Das innere Kind finden und heilen: So lernen Sie sich besser kennen

Die Betrachtungsweise „Das innere Kind“ ist zu Beginn der 90er Jahre in der therapeutischen Arbeit entwickelt worden, um die eigene Verletzlichkeit besser wahrnehmen zu können. Und nach wie vor ist dieses Konzept ein wertvolles therapeutisches Instrument zur Heilung des Selbstwertgefühls und zur Entwicklung von Selbstliebe, das man sehr gut für sich selbst anwenden kann. Es gibt diverse Literatur zum Thema und es werden auch Wochenendseminare angeboten, die insbesondere zur Einführung in die genaue Vorgehensweise nützlich sind. Im folgenden soll an einem Beispiel, Schritt für Schritt, der mögliche Ablauf einer Sitzung dargestellt werden.

Das innere Kind: Was wird benötigt?

  • Zwei bequeme Sitzgelegenheiten, zum Beispiel Sitzkissen und Wolldecken auf dem Boden. Alternativ dazu sind auch zwei Stühle geeignet.
  • Ein Kuscheltier oder auch ein anderes Spielzeug, das uns emotional berührt.
  • Eventuell ein Schreibheft und Stift um diverse Erkenntnisse aufzuschreiben.
  • Papier und Malstifte
  • Ein Bilderbuch oder ein Kinderbuch mit Bildern, alternativ auch ein Malbuch.
  • Ein Hocker oder ein extra Kissen
  • Einige Kinderfotos von uns selbst, falls wir diese besitzen

 

So finden Sie Ihr inneres Kind:

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Vorbereitung

Als Vorbereitung richtet man zwei schön arrangierte Sitzplätze her. Sie stehen einander gegenüber, so dass sich beide Personen, die dort sitzen direkt ansehen. Auf dem einen Sitz platziert man, gut sichtbar, das Kuscheltier oder Spielzeug. Die Fotos, das Bilderbuch und die Schreib- und Malutensilien legt man zwischen den beiden Plätzen auf dem extra Kissen oder dem Hocker ab.

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Einstimmung

Der Platz mit dem Spielzeug ist für „Das innere Kind“ bestimmt, auf den anderen Platz setzen wir uns selbst aufrecht hin. Wir nehmen die Kinderfotos und schauen sie in aller Ruhe an, dann das Bilderbuch oder Malbuch. Anschließend betrachten wir den Platz gegenüber und das Spielzeug, welches wir ausgesucht haben. Alles geschieht gelassen, es muss nichts forciert werden, wir sitzen einfach gerade und lassen das ganze Ambiente auf uns wirken. Wir nehmen einige tiefe Atemzüge und atmen tief wieder aus. Wenn wir uns bereit fühlen, können wir eine kurze Meditation daraus machen, wir sitzen ganz aufrecht, schauen, atmen und lassen die Alltagsgedanken los. Wir meditieren mit geschlossenen Augen für einige Minuten, bis wir uns gut damit fühlen.

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Die erste Begegnung

Wir öffnen die Augen wieder und richten die Aufmerksamkeit ganz auf den gegenüberliegenden Platz wo sich das innere Kind befindet. Und dann beginnen wir, sehr vorsichtig, wahrzunehmen, was für ein Wesen dieses innere Kind auf der anderen Seite ist, wie seine Stimmung und sein Ausdruck ist. Und wie es uns begegnet. Wir können uns einige Fragen zum Thema stellen, eventuell gelegentlich auch noch einmal für einen Augenblick die Augen schließen, um intensiver wahrnehmen zu können:- Wie ist die Gefühlslage des Kindes? Ist es verschlossen, ängstlich, traurig, ablehnend oder wütend? Oder ist es liebebedürftig und sensibel?- Ist es vielleicht auch heiter und verspielt? Mag das Kind uns oder ist es eher blockiert in seinen Gefühlen?- Können wir das Kind innerlich „sehen“? Wie sieht das innere Kind aus? Wie wirkt seine Erscheinung auf uns? Finden wir Kontakt zu dieser Erscheinung?- Wie fühlen wir für das Kind? Mögen wir das Kind oder sind wir ablehnend ihm gegenüber? Wünschen wir uns, das Kind näher kennen zu lernen oder sind wir vielleicht sogar dem Kind gegenüber hasserfüllt?-Macht es uns eventuell traurig, den alten Schmerz des Kindes zu fühlen? Vielleicht müssen wir an dieser Stelle auch einige Tränen zulassen, weil uns die traurigen Gefühle so überwältigen? Grundsätzlich gilt, alles was wahrgenommen wird ist gut und richtig. Alle negativen Wahrnehmungen sind ebenso gut wie alle angenehmen Wahrnehmungen. Wir lassen kommen, was kommen möchte und gehen, was gehen möchte. Wir bleiben einfach präsent und beobachten, was geschieht. Wir brauchen in diesem Augenblick nichts von Außen, wir ruhen in unserer aufmerksamen Wahrnehmung. Selbst wenn wir überhaupt nichts von all dem wahrnehmen, wenn wir den Eindruck gewinnen, dass da gar nichts wahrzunehmen ist, akzeptieren wir das erst einmal. Wenn wir das Gefühl haben, dass es ausreicht lösen wir uns allmählich aus der Situation und lockern unsere Haltung etwas auf, gehen ein paar Schritte im Raum.

