Geht man nach dem aktuellen Zwischenstand der UEFA-5-Jahreswertung, so hat Deutschland mit 9,785 knapp vor Spanien (9,571) im Moment die meisten Punkte erzielt. Und auch wenn die Liga der Iberer im Blick auf die gesamten letzten 5 Jahre noch ein ganzes Stück entfernt ist, so tastet sich die Bundesliga kontinuierlich an Europas Spitze heran. Italien hat man mittlerweile deutlich hinter sich gelassen und auch die englische Premier League auf Platz zwei kommt langsam in Sichtweite. Dies bedeutet, dass die derzeitige Zuteilung von bis zu vier Champions League- und drei weiteren Europa-League-Plätzen für die deutschen Fußballclubs auf absehbare Zeit beibehalten werden kann. Die Europa-Euphorie steigt also und mit ihr auch die Chancen, dass es endlich einmal wieder einen europäischen Titel für einen einheimischen Verein gibt. Zuletzt war dies 2001 den Bayern in der Champions League gelungen, was also schon satte elf Jahre her ist. Doch die traurigen Jahre, als man froh sein konnte, wenn eine Handvoll Mannschaften die Vorrunde überstand, sind trotzdem schon längts vorbei. Nicht von ungefähr waren insbesondere die Bayern schon 2010 und 2012 kurz davor, den Bann zu brechen, scheiterten aber jeweils im Endspiel. Doch auch Schalke 04, Werder Bremen und der Hamburger SV fanden sich jüngst im Halbfinale oder Finale eines europäischen Wettbewerbs wieder. So langsam darf also der große Wurf gelingen. Doch warum schlagen sich die Bundesligavereine aktuell so stark? Schauen wir dazu erst einmal auf die Fakten der laufenden Saison.
Ruhrpottclubs entfachen Europa-Euphorie in der Champions League
Obwohl noch eine Partie in der Gruppenphase zu bestreiten ist, haben sich bereits alle drei Bundesligisten für das Achtelfinale qualifiziert. Durch das Topspiel von Meister Borussia Dortmund ist der Verein sogar schon sicher Gruppenerster und das hätten wohl die wenigsten für möglich gehalten. Noch vor einem Jahr waren die Borussen kläglich mit nur einem kümmerlichen Sieg gescheitert, nun aber setzten sie sich eindrucksvoll in der mit Abstand stärksten Gruppe durch. Die Titelträger der anderen beiden großen Ligen aus Spanien und England, nämlich Real Madrid und Manchester City, haben die Borussen hinter sich gelassen, dazu auch den niederländischen Meister Ajax Amsterdam. Von den Champions-League-Deppen wurden die Dortmunder in kurzer Zeit zum Geheimfavorit für den Einzug ins Endspiel.
Auch der FC Schalke 04 behauptete sich in einer recht anspruchsvollen Gruppe. Dabei glänzten die Knappen nicht ganz so sehr wie ihre Reviernachbarn, überzeugten aber vor allem durch Kampfgeist und Teamgeist. So rangen die Königsblauen Olympiakos Piräus im entscheidenden Gruppenspiel durch einen späten Treffer von Christian Fuchs mit 1:0 nieder. So gelang der Truppe von Huub Stevens beim 2:0 bei Arsenal London der erste Sieg der Vereinsgeschichte auf englischem Boden. Nun ist nur noch ein Erfolg beim Gruppenletzten Montpellier von Nöten, um wie der BVB Gruppenerster zu werden.
Dieses Ziel hat wie selbstverständlch auch der FC Bayern, der noch am meisten Probleme hatte, nach dem schwer erkämpften 1:1 in Valencia aber ebenso sicher im Achtelfinale steht. Gelingt ein Sieg gegen Weißrusslands Vertreter BATE Borisov, gegen den es im Hinspiel überraschend die einzige deutsche Niederlage der bisherigen Champions-League-Saison gab, so werden auch die Bayern ihre Gruppe schlussendlich gewinnen.
Europa-League-Vertreter zeigen Geschlossenheit
Auch im europäischen Unterhaus konnten die Bundesligisten bislang überzeugen. Allen voran Bayer Leverkusen, das in den ersten vier Partien gegen Charkiw, Trondheim und Rapid Wien kein Gegentor zuließ und somit vorzeitig in die nächste Runde einzog. Mit einer B-Elf wurde allerdings das Auswärtssspiel uin Charkiw verloren, wodurch Bayer wahrscheinlich „nur“ den zweiten Platz belegen wird.
Nicht sehr glanzvoll, aber schließlich doch souverän schaffte auch Hannover 96 seine Gruppe und entwickelt sich so langsam zum Spezialisten auf internationalem Parkett. Seit der sensationellen Rückkehr auf diese Bühne im letzten Jahr haben die Niedersachsen die Liga stets würdig vertreten und mussten auch gegen Enschede, Levante und Helsingborgs keine Niederlage einstecken, weshalb Platz 1 beim Endspiel in Levante durch ein Unentschieden gesichert werden kann.
