Ich gehöre zu denjenigen, die ab und an mal durch den Stadtpark joggen. Dabei achte ich darauf, daß ich keine knallrote Birne bekomme, nicht klinge wie eine Dampflok mit Ventilschaden – daher bin ich auch nicht besonders schnell. Das ist mir ziemlich egal. Manchmal. An guten Tagen gönne ich mir durchaus auch mal ein Tempospielchen, aber das halte ich nicht lange durch. Aber es ist eine gute Möglichkeit, die Nordic Stalker zu überholen, die mit ihrem Stockwerk durchs Unterholz schlurfen, schaben und kratzen.
Die Sportindustrie hat vielen vielen Menschen klar gemacht, daß man nicht wie "Laufpapst Strunz" dauergrinsend herumrennen muss, wenn man nicht die geeignete Figur dazu hat. Einmal die richtigen Stöcke erworben, kann es auch schon los gehen. Aber wir sind in Deutschland und deswegen geht es noch lange nicht los. Man braucht eine Nordic- Walking-Jacke, Nordic-Walking-Hosen und-Hemden, man benötigt Nordic-Walking-Schuhe ("schon ab 140 Euro!"), Nordic-Walking-Trinkflaschen und mindestens drei Nordic-Walking-Bücher. Dann – erst dann – geht es los.
Ich begrüße es sehr, daß die Menschen aktiv durch den Wald stiefeln, ob joggend, spazieren gehend oder Nordic walkend. Das Üble daran sind aber z.B. die Stöcke: würde man sich bewusst machen, wie die Arme Sinnvolles leisten, wenn man schnell gehend voran kommen möchte, dann bräuchte man diese bunten teuren Dinger im Grunde gar nicht. Die meisten, die ohne Stöcke "walken", also schnell gehen, verkrampfen ihre Arme mit geballten Fäusten vor dem Oberkörper. Derart statisch gemacht staksen sie wütend durch den Wald. Zumindest gucken sie so. Bei der bestockten Gattung kommt die Frage auf, wofür sie diese Summen ausgegeben haben. Schlörrend schleifen sie die Ware durch den Kies, schwenken sie nach vorne und pieken sie ihren Vorderleuten in den Hintern oder stellen Vorbeiwollenden ein Bein, "hoppla!", pieken mal hier, mal da hin und dabei haben sie schon diesen Stapel Bücher zu Hause – nur reingeguckt haben sie nicht.
Lebensgefahr droht, wenn Sie an den nordischen Gehern vorbeilaufen und da hat dann gerade jemand oben im Baumwipfel einen Specht entdeckt – "guck mal, Adele!" und boing! haben Sie den Stock im Auge. Aua. Oder sie spreizen die Dinger beim walken so komisch seitlich ab. Brrimp! macht es chromatisch melodiös in der Fahrradspeiche und Sie liegen im Schotter. Da wird man irgendwann verstockt, glauben Sie?
Letztes Jahr waren wir mal ein paar Tage auf Sylt. Zufällig wurden wir der Tatsache gewahr, daß Rosi Mittermaier und Weltcupsiegerchristianneureuther auf der Insel waren, um – gesponsored von einem Diätmargarinehersteller – der Masse die Grundzüge des Nordic Walkens nahe zu bringen. Zudem wurde natürlich für den Verzehr der Margarine geworben, um dann ganz gesund und top-fit den Lebensabend einzuläuten. Viele viele Schaulustige waren da, um die "Gold-Rosi" zu sehen, die allen zeigte, wie es gemacht wird. Danach ging es an den Strand, der große Nordic-Walking-Törn, fast 8 Kilometer! Schon nach 500 m hatte die Nordsee der Hälfte der Teilnehmer das Turnzeug durchtränkt. Schwerhosig hielten sie durch, alle versuchten in der Nähe der sympathischen Abfahrtsläuferin und Weltcupsiegerchristianneureuther zu bleiben, alle wollten der Frau Lehrerin die Tasche tragen! Am Flutsaum stand ein Rettungswagen, in dem majestätisch eine Sauerstoffflasche thronte. Falls sich jemand übernimmt. Falls es zu Stockkämpfen kommt, "ich will bei der Rosi walken, du darfst des net!"
Die Tage darauf sah man sie alle wieder, also nicht die Gold-Rosi und der Weltcup-Mann, aber die Walker vom Strand. Sie hatten ja vorher alle die Sportgeschäfte leer gekauft und stöckerten mit ihrer Beute arrogant durch die Fußgängerpassage und stellten den anderen Schaufensterbummlern das eine oder andere Bein, "hähä, wir machen Sport und ihr glotzt nur!" Und mit Sicherheit haben sie auch richtig tüchtig abgenommen, denn wenn man die Stöcke festhalten muss, dann fällt einem das Eis nur runter oder der Matjes flutscht aus dem Brötchen. Aber den Margarinebecher kann man damit auch nicht festhalten. Fragen wir halt die "Gold-Rosi" noch einmal, sie wird sicher einen Rat wissen.
Und bis dahin: lasst eure Stöcke aus meinen Augen und den Speichen! Wir ersinnen zur Zeit ein Grill-Brevier: "Span-Walker mit Krautsalat" oder "Stock-Walker" (da sind die teigigen besonders empfehlenswert).
Na ja, die großen Durstzeiten sind vorbei. Und im Speichern ist doch Schäuble Nummero Uno.
M.E: passend zum Thema: Eine ganz nette KI (sofern man sowas so nennen kann) gibt es auf http://chatbot.chat-fun.info wo auch die Features erklärt werden und Beispieldialoge aufgeführt sind. Grz.
Ja, der Trend hat wie schon richtig beobachtet (leider) auch nicht vor den Inseln haltgemacht. Hier auf Sylt wurden einfach an alle bereits seit Urzeiten bestehenden Wege so kleine „offizielle“ Nordic Walking Schildchen gebastelt, das ganze in Pfad umbenannt und nun als größte Erungenschaft gefeiert („größter Nordic Walking Parkur“ im Norden oder so). Schon bemerkenswert, wie man mit quasi 0 Einsatz (weder planungstechnisch noch finanziell) neue sportorientierte Gäste auf die Insel locken kann…
Soeben erfahre ich folgende Neuigkeit:Wunderheilung in Lourdes: Nordic Walker kann wieder ohne Stöcke gehen!Der 67 jähriger Bernhard Schröter aus Essen-Schuir war seit seinem 55. Lebensjahr beim Gehen in freier Natur auf die Teleskop-Stöcke angewiesen, seitdem ihn seine inzwischen verstorbene Frau Gerda zu einem gemeinsamen Nordic-Walking-Kurs überredet hatte. Nachdem auch eine Papstaudienz beim früheren Papst Paul nicht die erwünschte Wirkung gezeigt hatte, machte er auf Anraten des damaligen Kardinals Ratzinger eine Wallfahrt nach Lourdes. Dort hatte er am 16.Juli die Erscheinung der heiligen Bernadette. Sie soll zu ihm gesagt haben: „Wirf deine Stöcke fort und wandle!“F.Firla
Ein faszinierender Beitrag über Walker, als ich diese Leute zum ersten mal sah, traute ich meinen Augen nicht.Es war Spätsommer, wir waren im Wald und suchten Pilze als plötzlich eine dieser Gruppen auftauchte und mit ihren Stöckern durch den Wald pickste aber auch ohne nur einen Pilz zu treffen.