Wieso, weshalb, warum?

Schlimm sei die Wiederholung, behauptete unser Deutschlehrer. Und dann malte er uns ein dickes W in roter Tinte an den Heftrand, wenn wir ein Wort zweimal brauchten. Eure Sprache sei abwechslungsreich, predigte er uns, das Ziel müsse es sein, allein schon mit der Größe unseres Wortschatzes Interesse zu erregen. Jaja – auch ein Schwanzvergleich: Der Bildungsbürger als ewiger Verbalprotz …

Das mag alles so im Allgemeinen ja auch richtig sein. Aber manchmal finden wir eben erst durch Wiederholung die nötige Aufmerksamkeit. „Sunt pueri pueri pueri puerilia tractant", hielt uns dieser selbe Lehrer im Lateinunterricht vor, dann, wenn die Albernheit in der Klasse zu groß wurde : „Weil Knaben Knaben sind, treiben Knaben knäbische Spiele." Na, wenn das keine astreine Wiederholung ist! Und wie heißt es in einem deutschen Bonmot so schön: „Politik ist jene Welt, wo Lügner Lügner Lügner nennen." Auch hier dreimal das Gleiche, da gehören eigentlich drei fette W an den Heftesrand …

Neulich war ich mit einem Freund auf der Beerdigung seines Onkels, den wir beide gut kannten: „Dieser Mann war seiner Frau ein guter Ehemann", sagte der Pfarrer, „aber nicht nur das: Dieser Mann war seinen Kindern ein guter Vater, dieser Mann war seinen Freunden ein verlässlicher Rückhalt, dieser Mann war seinen Nachbarn ein hilfsbereiter Partner." Auch hier Wiederholung, nicht nur von Worten, sondern sogar von ganzen Satzstrukturen. Und selbst die zehn Gebote, wo wir uns gerade im theologischen Bereich herumtreiben, die fangen doch allesamt mit „Du sollst" an. Lauter rote W's am Bibelrand …

„Falsch" ist die Wiederholung also keinesfalls. Wir sehen an diesen Beispielen aber auch, wozu sich die Wiederholung vor allem nutzen lässt: Denn sie weckt einerseits die Aufmerksamkeit, wirkt aber andererseits immer leicht liturgisch, pathetisch, formelhaft, feierlich, theatralisch, gewollt. Mit anderen Worten: Wer wiederholt, „künstelt". Daher sollten wir die Wiederholung, die Klangwirkungen nutzt, nur dann verwenden, wenn wir absichtlich Nachdruck und einen etwas bildungshubernden und hochgestochenen Eindruck erzielen wollen.

Etwas anderes ist es mit der Wiederholung der Satzstruktur. Gerade bei längeren Sätzen, die eine komplexe Handlung beschreiben, ist es wichtig, nicht auch noch am Gerippe des Satzes manieristisch herumzudoktern, um den Leser nicht aus dem Geschehen zu katapultieren. Dazu marschieren die einzelnen Satzglieder am besten an uns vorbei wie die Bataillone auf dem Roten Platz, damals beim großen sozialistischen Oktoberfest – Subjekt-Verb-Objekt, Verb-Objekt, Verb-Objekt, Verb-Objekt: „Er zog seinen Mantel über, verschloss das Haus, stieg in die Straßenbahn und klingelte an ihrer Tür. Er versuchte eine letzte Aussprache, regte sich dabei furchtbar auf und starb am resultierenden Herzinfarkt. Isidora vergoss einige lauwarme Tränen …"

Kurzum: Die Wiederholung der Laute ist zumeist etwas für die besonderen, für die poetisch-pathetischen Momente im Leben. Die Wiederholung der Satzstruktur dagegen ist ein unfehlbares Mittel, rascher verstanden zu werden. Sie beschleunigt den Lesefluss. Wobei natürlich der gute Schreiber diese Regel immer dann bricht, wenn er einen allzu glatten und eiligen Lesefluss hemmen will, weil er an entscheidender Stelle vom Leser etwas mehr Konzentration und ein Innehalten verlangt …

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