Wenn früher wer wo in Europa Urlaub machte, wusste der doch immer recht dezidiert seine Geschichte der immer gleichen Geschichten zu erzählen: wie der Holländer sich unfreundlich benahm, der Schwede höllebesoffen und der Engländer dazu auch noch krebsrot war. Dies ward natürlich nur möglich, wenn der besonnene, musische deutsche Schöngeist (denn ist ja wohl der immer gleiche Subtext dazu) sich ins öffentliche Leben vor Ort begab, denn die Reiseveranstalter taten ja ihr möglichstes, um dies zu verhindern. Oder war dies nur ein Frage der Sterne. Oder hat nun tatsächlich eine neue Zeitrechnung angefangen?
Hier auf Zypern, in dem Mikrokosmos meines Hotels, muss ich viele Dinge lernen und noch mehr liebgewonnenene Ansichten (ugs.: „Vorurteile", Marketing-dt.: „(Subjektiv-)Analysen") zumindest in Frage stellen. So spricht das Bedienungspersonal auf der Insel hier ebenso wie das Bedienungspersonal auf Juist polnisch, und was hier deutsch spricht, kommt aus Österreich. Die Folge eines vereinfachten Steuersystems? Der neue Reichtum? Ihr Umfang ließe darauf schließen …
Wer oder was ist weiß und sitzt mittags (ab 10h) an der Bar und trinkt Bier? Ja, die Russen, während die Briten nur noch an ihrer Lektüre („Sun") zu erkennen sind.
Es gibt hier alles auch auf russisch. Auch einen TV-Sender. (Überhaupt weisen die Bungalows hier mit Satellitenschüsseln auf, die man vor zwei Jahrzehnten noch für Radioteleskope gehalten hätte.) Unglaublich, was da läuft. Zu besten Sendezeit Werbung für Haar-, Zahn-, Körper- und Zimmerpflege. Und das in einer Anmut, wie wir sie hier nur von Telefondiensten für Erwachsenen kennen. Und mittendrin in alle den Spots: ein deutscher. Schwarzkopf.
Ein Spot für „Brillance". Gelangweilt schalten wir um und wirklich nach nur drei Sekunden: der gleiche Werbefilm, dessen einleitende rhetorische Frage, ob man eine Haarfarbe kenne, die bei diesen Belastungen (gemeint waren Sonne und Meerwasser) nicht verblasse, mein Sohn mit den Worten beantwortete: „Ja, die eigene". — Kindereien …