Nein, an dieses Bild ist selbst manch abgehärteter Berliner nicht gewöhnt. Auf der Fuggerstrasse (1./ 2. September 07) und drumherum stehen mindestens 2- 3000 Männer in teilweisen oder kompletten, meist hautengen Lederoutfits. Sie tragen Latexshirts und Hosen, Uniformen oder auch gar nichts über der rückwärtigen Körperseite. Wieder andere werden an Halsbändern und Ketten gelegt, durch die Menge geführt und ganz wenige zeigen nicht nur Mut zur Maske, sondern sogar zur organisierten Atemnot. Ja, das will selbst der toleranteste Berliner wohl nicht alle Tage sehen, fürchte ich. Eine ganze Strasse gehört für Jugendliche unter 18 gesperrt, mit ihren Ständen von Biker-Freunden oder SM-Jungs, inklusive Fotoschauen und -natürlich- dem notwendigen "Handwerkszeug", sprich Riemen, Peitschen usw. Die Zusammenkunft der Fetisch-Freunde ist zu einem zweiten Strassenfest in Schöneberg geworden, denn von Jahr zu Jahr kommen mehr Besucher zum FOLSOM. Das Wort stammt, wie die Veranstaltung auch, aus Amerika und versammelt Männer aller Alterklassen, Schönheitsideale und eben Fetischneigungen an einem Ort zum Quatschen, Feiern und … ja genau. Das Treffen könnte fast unbehelligt von der Allgemeinheit außerhalb der Fuggerstrasse ablaufen, wenn es nicht Blogger wie mich gäbe und in jedem Jahr Aufregung in der "BZ" und anderen Moralblättern verbreitet würde. Ziel ist dabei gern der Regierende Berliner Klaus Wowereit, der die Fetischfreunde auch in diesem Jahr mit einem höchst toleranten Grusswort in der Stadt willkommen hieß. Die Diskussion um diese Art der Zurschaustellung von Sexualität und Neigungen, von Gemeinsinn im Speziellen mag für Berlin eine Bereicherung sein, für die "FOLSOMER" ist es einfach nur Spaß am Rollenspiel. Für den ungeübten Besucher ist es zuweilen allerdings auch eine Zumutung. Doch Gleiches gilt auch für jede andere Party der Welt: Geschmacksgrenzen liegen im Auge des Betrachters. Manch einer von den "harten Kerlen" ist nämlich trotz Sonnenbrille und US-Cop-Uniform auch nur ein ganz Lieber und – das sieht das Bloggerauge dann schon – lebt hier die Umsetzung des Mottos: zusammen ist man weniger allein. Die Veranstalter sind zufrieden und werden in diesem Jahr sicher wieder gutes Spendengeld für die AIDS-Hilfe zusammen getragen haben. Auch das ist Ziel beim FOLSOM, aufmerksam zu machen auf das Thema, das immer stärker aus dem öffentlichen und privaten Bewusstsein verdrängt wird – der Schutz vor HIV und AIDS.
Vergessen in ansteckend – Schlange stehen auch
Ganz in diesem Sinne aßen sich etwa 2000 Gäste beim diesjährigen Reminders-Day im Berliner Roten Rathaus durch. Mit einem Galadiner, gezaubert von Starkoch Markus Semmler und nur für Besitzer eines goldenen Armbändchens wurde wohl der Hauptteil der Abendeinnahmen bestritten. Der Einzelplatz am Gourmetvergnügen soll 400 Euro gekostet haben. Geschäftsleute und Partner der AIDS-Hilfe, Schwerpunktärzte und AktivistInnen ließen es sich gut gehen. Währenddessen tobte draussen, in den Foyers das Rathauses der Kampf um jedes kleine Stück Fleisch, Pasta und Dessert vom Bufett. Menschen drängelten, schlängelten und fluchten, weil sich Warteschlangen bildeten, die an die Verteilung von Südfrüchten zu DDR-Zeiten erinnerten. Als dann auch noch die Teller ausgingen, kippte die Stimmung bei einigen Galagästen. Die Show zum Event wurde zauberhaft präsentiert von Jessica Witte-Winter, seriös und charmant in einem schwarzen Abendkleid und Georg Uecker, der Allzweckwaffe für Unterhaltung und Dampfplauderei – in einem schmalen, roten Seidenanzug. Ein Preis wurde auch verliehen. Rita Süßmuth durfte sich über den Red-Award freuen und forderte Politiker und Anwesende auf, mehr für die Belange von Menschen mit HIV und AIDS zu tun. "Rita, wat kosten die Kondome!" – ich wollte es rufen, habe es aber gelassen. Chapeau.
Stargast des Abends: Roger Cicero, der seine Songs mit der gleichen Intensität verswingte, wie auch schon beim Grand Prix in Helsinki. Sehr professionell und ein bisschen – hach – langweilig. Nicht gesehen: Klaus Wowereit, der noch in Japan weilte und dessen Abwesenheit als Schirm- und Hausherr manchen Gast schmerzte. Dafür zeigte der Zigarettenkonzern B.A.T (British-American-Tobacco) welche großartigen Initiativen zur Bekämpfung von HIV und AIDS ausgerechnet der Tabakriese in Afrika leistet. Neben der "Dunhill-Lounge" mit Zigaretten von der Stange und Zigarren aus edlen Humidoren wies der Schmauch- und Rauchkonzern auf Folgendes hin: Wußten Sie… das B.A.T. seinen Mitarbeitern und deren Familienangehörigen in Südafrika die antiretrovirale Therapie (sprich: HIV-Medikamente d.V.) kostenlos zur Verfügung stellt ? Nein, wusste ich nicht. Und ich weiß auch nicht, ob ich diese Art der Image-Werbung für einen Konzern, der nachgewiesenermaßen gesundheitsgefährdende Produkte herstellt, gut finden soll. Ach ja, Promis waren auch da. Gesehen wurden: Starvisagist Rene Koch (blieb nur kurz), Francis Winter (strahlend wie immer), Barbara Schöne (mit ständig offenem Mund), Claus Vincon (mit neuer Haarfarbe?), Barbara Becker (ach ja…) und Reiner Meifert (war mal Seriendarsteller). Ein schöner, ein lauter, ein bunter Abend, dessen Ziel, viel Geld im Kampf gegen HIV und AIDS zu sammeln hoffentlich erreicht wurde.