Der Musikproduzent, Komponist und Musiker NHOAH machte sich 2005 – mit seiner Berliner Elektroprägung im Koffer – auf nach Buenos Aires, suchte hier Inspiration und fand den Tango. Nun ist sein erstes Soloalbum fertig. Tangowerk by NHOAH ist ein Künstlerprojekt (also zumindest derart, dass kein Track ohne Unterstützung auskommt), mit dabei sind Berliner Künstler wie Mieze Katz (Sängerin von MIA), aber auch argentinische Musiker. Dass die Platte abwechslungsreich ist, grenzt an Untertreibung. Tatsächlich passiert enorm viel. Einzig: Dem einen oder anderen könnte der Faden fehlen. Auf der anderen Seite – die CD passt hier her, passt zu Berlin und seiner Musik-, Tanz- und Feierszene. Abgesehen vielleicht von der Melancholie und der Tragik, die unweigerlich zum Tango gehört, die auf dem Tangowerk demnach auch nicht fehlt.
Das Tangowerk by NHOAH – vom Synthie-Pop zum Vokalensemble
Es macht an dieser Stelle wenig Sinn, den Versuch zu unternehmen, dem vorliegenden Album einen bezeichnenden Namen zu geben. Dazu sind die Tracks zu verschieden. Erstmals das Gefühl eines Tangobezugs bekommt das Ganze im dritten Song, zuvor sind es Synthie-Indie-Elemente und bei „If you go“ ein Revival der 80er Elektroszene, die den Ton angeben. Die erste Auskopplung „Dancing on the Volcano“ (mit dem australischen Künstler Headvoice) folgt als Track 4. Und wenn NHOAH im Booklet bekannt gibt, dass dieser Song dem Lebensgefühl des Club 69 in Buenos Aires entspricht, der seine Lieblingslocation in Argentiniens Metropole gewesen war, dann kann man sich in etwa vorstellen, wie die Nächte dort ausgesehen haben müssen. Spätestens dann, wenn Headvoice davon singt, dass sein Leben ein Tanz auf dem Vulkan sei…
In drei Sprachen wird gesungen und gerappt (Song 5 und 11). Wenn allerdings jeder Song diametral dem entgegensteht, was zuvor gehört wurde (Beispiel von 5 auf 6, spanischer Rap hin zu englischsprachigem „Cafe del Mar“-Pop), dann erschrickt man sich mitunter mehr, als dass voller Vorfreude die nächste musikalische Cross-over-Mischung erwartet werden kann. Dabei fällt besonders das ansonsten großartige Ensemble der Berlin Comedian Harmonists heraus („Ob ich dir treu sein kann“). Vielleicht ein wenig zu viel des Guten.
Nichtsdestotrotz sind die sonstigen 13 Tracks spannend, neu, interessant. Und mit „Si Te Puedo Ser Fiel“ gibt es dann zumindest ein Stück, das unzweifelhaft dem Tango zuzuordnen ist, denn an Bezügen hierfür fehlt es ansonsten ab und an. Das aber ist nur bedingt als Nachteil auszulegen, schließlich ist der Stilmix anderer Platten bisweilen ein heilloses Durcheinander und eher nicht zu wünschen. Die Vermutung liegt nahe, dass es weniger die musikalischen, hörbaren Tangoelemente sind, sondern das südamerikanische Lebensgefühl und die Erotik und Tragik des Tangos zugleich, die hier transportiert werden sollen.
Ein „Spiegel seines [NHOAHS] stark musikalisch geprägten Lebensweges“ soll das Tangowerk sein, das immerhin fünf Jahre brauchte, um schließlich zu erscheinen. Der Grammophonklang aus Kindertagen finden ebenso Eingang in die vorliegende CD, als auch analoge Radiotechnik und Effekte der Close-Harmony. Das verrät das Label und beschreibt damit unzureichend die musikalische Bandbreite vom Tangowerk. Blasinstrumente ziehen sich ebenso wie das Piano, Gitarren und Bässe durch die teils wüsten Kompositionen. Am besten fasst NHOAH aber seine Idee und Vision selber zusammen, wenn er sagt: „Ich hab die Harmonie des Tangos in die Clubwelt der Berliner Elektronikszene geworfen“.
Das Tangowerk by NHAOH als Streifzug durch Buenos Aires
Die Club-, Varieté- und Tangoszene durchstreifte NHOAH einst, ließ sich hier inspirieren und formte seine Idee des Tangowerks. Hinzu kommt die oben erwähnte eigene Vergangenheit, zu der auch die Berliner Schwulen- und Transvestitenszene der 80er Jahre zählt. Zuvor hat er mit verschiedensten Künstlern zusammengearbeitet – von Mia bis zur extravaganten Künstlerin Romy Haag. Erstere sind zudem ebenfalls beim Label R.O.T, so dass die Verbindung wohl nicht von ungefähr kam.
Das Album hat aber nicht nur eine CD, sondern gleich noch eine ganze DVD zu bieten. Hierauf Eindrücke aus Argentiniens Metropole, der Show zu Dancing on the Volcano und dem Making of zur Platte. Beide CDs sind in einer ausklappbaren Papphülle integriert, das Booklet passt zur Musik, mehr sei hier nicht verraten.
Bleibt das Fazit:
Spannend und interessant, teils verwirrend neu, teils melancholisch nachdenklich. Aber Musik, die über Jahre wachsen konnte, sie ist wohl nicht massenkompatibel, das wird aber auch nicht die Idee der Komposition gewesen sein. Für Einige gewöhnungsbedürftig und auch das ist sicher nicht ungewollt.
Tangowerk by NHOAH gibt es ab dem 20. Mail im Handel; digital ist der Sampler bereits zu kriegen.