Schubladen

Was mir allerdings noch weniger gefällt als Typen, die ihre Mitmenschen in Schubladen stecken, ist die mit wachsendem Alter reifende Erkenntnis, dass diese elenden Bastarde offenbar Recht haben – also dass die Welt tatsächlich viel zu oft den immer wieder gleichen Regeln und Kategorien folgt. Gütiger Gott, die Welt ist ein IKEA-Schrank mit vielen, vielen Schubladen! Danke, aber auf diese Erleuchtung hätte ich gerne verzichtet.

Aber es stimmt: Herren mit fleckiger Kutte und Zottelbart kaufen am Kiosk nicht die "Cosmopolitan", sondern billiges Bier in Dosen; zu stark geschminkte Teenagerinnen in Pimkie-Klamotten zitieren im Kreise ihrer Freundinnen nicht Wittgenstein, sondern Sprüche aus "Sex and the City" oder der Werbung; Opas mit abgedunkelten Brillengläsern und Gehstock halten nicht die Fresse, wenn ich freihändig auf dem Fahrrad durch die Fußgängerzone fahre… Und, ja… für Typen wie mich habe ich natürlich auch eine Schublade: Wir verlassen die Disco nicht jede Woche mit einer neuen Eroberung, sondern gehen nicht mal in Discos. Stattdessen haben wir eine oder mehrere "gute Freundinnen", in die wir immer heimlich verliebt sind, und jedesmal, wenn die gute Freundin Samstags mit einem Bodybuilder / BWL-Studenten / BMW-Verkäufer in die Disco fährt, bleibt unsereins zuhause und gibt sich hemmungslos dem Weltschmerz und größeren, aber niemals überdosierten Mengen Alkohols hin.

Falls diese Zeilen jetzt ihren (nie vorhersehbaren) Weg auf den Computerbildschirm eines Teenagers gefunden haben sollten, der sich in der obenstehenden Beschreibung "irgendwie" wiedererkennt, DANN HÖR MIR JETZT GUT ZU, BÜRSCHCHEN:

Gib jede Hoffnung auf, dass sich an Deiner bedauernswerten Situation irgendwas ändern wird,

…wenn Dir Barthaare gewachsen sind.
…wenn Du Dein Abizeugnis in den Händen hältst.
…wenn Du bei Mutti ausgezogen bist.
…wenn Du Dir ganz viel Mühe gibst, jederzeit hilfsbereit und nett zu sein.
…wenn die guten Typen alle vergeben sind und als einzige Alternative für die alleinstehenden Mädels nur noch Du oder der schüchterne Rüdiger (von dem alle glauben, dass er schwul ist) übrigbleiben.

Tut mir leid für Dich, aber das sind Hirngespinste, und wenn Du nicht eines Tages auf einer Überdosis LSD hängen bleibst, wird keiner dieser Tagträume jemals den Status erreichen, "realistisch" genannt werden zu dürfen.

Stattdessen gebe ich Dir jetzt ein paar gute Ratschläge:

Rasier den Flaum aus Deinem Gesicht (und wenn Du schon dabei bist, auch den anderen Flaum an Deinem Körper… Du weisst, was ich meine?). Kauf Dir die gleichen Klamotten wie die Typen, die Du verabscheust. Halte Dich von Bildung fern – und wenn überhaupt, dann sieh Dir die Nachrichten auf RTL2 an. Ignoriere Orthographie und Grammatik (falls Du weißt, was diese Begriffe bedeuten: vergiss sie!). Geh ins Fitness-Studio, ins Solarium, und dreimal die Woche zum Friseur. Werde eine männliche Tussi, mach H&M und IKEA zu Deinen Götzen! Arbeite schwarz oder verdien' Deine Kohle besser gleich mit illegalem Kram – aber lass Dich nicht erwischen, bevor Du Dir nicht ein paar ordentliche Muckies antrainiert hast (Du wirst sie brauchen, falls Du im Knast landest). Kauf einen BMW. Schwängere eine Frau, die geistig nicht mehr auf dem Kasten hat als Du – aber geh sicher, dass ihr Vati reich ist. Und, mit jedem Deiner Sätze:

PACK DIE WELT IN SCHUBLADEN!

