Es gab keine Fotoreporter um Desiree Nick, die einst zum inszenierten Entsetzen von B.Z. und Co. in einem Rollstuhl posierte. Die Nick war auch in diesem Jahr nicht eingeladen worden, was wohl ein Skandalvermeidungsakt war. Es gab auch kaum zu kurze Kleidchen mit zu viel Einblick in fleischliche Tiefen, dafür Bettina Böttinger als Moderatorin in langer Hose und glitzergrüner Kostümjacke – sehr ordentlich. Ihr Mikrofonpartner Ralph Morgenstern, den die "B." noch in der Robe der gebeutelten "Sissi" erinnerte (20 Jahr´ ist´s her) trug derart unauffällige Garderobe, das ich an dieser Stelle ein Foto benötigte, um mich zu erinnern. Nein – skandalös war irgendwie gar nichts. Klaus Wowereit, Regierender Berliner trank aus dem Glas, Aktrice Anouschka Renzi wunderte sich mit Milena Preradovic
(wer was das nochmal ? A: Moderatorin B: Stewardess C: Sterneköchin?)
über eine scharfe Schokoladenmousse mit Chilli, Schöngeist René Koch kam spät von einem MDR-Fernsehtermin und ich hatte irgendwann sechs Glas Sekt intus. (Nein, nicht sechs Gläser Sekt, denn ich habe den Inhalt verdrückt (Mengenangabe) und nicht das Glas.)
Auch nicht skandalverdächtig.
Ich müßte mich als Klatschreporter also auf das Programm stürzen. Doch auch das kam sehr kommod daher. Die Berliner Westernsänger von Bosshoss machten die Stimmung gleich zu Beginn locker, "Die Affen", eine Comedymusiktruppe um "Dittsche" Oli Dittrich sorgten allerdings für frenetische Reaktionen des Publikums. Mit ihrem urkomisch und oftmals albern zertexteten deutschen Liedgut waren sie die Abräumer des Abends. Katja Ebstein gab sich bewußt und politisch einwandfrei, bezauberte aber erst mit ihrer zarten Zugabe, der ewigen Hymne auf das "Theater". Klassik-Diva Anna Maria Kaufmann holte die höchsten Töne aus sich heraus, die an diesem Abend möglich waren, das Theater des Westens ließ die Vampire zwar nicht tanzen, aber singen und Akrobaten aus China zeigten, dass es immer noch Kinder aus dem Reich der Mitte sind, die die Arbeit als fliegende, sich biegende Körper verrichten. Das gab Beifallsstürme, ließ mich aber mit einem etwas schalen Gefühl zurück.
Schirmherrin Judy Winter ließ sich nur per Videobotschaft zum Anlaß des Abends hören und sehen, was das einzige Mal hörbare Enttäuschung im Saal verursachte. Sie sei in Hamburg hieß es. Was konnte dort wichtiger sein, als die Schirmherrschaft für die Gala in Berlin, fragte sich manch Zuschauer. Ein Skandal ? Ach nein.
Sie wolle nicht zum x-ten Mal sagen, dass man sich schützen solle, vor HIV und AIDS, meinte die Schauspielerin. So vieles sei so oft gesagt worden und klinge inzwischen abgedroschen. Und doch ist der Sinn der Gala, auf die Gefahren hinzuweisen, die von ungeschütztem Verkehr ausgehen und gerade junge Leute aufzufordern, die Augen nicht zu verschließen, vor denen die gleichgültig gegenüber dem Schutzmittel Kondom sind. Sie rief zur Zuwendung auf, für jene, die auf Grund ihrer Infektion ausgegrenzt werden und jene, die krank sind und Hilfe und Betreuung brauchen. Noch immer steckt sich jeden Tag ein Mensch in Berlin mit HIV an. Aufklärung ist also nicht von gestern und die Lümmeltüte schon mal gar nicht.
Die Berliner AIDS-Hilfe, der der Reinerlös der Gala zugeht, leiste großartige Arbeit, meinte auch Klaus Wowereit. Zuletzt konnte der Regierende – stellvertretend – einen Scheck über 93333.- EURO entgegen nehmen – eine stolze Summe, zumal es in diesem Jahr keinen Hauptsponsor für die Gala gab.
Es wäre nickelig, die Moderatoren für ihre teilweise schlecht vorbereiteten Späßchen und Sätzchen zu rügen. Es wäre doof, die Dauer des Programms als "einen Tick zu lang" zu kritisieren und es wäre geradezu blöd, nicht allen, die diesen Abend möglich gemacht haben, einen Blogger-Dank zu widmen. Die Gala "Künstler gegen AIDS" 2007 hatte eine Botschaft, sie machte Spaß und zeigte Lebensfreude und brachte einen dicken Scheck für einen denkbar guten Zweck. Skandale habe ich nicht ausgemacht. Ob die Kollegen der Zeitungen mit den großen Buchstaben das wohl anders gesehen haben?