und knallte die Tür fest ins Schloss». Das Adverb «fest» ist in diesem Satz so überflüssig wie ein Kropf, eine Krücke für den unsicheren Schreiber, der sich nicht sicher ist, ob er ohne seine adverbialen Hilfstruppen vom Leser «exakt» verstanden würde. Also flicht er diese Präzisierung in Form des Adverbs in seinen Erguss und verschlimmbessert alles. Dabei würde doch niemand erwarten, dass irgendein erboster Mensch eine Tür knallen könne, ohne dass sie «fest» ins Schloss fällt. Es sei denn, das Schloss wäre kaputt. Kurzum: In 99 von 100 Fällen sind Adverbien entbehrlich.

Einer von vielen Autoren, die an «morbus adverbiensis» oder der Adverbkrankheit litten, war Bernhard Kellermann. In den Literaturgeschichten hat er wegen seines «Tunnels» als Meister des Ingenieurromans überlebt, lesen aber wird ihn heute nur, wer’s «unbedingt» muss. Das liegt vor allem an den wild übers Papier verstreuten Adverbien, die seine Texte – vom frühen «Yester und Li» bis zum späten «Totentanz» – immer «überdeterminiert» erscheinen lassen: Der Leser erfährt mehr, als er wissen möchte; alles wird ihm vorgekaut.

«Sie gingen alle drei langsam, wie vornehme Leute», heißt es in Yester und Li. Stünde dort: «Sie gingen wie vornehme Leute», dann käme auch niemand auf die Idee, dass sie gerannt sein könnten, und selbst, dass sie «alle drei» die Straße entlang schlenderten, ergab sich schon aus dem vorhergehenden Satz. Auch bei den adverbialen Hilfstruppen, bei Wörtern wie «schon» also, tut Kellermann des Guten zu viel: «Und dieses Antlitz hatte er schon gesehen – hatte er schon gesehen». Ein «schon» weniger – das wäre eindeutig mehr gewesen: «Und dieses Antlitz hatte er gesehen – hatte er schon gesehen». Weil der (immer noch dämliche) Satz dann zumindest eine Klimax erhielte.

So aber entsteht eine Welt wie aus diesem Murmeltier-Film, wo die Romanfiguren ewig «neu gestärkt» erwachen und «frisch gekräftigt» ans Werk gehen. Der Leser gewinnt den Eindruck von Geschwätz und Plapperhaftigkeit: Feuilleton „at its worst“. Die «Straße zur Hölle ist mit Adverbien gepflastert», sagt Stephen King. Nur wer dort hinwill, der soll «getrost» zu dieser Zierpetersilie greifen, die so nützlich ist, wie die Goldborte am Kissen auf jenem Sofa, wo die errötenden Jungfrauen ihr Einverständnis «hingebungsvoll» zu hauchen pflegen. Anders ausgedrückt: Adverbien sind «sicherlich» Placebos für phantasiearme Courths-Mahler-Verehrer, im Übermaß genossen wirken sie in jedem Blog nur als wirksamster Publikumsschreck …

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