Zu Klossowskis 100. Geburtstag vergangenes Jahr legte Merve den Band neu auf. Klossowski, der Spieler: In Bressons "Au hasard Balthasar", in "Roberte interdite" von Pierre Zucca und bei seinem Lieblingsthema: Das Simulakrum, die Verstellung, die Welt als Kosmos der Trugbilder. In acht kurzen Abteilungen widmet sich der Text "Aspekten der Welt der Ausschweifung des antiken Rom und ihren Beziehungen zur kultischen Welt, zu den religiösen Festen und den Spielen". Was die lateinische Kirche Dekadenz nennt, schiebt Klossowski der Religion selbst in die Schuhe, der heidnischen natürlich, den hellenischen und tellurischen Kulten. Angeregt durch Bachofens "divinatorische Fähigkeit in Bezug auf den Symbolismus von Bildern" in seiner Abhandlung über das antike matriarchale Recht ("Das Mutterrecht") untersucht Klossowski anhand antiker Quellen Spuren kultisch-sakraler Prostitution im sogenannten römischen Erotismus, um zu zeigen, dass auch die Ausschweifung als eine Form der Repräsentation verstanden werden kann. Das Doppeldeutige kultisch verehrter römischer Göttinen (Fortuna, "Bona Dea" Maia, Acca Larentia) spiegelt sich in der parallelen Existenz von Liturgie und Spektakel. Der Mythos verlässt den Tempel und geht auf die Bühne, tritt in die grelle Öffentlichkeit des Circo. "So blieb das Bedürfnis, sich darzustellen … absolut untrennbar von der Sichtbarmachung der Götter." In der Weiterentwicklung des Ritus aber erkennt Klossowski einen Tribut der römischen Religion an die Souveränität der Götter ("ihren zweckfreien Genuss") und die Möglichkeit des Staates, sich moralische Ordnung zu erkaufen, indem er den Göttern Immoralität durchgehen lässt. Gewesen sein wollte es dennoch keiner. Stoiker und Skeptiker schrieben das Skandalon den Dichtern zu, die Theologen fanden, die ganze Mythologie sei ein großer Schwindel. Nur Nietzsche erkannte im Gelächter über die "fleischlichen Simulakren" auf dem Theater das die Wiedergeburt der Götter begleitende Geräusch.