„Stadtluft macht frei“ hieß es im Mittelalter. Denn während auf dem Lande Leibeigentum und Pflügen karger Böden das Bild bestimmte, herrschte in vielen Städten eine gänzlich andere Atmosphäre, die mehr Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung bot. Heutzutage ist es vor allem die schlechte Versorgungslage in Sachen Einkaufsmöglichkeiten, Fachärzten sowie beim öffentlichen Nahverkehr, die immer mehr Menschen in die Zentren treibt.
Der Trend geht in die Zentren
Seit jeher wird von der deutschen Politik die Wichtigkeit von Wohneigentum für den sozialen Frieden sträflich vernachlässigt. Für eine Industrienation ist eine Wohneigentumsquote von um die vierzig Prozent eigentlich ein Grund sich sorgen zu machen. Dies umso mehr, als die Gruppe der Eigentümer in immer stärkerem Maße ergraut. Gerade ländliche Immobilien werden in den seltensten Fällen von der nächsten Generation übernommen. Denn zum einen gibt es im ländlichen Raum nur in begrenztem Maße qualifizierte Beschäftigungsmöglichkeiten und zum anderen verschlechtert sich die Versorgungslage in diesen Regionen zusehends. Dies führt dazu, dass es auch immer mehr ältere Menschen in die Zentren zieht, wo Einkaufsgelegenheiten und Ärzte zu Fuß zu erreichen und die modernen Wohnungen barrierefrei gebaut sind. Jenseits der suburbanen Gemeinden wird es dadurch immer schwerer Käufer für leerstehende Immobilien zu finden, zumal diese oftmals von der Wärmedämmung aufwändig nachgerüstet werden müssen.
Eine Überalterung ist unausweichlich
Für eine generelle Umkehr dieser Entwicklung ergeben sich wenige Anzeichen. Waren es bis in die Siebzigerjahre noch die meist wenig attraktiven Innenstädte mit ihrer schlechten Luft, die Menschen bei der Immobiliensuche auf das Land ausweichen ließen, so sorgen heute Begrünung und deutlich niedrigere Abgaswerte beim Verkehr wie auch in der Produktion für ein wesentlich lebenswerteres Umfeld in den großen Städten. Hinzu kommt das deutlich vielfältigere Waren-, Dienstleistungs- und Kulturangebot in den Zentren. Außerdem setzt sich der Schrumpfungsprozess der einheimischen Bevölkerung aufgrund niedriger Geburtenraten weiter fort. Zuwanderer finden in den großen Städten nicht nur eine größere Akzeptanz sondern außerdem mit höherer Wahrscheinlichkeit auch andere Menschen aus ihrer ursprünglichen Heimat vor.
Neue Ideen sind gefragt
Nimmt man nun die jungen Erwachsenen hinzu, denen der ländliche Raum nur geringe berufliche Perspektiven bietet, so führt an einer fortschreitenden Überalterung auf dem Land praktisch kein Weg mehr vorbei. Auch eine ausgebaute Förderung dieser Räume dürfte am grundsätzlichen Trend nur wenig ändern. Insofern wird es in Zukunft vor allem darum gehen, die Versorgung auf dem Land nicht jener in der Stadt anpassen zu wollen, sondern für diese Räume eigene kreative Lösungen zu entwickeln.
Andersrum: Von der Stadt ins Dorf
Dennoch hat sich das Blatt erstmals 2015 gewendet. Hier stieg die Zahl der aufs Dorf Ziehenden erheblich. Vor allem junge Familien entschieden sich für den Tapetenwechsel. Der Grund: Niedrige Mieten und mehr Ruhe. Dennoch: Die Quote der in die Stadt ziehenden Deutschen steigt weiter. Einige Regionen in Ostdeutschland verzeichnen einen Bevölkerungsschwund von bis zu zwanzig Prozent.
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