Erste Liebe

Wenn er mal wieder dreieinhalb Meter vorm Hauseingang schlappmacht und keinen einzigen Schritt mehr zu schaffen scheint, bewirkt nur die einfache Erwähnung ihres Namen Superman-artige Kraftschübe. Wie ein Irrer rast er dann zur Tür und fällt in seinem Liebestaumel regelrecht die Treppe in den ersten Stock hoch. (Leider müssen wir noch bis in den Vierten – ganze drei Stockwerke darf ich dann überbrücken.) Schließlich können wir auch nicht jeden Tag bei der Dame einfallen. Zumal sie auch noch andere Dates hat. Aber irgendwie muss ich meinen Sohn ja Rückenschonend bis kurz unters Dach bugsieren. Gut, das ist aber eigentlich ein anderes Thema.

Zurück zu Ida. Gewährt sie uns Einlass, dann strahlt Noah übers ganze Gesicht und ruft abermals verzückt ihren Namen. Nimmt sie an die Hand, zieht sie hierhin, und dorthin. Steckt ihr zärtlich den herausgefallenen Schnuller in den Mund und füttert sie fürsorglich mit Nudeln. Nur bei ihrem Rollpferd Torsten scheint seine Liebe an Grenzen zu stoßen. Den will er nicht mit Ida teilen und sie akzeptiert das anstandslos – aus Liebe? 

Ja, was geht da eigentlich ab zwischen den beiden? Anfangs der banale Verdacht, seine lautstarke Besessenheit  beruht nur auf der Tatsache, dass ihr Name so leicht auszusprechen ist. Doch sein Liebestaumel in ihrem Beisein erklärt sich damit nicht. Auch der Mangel an Alternativen ist es nicht – Noah kennt viele Mädels und datet auch mehrere (offiziell geht er nämlich mit der zweijährigen Marilu aus seiner Kindergartengruppe). Auch eine "standing beauty" kann man die süße Ida nicht nennen. Und die kampflose Aufgabe ihrer Spielsachen ist es meiner Meinung nach auch – das passiert Noah öfter bei jüngeren und älteren Spielkameraden. 

Wahrscheinlich ist das wie bei uns Erwachsenen auch: Er kann sie einfach gut riechen. Evolutionsbiologen, Hirn- und Sexualforscher erklären unsere Partnerwahl schließlich auch mit diesem, offenbar wesentlichen, Detail. Ein Umstand, der uns als Eltern eigentlich ganz entspannt werden lassen kann. Wenn Noah dann vielleicht mit 15 eine gepiercte, pinkhaarige Schönheit auf seinem Mofa mit nach Hause bringt, schauen wir ganz relaxed auf unseren liebeskranken Sohn und denken: "Kann man nix machen, sind alles nur die Pheromone."