Borussia Mönchengladbach erlebte bislang in allen Wettbewerben ein stetes Auf und Ab. In der Europa League zunächst mit Happy-End. Trotz schwachem Start mit nur einem Punkt aus zwei Spielen, drehten die Gladbacher das Schicksal zu ihren Gunsten, indem sie das direkte Duell gegen Olympique Marseille für sich entschieden und nun nicht mehr vom zweiten Platz verdrängt werden können.
Der VfB Stuttgart ist der einzige deutsche Club, der am letzten Spieltag noch um den Einzug in die nächste Runde zittern muss. Der 5:1-Triumph bei Tabellenführer Steaua Bukarest sollte dem VfB aber genug Selbstvertrauen mitgeben, um das entscheidende Heimspiel gegen Molde FK für sich entscheiden zu können. Aber Vorsicht: Im Hinspiel verloren die Schwaben sang- und klanglos mit 0:2.
Ursachen für das starke Abschneiden deutscher Klubs in Europa
Der Aufwärtstrend der Bundesliga ist also kein kurzfristiges Phänomen. Die teils überragenden Leistungen der aktuellen Saison setzen nur eine Entwicklung der letzten Jahre fort. Welche Gründe gibt es aber für die positive Trendwende?
- Die Wirtschaftskraft steigert die Attraktivität der Bundesliga
Jahrelang geriet der deutsche Ligafußball auch deshalb ins Hintertreffen, weil man sich auch bei den Topklubs nicht maßlos teure Ablösesummen und Spielergehälter leisten konnte. Heute könnte man sagen: Man WOLLTE sich dieses nicht leisten. Während viele, auch große, Vereine in Spanien, England und Italien hoffnungslos verschuldet sind, bauen die Clubs in Deutschland zumeist auf soliden finanziellen Grundlagen. Dies verdankt man auch strengeren staatlichen Vorschriften. Borussia Dortmund musste so vor zehn Jahren die Reißleine ziehen, um nicht wegen Überschuldung in eine untere Liga zwangsversetzt zu werden, so wie es jetzt dem schottischen Traditionsverein Glasgow Rangers passierte. In Spanien wäre eine knallharte Insolvenz von Real Madrid oder dem FC Barcelona undenkbar, sozusagen Gotteslästerung. In Deutschland hielt man die finanzielle Reißleine dagegen stramm und investierte statt in horrende Spielersalaire lieber in gute Infrastruktur in Form von Stadien oder Nachwuchsförderung. Nun erntet man langsam den Erfolg, denn während die Konkurrenz aus dem Ausland ob der Finanzlast an Wettbewerbsfähigkeit verliert, steigt die Attraktivität der deutschen Eliteliga weiter an. Die Fans strömen trotz aktueller Zerwürfnisse mit DFB und DFL weiterhin in die Stadien und verbreiten gute Stimmung. Und plötzlich kommen auch die Stars nach Deutschland, die man lange vermisst hat. Sie können ordentlich bezahlt werden, ohne dass unverschämte Gehälter kursieren - Ausgeglichenheit der Liga
Keine internationale Topliga ist so ausgeglichen wie die deutsche. Abgesehen vom Klassenprimus Bayern München finden sich immer wieder neue Konkurrenten um die Meisterschale. Nun scheint sich mit Borussia Dortmund ein weiterer großer Player zu entwickeln, doch auch Schalke oder Leverkusen sind stets für Topergebnisse gut. Und an gewissen Tagen kann auch ein Abstiegskandidat die Bayern in die Schranken weisen. Dies fordert die Spitzenmannschaften, stets voll konzentriert bei der Sache zu sein, egal ob in der Champions League in Barcelona oder in der nationalen Liga gegen Greuther Fürth. Außerdem gilt es, sich einen robusten Kader zuzulegen, der den vielen Belastungen standhalten kann. Dies kommt letztlich der Stabilität in internationalen Partien zugute.
- Neues Selbstbewusstsein und Heimstärke
Die Europa-Euphorie ist nicht einfach aus einer Laune heraus entstanden. Sie ist Ergebnis eines neuen Selbstverständnisses der Bundesligisten. Spieler, die bei Bayern, Dortmund, Schalke oder Leverkusen auflaufen wissen, dass sie mittlerweile häufig Favorit sind und zeigen das auf dem Platz auch. Das Selbstvertrauen wird aber auch in Spielen gegen die Großen des Kontinents zur Schau gestellt. So unterlag beispielsweise Real Madrid innerhalb eines Jahres zweimal gegen Bundesligisten. Vor allem zu Hause treten die deutschen Mannschaften dominant und zielstrebig auf.
Die Voraussetzungen sind günstig für einen neuen Europacuptitel, doch entscheidend sind nicht die Gruppenspiele. Im Frühjahr muss sich zeigen, ob die tollen Leistungen auch in den K.O.-Partien abgerufen werden können.
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