Pro und contra: Einführung einer Wahlpflicht in Deutschland

In Anbetracht geringer Wahlbeteiligungen stellt sich vielen Politkern, Forschern und auch Wählern die Frage, ob die Einführung einer Wahlpflicht, wie etwa in Belgien, Portugal, Australien, Liechtenstein und anderen Ländern, die politische Beteiligung ankurbeln könnte. Gegner der Idee führen allerdings an, dass es sich bei dieser Idee um einen Wahlzwang handelt, der per se dem freiheitlichen Gedanken von Wahlen widerspricht. Beide Seiten haben durchaus nachvollziehbare Argumente, die in der Demokratie-Diskussion beachtet werden müssen.

Wahlpflicht oder Wahlzwang?

Die Vorteile, die von Befürwortern der Wahlpflicht genannt werden, sind vor allem in der Motivation von Politikverdrossenen und Nichtwählern zu sehen. Ausgaben für Wahlkampagnen könnten verringert werden, alle gesellschaftlichen Schichten könnten ihre Meinung an der Wahlurne abgeben.

Eine mögliche Rechnung zur Befürwortung der Wahlpflicht liegt in der Tat in der geringen Wahlbeteiligung und den Auswirkungen auf die Repräsentationskraft der gewählten Parteien: Gehen von der gesamten Bevölkerung nur 60 Prozent zur Wahl und wählen von diesen nur 30 Prozent eine der Parteien, die dann aber durch das Wahlergebnis die stärkste ist, kann rein rechnerisch von einer mehrheitlichen Zustimmung der Bevölkerung jener Partei eigentlich nicht die Rede sein, da immerhin 70 Prozent der Wähler dieser Partei ihre Stimme nicht gegeben haben.

Die Nachteile, die Gegner des Wahlzwangs anführen, sind zu einem großen Teil im Schutz der Demokratie und der Persönlichkeitsrechte der Wähler begründet. Die Freiheit der Wahl bedeutet somit auch immer die Möglichkeit zu nutzen, eben nicht zu wählen. Somit steht ein Zwang zur Wahl komplett im Widerspruch zum demokratischen Gedanken. Eine weitere Gefahr würde drohen, wenn durch eine solche, erzwungene Wahlbeteiligung extreme und sogar antidemokratische Parteien einen starken Zuwachs an Wählerstimmen bekommen würden.

Steigerung der politischen Beteiligung oder Beschneidung der Freiheit?

Um die politische Beteiligung wieder zu steigern, muss man sich neben den Argumenten für und gegen die Wahlpflicht vor allem mit der Motivation der Nichtwähler auseinander setzen: Sind all jene, die nicht den Weg zur Wahlurne antreten, zufrieden und haben daher kein Interesse an einer Veränderung oder sind sie so frustriert, dass sie keinen Sinn hinter ihrem Wahlrecht sehen?

Während fünf EU Mitgliedsstaaten (Griechenland, Belgien, Zypern, Italien und Luxemburg), sowie etliche weitere Staaten in der Verfassung oder den Wahlgesetzen entsprechende Wahlpflichten verankert haben (Strafen für Nichtwähler schließen Geldbußen und auch Haftstrafen mit ein), müsste in Deutschland die Verfassung erst geändert werden. Allerdings müssen vorher weitere wissenschaftliche Auswertungen erfolgen und die Diskussion um die Wahlpflicht oder den Wahlzwang weiter geführt werden.

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