Synthetische Homöopathie

Hahnemann müsste eigentlich heutigen Naturwissenschaftlern als ein angemessener Kollege erscheinen. In einer Zeit, in der Medizin im wesentlichen von Märchen begründeter Hokuspokus war, setze er auf Experiment und Empirie. Als nebenberuflicher Übersetzer wissenschaftlicher Literatur kannte er neue Studien, weit über die Landesgrenzen hinaus. Aber er probierte alles aus, mutigerweise sogar an sich selbst. In akribischer Fleißarbeit griff er sich jeden Stoff, dem er habhaft werden konnte und testete, was es an ihm selber an körperlichen Symptomen bewirkte. Alles sorgfältig dokumentiert, mit jedem erdenklichen Stoff. Und damit meine ich wirklich jeden Stoff. Egal ob Arsen, Tintenfischtinte oder Eiter aus Beulen, alles wurde auf Wirkungen im Körper untersucht. Nicht glauben, wissen.
Wie er auf die Sache mit der Verdünnung kam ist ja noch klar: anders sind Dinge wie Arsen offenkundig nicht bekömmlich. Aber woher das mit dem Rühren, Schütteln, Klopfen usw. kommt? Keine Ahnung.
Wieso aber hätte Hahnemann nun an Zukunftstechnologien seinen Spaß, wo uns doch die Homöopathie eher als eine altertümliche Methode erscheint und die meisten Naturheilkundler bei futuristischen Schilderungen Allergien bekommen?
Nun, seine Stoffanzahl war trotz fanatischem Fleiß begrenzt. Nur eine geringe Anzahl der theoretisch möglichen Stoffe ist in der Natur verwirklicht worden. Aber was meinen die Neo-Homös wohl zur Nanotechnologie? Wir können mittlerweile Stoffe auf Atomebene zusammensetzen! Mit Eigenschaften wie wir sie uns wünschen. Wir könnten unbegrenzt synthetische Stoffe erzeugen und sie ebenso stur wie Hahnemann auf Arzneiwirkung austesten. Wieso sollte so etwas nur mit Molekularbiologie im konventionellen Pharmabereich verfolgt werden? Wieso sollte die Technik vor „sanfter Medizin“ halt machen? Ebenso wie Mozart sich an der neusten Musiksoftware erfreuen würde, wäre Hahnemann wahrscheinlich mutiger als viele die seine Lehre heute vertreten. Er wäre sicherlich in der angewandten Nanotechnologie tätig.

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