Hypochondrie: Ich bin doch kein Simulant. Ich leide.

Im Rahmen einer Hypochondrie-Studie der Goethe-Universität Frankfurt erforschen Wissenschaftler derzeit das gesundheitliche Leiden von 30 Patienten, deren krankhafte Angst vor dem Ausbruch von Krankheiten den eigenen Alltag deutlich beeinträchtigt. Weitere 50 Teilnehmer werden noch gesucht.

Häufig belächelt: Der Leidensdruck von Hypochondrie wird oft unterschätzt

Über sie gibt es viele Witze. Hypochonder haben keinen guten Ruf. Wer's nicht besser weiß, hält sie für nervtötende Neurotiker und jammernde Simulanten. Diese wiederum, so heißt es, sollten einfach mal klarkommen und sich beruhigen, schließlich sei Einbildung keine Krankheit. In Wahrheit jedoch ist die ständige Angst, krank zu sein oder krank zu werden, aber eben genau das – eine Angsterkrankung, genauer: eine so genannte somatoforme Störung. Wie man das aus ihr resultierende Leid lindern und ob man die Störung gar heilen kann, untersuchen derzeit Forscher an der Goethe-Universität Frankfurt.

Bin ich ein Simulant oder krank?

Um diese Frage für sich klar zu beantworten, mag es zunächst ratsam sein, den Begriff „Krankheit“ einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Um eine psychische Krankheit bzw. Störung handelt es sich laut ICD10, wenn das eigene Erleben und Verhalten im Bereich der Gefühle, Gedanken und alltäglichen Handlungen erheblich von der allgemeinen Normalität abweicht. Zweiter und wichtiger Punkt bei dieser Definition ist aber der subjektive Leidensdruck: Buchstäblich gestört wird nämlich erst, wer von diesen Normabweichungen in seiner Alltagsführung erheblich beeinträchtigt wird und darunter häufig leidet. Wer sich also fragt, ob er womöglich ein Hypochonder ist, sollte sich demnach vor Augen führen, inwiefern ihm die häufige Angst vor Krankheiten den Alltag konkret erschwert und die Lebensqualität mindert.

Hypochondrie: Symptome der Symptom-Such-Sucht

Hypochonder leiden oft unter Konzentrationsstörungen. Es fällt ihnen im Alltag schwer, sich ausreichend zu fokussieren, weil sich die eigenen Gedanken wiederholt um Krankheitsängste drehen: Hinter der Übelkeit könnte ein Magengeschwür, hinter dem Kopfweh todsicher ein Hirntumor stecken, und der leicht beschleunigte Puls wird als Vorzeichen eines bevorstehenden Herzinfarkts gedeutet. Nun kennt wohl jeder solche plötzlichen Eingebungen und Angstmomente, in denen die eigene Befindlichkeit verrückt spielt und man infolge exzessiven Krankheiten-Googlens mithin ernsthaft um die eigene körperliche Gesundheit besorgt ist. Ein akuter Fall von periphärer Cyberchondritis, die inzwischen sehr weit in der Bevölkerung verbreitet sein dürfte, im besten Fall aber noch mit einem selbstironischen Grinsen quittiert werden kann. Beim Hypochonder werden solche aufblitzenden Angstmomente nun gar nicht mehr als komisch wahrgenommen. Stattdessen werden sie zur regelrechten Obsession. In deren Folge beginnt der Betroffene, den eigenen Körper verstärkt zu beobachten und schließlich zwanghaft zu kontrollieren, was im Tagesverlauf gedanklich mehr und mehr Zeit in Anspruch nimmt. Die Angst vor dem Hiobscharakter der eigenen Missempfindungen wiederum produziert, bekanntlich, immer noch mehr Angst – wodurch sich zusätzlich die Wahrnehmung der seltsamen Symptome verschärft: Sie werden dadurch als stärker empfunden.

Hypochondrie: Auswirkungen auf den Alltag

  • Grübeln und Gedankenkreisen
  • Gespräche drehen sich ständig um das Thema Krankheit
  • Unfähigkeit, sich auf andere Themen und Belange zu konzentrieren
  • Konflikte in Partnerschaft, Freundschaften und Beruf
  • Sozialer Rückzug
  • Scham
  • Vereinsamung
  • Verlust der Arbeit
  • Depression

Hilfe und Beratung für Hypochonder

Ein häufiger und übrigens sehr verhängnisvoller Impuls, dem hypochondrische Patienten oft folgen, ist die trügerische Idee, dass es hilfreich sei, permanent über die eigenen Symptome zu sprechen und sich ständig entwarnende Rückversicherungen von Fachärzten, Apothekern und Gesundheitsexperten zu holen. Dadurch finden die Symptome des Hypochonders allerdings keine Linderung, sondern werden nur noch verstärkt. Adäquate Unterstützung beim Umgang mit den eigenen Krankheitssymptomen bietet kurzfristig eine kognitive Verhaltenstherapie. Für eine nachhaltige Verbesserung der Symptome sind in der Regel gar nicht so viele Sitzungen nötig. Wichtig ist dabei jedoch unbedingt eine Kooperation von Therapeut und behandelndem Hausarzt, der auf eine maßvolle Diagnostik in der Praxis achten soll. Scherzhaft gesagt: Suchen Sie sich einen guten Therapeuten auf und sprechen Sie so selten wie möglich mit Ihrem Arzt oder Apother! So könnte das zwanghafte Googeln von Krankheiten bald der Vergangenheit angehören.

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Eine Meinung

  1. Hallo,
    ja, völlig richtig. Wer krankhafte Symptome zeigt und leidet, dem muss geholfen werden. Ob die Probleme nun wirklich körperlicher Natur sind oder „nur“ psychisch bedingt, ist doch zweitrangig. Kein Hypochonder hat sich vorgenommen: So, nun will ich aber krank werden. Letztendlich ist Hypochondrie ein Zeichen, dass etwas falsch läuft. Ein „Stell dich nicht so an, das bildest du dir ein“ macht es nicht einfacher.

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