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Die zweite Begegnung

Wir nehmen wieder auf dem Sitz Platz, diesmal aber auf der Seite wo „Das innere Kind“ sich befindet. Wir können das Kuscheltier oder das Spielzeug festhalten, um uns etwas Sicherheit zu verleihen. Dann betrachten wir die Welt aus der Sicht des Kindes. Wir können die Kinderfotos noch einmal anschauen und das Bilder-/Malbuch. Wir entspannen und nehmen einfach wahr. Einige Fragen dazu:-Wie fühlt es sich an, das innere Kind zu sein? Sind wir verärgert, ablehnend eventuell auch trotzig? Sind wir wütend und widerspenstig?-Oder fühlen wir uns eher verwirrt, scheu und eventuell einsam? Fühlen wir den alten Schmerz des Kindes und können wir uns erlauben, den Schmerz zuzulassen? Vielleicht kommen auch hier einige Tränen zum Vorschein? Wenn wir das Gefühl haben, dass es genug ist, stehen wir wieder langsam auf, lockern uns und gehen ein paar Schritte.

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Die dritte Begegnung

Konnten wir dem Geschehen bis hierhin folgen, ist jetzt der Zeitpunkt dem Kind einige Fragen zu Stellen, etwa:- Was kann ich für Dich tun? Was brauchst Du von mir? Was wünschst Du Dir von mir? Wie kann ich in Kontakt mit Dir bleiben? Dann wechseln wir noch einmal den Platz und beantworten die Fragen als das Kind selbst. Antworten könnten etwa sein:- Ich wünsche mir Zuwendung/ Spielen/ Kuscheln/ Malen oder Musik/ Singen/ Tanzen! Ich möchte dass Du Zeit für mich hast und dich regelmäßig um mich kümmerst! Ich wünsche mir auch im realen Alltag mehr Freude, wie zum Spielplatz gehen und schaukeln, oder Ballspiele machen, Spiele mit anderen spielen oder für mich ein Spielzeug kaufen!

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Zum Abschluss

Wie bleiben auf der Seite des Kindes und wir befinden uns nun in nächster Nähe, das Kuscheltier oder Spielzeug ist in den Armen des Kindes. Wir können ein beschützendes Gefühl für das Kind aufkommen lassen. Wir schauen zusammen das Bilderbuch an und zum Abschluss malen wir gemeinsam ein Bild. Dann verabschieden wir uns von unserem inneren Kind, versprechen ihm, dass wir uns bald wieder Zeit für den Kontakt mit ihm nehmen. Wir bedanken uns für die Bereitschaft und den Mut des Kindes, mit uns zu kommunizieren. Anschließend kann man in dem Schreibheft kurz die Erkenntnisse dieser Sitzung aufschreiben, um später noch einmal darauf zurückgreifen zu können. Wer mit dieser Arbeit Erfolg haben will, sollte die einzelnen Schritte immer wiederholen und anschließend notieren, was wahrgenommen wurde. Mit der Zeit werden die Widerstände und die Ängste vor der eigenen Verletzlichkeit nachlassen und wir werden uns mehr und mehr für den eigenen Prozess öffnen können. Die Arbeit kann, nach der schwierigen Anfangsphase, später heiter und freudvoll werden und uns innerlich und äußerlich stärken. Alle Konflikte, die wir auf dieser Basis konfrontieren und emotional lösen können, werden uns im Alltag keine Probleme mehr bereiten.

Tipps und Hinweise

  • Literatur: Aussöhnung mit dem inneren Kind von Erika J. Chopich und Margaret Paul , Taschenbuch 2009
  Zeitaufwand: 30 bis 60 Minuten Schwierigkeitsgrad:  

Eine Meinung

  1. Hey, da weiss ich ja, was ich am Wochenende ausprobieren werde! Danke!

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