Es begab sich zu einer Zeit, in der sich die Welt im Aufbruch befand. Der eiserne Vorhang fiel, Ost und West reichten sich die Hände und schworen sich das Elend in der Welt zu bekämpfen. Weltkonferenzen fanden statt und es herrschte ein breiter Konsens von Industrie- und Entwicklungsländern, dass etwas getan werden muss. So verpflichteten sich 189 Nationen auf acht Ziele als Kernforderungen, die bis ins Jahr 2015 erreicht werden sollten. Diese Ziele nannten sie die Millenium-Entwicklungsziele (Millenium Development Goals = MDG).
Mittlerweile sollte vielleicht nicht mehr von Zielen, sondern eher von Idealen gesprochen werden. Denn die anfängliche Euphorie über den neuen Humanismus in der Weltpolitik ist mittlerweile der euphemistischen Tagespolitik gewichen, die Ziele zwar nicht erreicht, ihr Scheitern aber in schöne Worte zu verpacken weiß.
Heute veröffentlichte das UN-Kinderhilfswerk (UNICEF) eine Studie über Kindersterblichkeit durch Unterernährung. Zu den Zahlen: 5,6 Millionen Kinder sterben jedes Jahr an Unterernährung, das sind über 15000 Kinder pro Tag und rund 640 pro Stunde. Unterernährung ist damit verantwortlich für mehr als die Hälfte aller Todesfälle von Kindern.
Nur zur Erinnerung:
– Entwicklungsziel Nummer 1: Beseitigung der extremen Armut und des Hungers – Bis 2015 soll der Anteil der Menschen halbiert werden, deren Einkommen weniger als 1 Dollar beträgt und der Anteil der Menschen halbiert werden, die unter Hunger und Unterernährung leiden.
– Entwicklungsziel Nummer 4: Senkung der Kindersterblichkeit – Bis 2015 soll die Kindersterblichkeit im Vergleich zum Jahr 1990 um zwei Drittel gesenkt werden.
Dass Unterernährung aber nicht nur Kinder trifft, daran erinnerte Titania Carthaga vor kurzem und startete einen Aufruf gegen das Vergessen.
Diese Zahlen wird wohl kein Politiker mehr schönreden können, möchte man meinen. Aber einen gibt es, der tatsächlich Fortschritte bei der Erreichung der Ziele feststellt. Es ist kein geringerer als Weltbank-Präsident, Paul Wolfowitz. War seine Nominierung schon umstritten und vielen Europäern ein Dorn im Auge, scheint er seinen Kritikern nun Recht geben zu wollen. Ergänzend zu einem Fortschrittsbericht der Weltbank zu den MDGs, der seinen Namen nicht verdient, erklärt Wolfowitz: „Weniger als zehn Jahre bleiben uns noch bis zum Stichtag. Wir machen in vielen Ländern Fortschritte, was zeigt, dass Anstrengungen in der Entwicklungspolitik erfolgreich sein können“.
Nur zum Vergleich hier einmal die Einschätzung des UN Development Programmes.
Wie kommt es zu diesen unterschiedlichen Bewertungen hinsichtlich der Erreichung der Ziele? Zunächst ist es richtig, dass sich der Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben um 130 Millionen Menschen verringert hat, die Kindersterblichkeit von 103 Todesfällen pro 1000 Lebendgeburten auf 88 gesenkt werden konnte und die Lebenserwartung von 63 auf 65 Jahre gestiegen ist. Aber das ist reine Statistik. Der Grund ist, dass China 1990 noch zu den Entwicklungsländern zählte und nun für die Bereinigung der Statistik sorgt. In Afrika südlich der Sahara hat die Armut sogar noch zugenommen, einzig in Ostasien kam es zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensbedingungen. In vielen anderen Weltregionen sieht es mittlerweile schlechter aus als noch 1990. Seinerzeit profitierten die Länder in Afrika noch von den weltpolitischen Spannungen, die Ost und West häufig auch mit dem Scheckbuch austrugen.
Heute gerät Afrika immer mehr aus dem Blickfeld des Westens, auch dafür sind die MDGs ein Indikator.
Übrigens: Während du diesen Beitrag gelesen hast, sind 21 Kinder an Unterernährung gestorben.
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