Foto: (CC) 2006 by standard_grey – Some rights reserved.

5 Meinungen

  1. Vorab: Ich bin Protestant. Mit der EKD bin ich nicht immer in Einklang. Mit dem jetzigen und dem vorigen Papst dürfen wir sehr zufrieden sein. Nach dem Genuß einiger Ratzinger-Artikel habe ich mich sehr auf Papst Benedikt gefreut. Benedikt kann in seinem jetzigen Amt die Ökumene voran bringen. Das wird er (ein brillanter Geist, lesen Sie ihn mal!) sicher tun, das kanner so geschickt wie er ist auch tun OHNE das Dogma der Katholischen Kirche aus den Angeln zu heben. Die Ökumene wird noch besser klappen wenn die evangelische Seite sich endlich (!) untereinander mal einig wird; ein langer Weg! Gleich in den ersten Amtswochen habe ich sehr erfreuliche Nachrichten diesbezüglich über Benedikt ihn gelesen. Vor Jahren habe kopfschüttelnd über das evangelische(!) Absegnen der Schwulenehe gelesen. Einen Preybyter der Düsseldorfer Gemeinde, von der das zum größten Teil ausging, kenne ich. Gleichgeschlechtliches Privatleben kann man notariell regeln. Die „Schwulenehe“ als Politthema ist reine Effekthascherei. Gleichgeschlechtliche Beziehungen bringt die Natur seit Aberjahrtausenden immer wieder hervor. Insofern sind sie nicht unnatürlich. Was soll also der Lärm um Outing und dergleichen? Wir sind als Adam und Eva geschaffen und nicht als doppeltes Lottchen oder Max und Moritz.Luther hat gesagt: Die Ehe ist ein weltlich Ding. Also hat m. E. gerade die Ev. Kirche sich da total herauszuhalten. Was Politiker aus politischem Kalkül diesbezüglich in Gang setzen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Ev. Kirche sollte sich lieber für die spirituelle Seite der Reformatoren interessieren, damit sie den Konfirmanden ein sicheres Religionsbild mitgeben kann. Die jungen Leute ausgerechnet „Konfis“ zu nennen, ist ein spiritueller Aberwitz.

  2. Herr Conrad:Sie zweifeln an der Integrität der katholischen Kirche, vertreten vom heiligen Vater, dem Vertreter Gottes auf Erden.Ich weiß, dass klang jetzt ein wenig theatralisch.Ist es aber nicht der gleiche Gott, an den Sie glauben? Ich weiß, dass man nicht jeden Chef lieben muss, für den man arbeitet. Aber in diesem Fall ist es ja nicht nur der Chef, für den Sie arbeiten, sondern Gott persönlich. Und der Papst ist nun einmal der Vertreter des Chefs.Bezweifeln Sie etwa die Echtheit des Glaubens der Katholiken. Denn für die ist der heilige Vater heilig. Keine Widerrede.Es ist schon komisch, dass es Christentum heißt. Wo sich selbst die Christen untereinander nicht mal respekt zollen. Im Übrigen tun das alle anderen Gruppierungen der anderen monotheistischen Religionen auch. Was für eine Verschwendung sich überhaupt ein Interview mit dem Papst anzusehen. Ich schau mir dann doch lieber einen schönen Actionfilm an. Da weiß ich wenigstens, dass alles nur Show ist.

  3. …..obwohl einige Leute wohl doch glauben, dass es RAMBO wirklich gab oder gibt, oder Darth Vader und die Jedi, oder Tarzan, oder Godzilla, oder James Bond, oder Rocky, oder die unglaubliche Begegnung der 3. Art, oder KING KONG, oder den Herrn der Ringe, oder vielleicht sogar Captaine Future…………o.k. jetzt ist Schluss

  4. Bis auf die abschließenden Ratschläge sehr guter, lockerer Text.

  5. ich bin zwar erst jung Mami und brauche diese Buch noch nicht, habe aber bereits von einer Freundin von den Abenteuern von Anne und Ohillip gehört. Ich finde die Idee super. Die Kinder finden es ebenfalls toll und lernen noch was dabei. Sehr empfelenswert!

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