Röttgen erstaunt den BDI und andere

Nach einer unwürdigen Debatte, sowohl innerhalb der
Parteienlandschaft zur Vereinbarkeit von Amt und Mandat, aber insbesondere
nachdem sich die früheren BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel (gen. H2O) und
Michael Rogowski mit der Forderung des Mandatsverzichts „spätestens zum
Eintritt in den BDI“ unnötigerweise eingebracht hatten, verhielt sich Röttgen
erstaunlich konsequent.

Anstatt nun der Forderung der Industrie, wie sonst ja
ständige Übung in der Politik, nachzugeben, wählte Röttgen den für seine
berufliche Perspektive unbequemeren Weg und verzichtete auf das Amt des BDI-Hauptgeschäftsführers.
Und alle waren sie von den Socken.

Am eloquentesten reagierte noch H2O, der Röttgen für diesen
Schritt Respekt zollte, wenngleich er lieber die andere Alternative gesehen
hätte. Meiner Meinung nach ein erstaunlicher, mutiger Schritt eines Politikers,
der genauso gut den Weg des Geldes hätte gehen können, ohne dafür angegriffen
zu werden. Erstaunlich auch, dass Doppelfunktionen als Gewerkschaftsfunktionär
und Abgeordneter im Parlament  akzeptiert
sind und bereits mehrfach zelebriert wurden. Kommt jedoch die Seite des
Kapitals ins Spiel, sieht die Sache wesentlich weniger entspannt aus.

Röttgen jedenfalls positioniert sich mit seiner Entscheidung
als positives Beispiel eines Parlamentariers, der hinterher tut, was er vorher
gesagt hat. Nur hat der BDI damit wohl nicht gerechnet. Und auch der Bundestag
scheint eher überrascht.

Ich persönlich hätte bei einem Menschen, der offenbar bereit
ist, so konsequent die eine von der anderen Tätigkeit zu trennen, und sich
entsprechend zu verhalten, kein Problem mit der Doppelfunktion gehabt. So einer
ist mir allemal lieber, als ein Altkanzler, der seinen Job abgibt, um
unmittelbar danach in die Energielobby zu wechseln.

Röttgen hat gezeigt, dass er nicht so ein Söldner ist.
Respekt dafür!

2 Meinungen

  1. Na, hier ist aber einer blauäugig! Respekt wofür? Schließlich traf er die Entscheidung erst unter öffentlichem Druck. Und auf einen Lobbyisten mehr oder weniger käme es ja auch nicht mehr an.

  2. Dieter Petereit

    Hallo Herr Textspeier.Tatsächlich bin ich sogar amtlich bestätigt blauäugig. Ich fürchte aber, dass dies nicht die Art von Blauäugigkeit ist, die Sie mit Ihrem Kommentar zum Ausdruck bringen wollten. Na ja. Ich bin Kummer gewohnt ;)Inhaltlich: Von „öffentlichem Druck“ kann man kaum reden. Tatsächlich haben sich die beiden ehemaligen BDI-Präsidenten Henkel und Rogowski massiv eingemischt. Henkel hatte schon vor Wochen formuliert, dass er sich einbringen werde, um „das trojanische Pferd“ Röttgen zu verhindern. Eigentümliche Formulierung, oder nicht?Offenbar musste Henkel davon ausgehen, dass Röttgen eine Verzahnung zwischen BDI und Parlament darstellen könnte, die nicht ausschließlich den Interessen der Industrie dienlich sei. Anders kann die Parabel vom trojanischen Pferd nicht zu verstehen sein. Öffentlich wurde die Sache dann auch erst, als sich Henkel und Rogowski entschlossen, einen offenen Brief an den amtierenden Präsidenten Thumann zu schreiben, und das ausgerechnet per BILD-Zeitung. Diese lässt sich bekanntermaßen in Hetzkampagnen jedweder Art immer gern instrumentalisieren.Erstaunlicherweise laufen aus dem Stand alle Parlamentarier heiß, sobald die BILD ihre – meines Erachtens – undifferenzierten und an sich unmaßgeblichen Meinungen unters Volk posaunt.Nun haben ehemalige BDI-Granden also einen Röttgen als Geschäftsführer verhindert und sind darüber selbst mehr als erschreckt, von amtierenden BDI-Vertretern ganz zu schweigen.Ganz offensichtlich war man davon ausgegangen, dass Röttgen selbstverständlich den Weg des Geldes gehen würde. Mein Respekt gilt ihm dafür, dass er das nicht getan hat. Vielmehr hat er sozusagen Wort gehalten. Nämlich gegenüber denjenigen aus seinem Wahlkreis, die ihm das Vertrauen geschenkt haben, sie bis 2009 im Bundestag zu vertreten. Ich weiß nicht, welcher Politiker noch so gehandelt hätte. Die meisten wären doch mit wehender Fahne zur Industrie übergelaufen. Gut, dass es noch Leute gibt, die nicht die Mentalität des TSÖFKAK (The SchrÖder Formerly Known As Kanzler) leben wollen.Weiterhin gilt es zu beachten, dass es noch eine ganze Reihe Leute im Bundestag gibt, die Doppelfunktionen ausüben, ohne dass man ihnen bisher derart maaiv an die Karre gepinkelt hätte. Allen voran der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Arbeigeberverbände (BDA) Reinhard Göhner…Allerdings: Ihre Aussagen zur Anzahl der Lobbyisten insgesamt ist natürlich völlig richtig. Ich wollte die Stelle des BDI-GF nicht in den Stand der Unverzichtbarkeit erheben.

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