Ich gehöre zwar noch nicht zu den Vierzigern, dennoch bin ich kein Twen mehr, und schon gar kein Teen! Ich spaziere also in die edel ausgestattete, von meinem Geld – und natürlich auch von Ihrem!- finanzierte Luxusarztpraxis, und an der Rezeption sitzt eine ebenso edel ausgestattete, Gott sei Dank nicht von meinem Geld finanzierte (!), junge Schönheitskönigin und schaut gelangweilt auf ihre french-manikürten, extra-langen – damit kann man definitiv nicht arbeiten, ich habs schon ausprobiert-, scharf gebogenen Nägel.
Auch als ich mutig und forsch ein : „Hallo“ herausbringe, tut sie so, als hätte sie mich nicht gesehen. Klar, ich bin längst unter ihrer Würde und wirklich keine Konkurrenz.
Mitte dreißig, schon ein paar winzige (winzige!) Falten in Augennähe, einen dicken Hintern und eine gekrümmte Haltung – vom arbeiten, schwer, ohne aufgesetzte Fingernägel (!) – , was soll ich ihr da entgegensetzen?
Und kurz bevor mich der Mut verlässt und die Stimmung sinkt, meine Depression zum Vorschein kommt und ich am Liebsten wieder die Praxis verlassen würde, egal, wie krank ich mich sonst fühle, tönt aus den Lautsprechern im Wartezimmer Ina Müller, und sie singt:
Ich möchte nie wieder 18 sein
so niedlich, dumm und klein
kichernde Backfischbraut
die nervös auf den Nägeln kaut
geklaute Meinung, verpeilter Stil
antiseptisch und steril
lieber Orangenhaut
als gar kein Profil
ich hab lieber Orangenhaut
als gar kein Profil
Die Gesten sind geklaut
und man lächelt so debil
jedes Wort infantil
aus dem Ei gepellte Braut
antiseptisch und steril
ich hab lieber Orangenhaut
als gar kein Profil
lieber Orangenhaut
als gar kein Profil
Quelle
Lächelnd gehe ich auf die Arzthelferin zu, kneife meine Pobacken zusammen, ziehe den Bauch ein und strecke die Brust raus, innerlich natürlich auch die Zunge, und sage noch einmal laut: „Hallo“. Sie schaut erstaunt auf, wird rot und hektisch, und ist plötzlich zuvorkommend und freundlich. Na bitte, geht doch.
Eines wird mir an diesem Tag bewusst: In Arztpraxen, vor allem in den Facharztpraxen, wächst ein ganz besonderes Gemüse heran. Das junge, frisch von der Schule kommende, das noch grün hinter den Ohren ist (Spargel?) und wenig Umgang mit Patienten üben konnte. Gelangweilte Blicke und lange Fingernägel tragen nicht unbedingt zum Wohlbefinden der Kranken bei, vielmehr hilft oft ein freundliches Lächeln und eine empathische Art.
Und wo kann man das lernen? Am liebsten wäre es mir, es gäbe ein Schulfach: Empathie.
Und welche Erfahrungen hast Du gemacht?
Hier gibt es noch Details zu Queen Bee und Ina Müller
EINFACH GEIL !!! bin selber 22….aber dieser beitrag ist wie balsam auf die seele!!!
Danke 🙂
ich finde deine meinung richtig. besser orangenhaut als kein profil. eine frau hat auch intellektuelle reize. was soll man mit dem spargel anfangen, der noch grün ist hinter den ohren und den schaltern der gesundheitszentren …?
… ich kann mir diese Situation bildlich vorstellen 😉 und wenn man dann auch noch wie ich als Kassenpatientin ankommt, wirkt das perfekt manikürte Dummchen gleich nochmal bedrohlicher. Da hilft nur eins: Augen zu und durch und sich freuen dass man eben keine Tussi ist! :-)liebe Grüßekp