Einfach verduftet – Ein Mythos verschwindet.

Zuckt die Schultern, als ich ihr den Bericht vorlese. „Ach Kind, das ist nun mal der Lauf der Zeit. Für jeden Tod gibt es ein neues Leben.“

Recht hat sie. Natürlich. Fehlen wird mir dieses Stinkwässerchen, von dessen Geruch man tatsächlich ohnmächtig werden kann, sicher nicht und doch trifft mich sein Ableben ein bisschen. 4711 – Echtes Kölnisch Wasser verduftet.

Ein Ladenhüter, wie der Konzern Procter & Gamble angibt. Für eine Kundschaft, die langsam ausstirbt. 4711 passe als lokale Marke nicht zur Strategie des Konzerns, der sich auf Marken mit hohem globalen Wachtsumspotenzial konzentrieren möchte. Dabei hatte das „Kolonje“ in dem altmodischen Flakon mit der türkis-goldenen, verschnörkelten Aufschrift und dem gold-roten Schraubverschluss durchaus einmal globalen Charakter. Wurde es doch einst nach Amerika exportiert und mit dem Slogan beworben: „in all civilized countries“.

Nach etlichen langwierigen Namensstreitigkeiten zwischen dem Firmengründer Wilhelm Mühlens und der italienischen Farina-Familie, ließ der Enkel des Gründers, Ferdinand Mühlens, 1881 die Firma „Eau de Cologne & Parfümerie Fabrik Glockengasse № 4711 gegenüber der Pferdepost von Ferd. Mülhens in Köln am Rhein“ eingetragen. Mutmaßlich weiß jeder Links- und Rechtsanrheiner heutzutage, dass die Firmenbezeichnung auf die Hausnummer des Firmensitzes in der Glockengasse zurückgeht, die noch aus der französischen Besatzungszeit um 1794 herrührt.

4711 ist der deutscheste aller Düfte. Schon fast ein Kulturgut. Durch Generationen geprägt. Kindheitserinnerungen hängen daran. Ein paar Tropfen auf ein weiches, weißes Stofftaschentuch geträufelt und auf die Hut-Ablage im alten, cremefarbenen Ford Taunus gelegt, „weil der doch so nach amerikanischen Kunststoff rieche“. Das Duftkonglomerat im Badezimmer, wenn Oma ihre „Morgentoilette“ erledigt hatte. Das Trockenshampoo neben der Frisiercreme. Der beigefarbene Alibert, der sicher mal hochmodern war, mit den abgestoßenen Plastikkanten. Richtige Perlonstrümpfe und Nagellack-Entferner mit Aceton. Der Anblick des Frisiertisches, hochglanzlackiert mit dem dreiteiligen Spiegel, an dem ihr Frisierumhang hing. Auf der Ablage der Flakon 4711 mit einem Pumpzerstäuber mit dieser altmodischem kleinen Pumpe, die mit Goldgarn ummantelt war und am Ende eine Troddel hatte. Immer neben Chanel No.5, das nur zu besonderen Anlässen benutzt werden durfte, über Jahre hinweg, ohne dass auf das Haltbarkeitsdatum geachtet wurde. Die Fernsehwerbung vor Weihnachten mit der verschneiten Glockengasse und dem dicken geschenkebepackten Nikolaus. Alles Schnee von gestern.

Omas Frisiertisch liegt längst auf dem Sperrmüll und im Bad steht „Roma“ von Laura Biagiotti. Und immer noch Chanel No.5. Die neuen Düfte wechseln im Minutentakt, beliebig austauschbar und schnell vergänglich. „Your fragance, your rules“ hätte auch auf Omas Generation gepasst.

2 Meinungen

  1. Och, guck´mal, die Frau Achten auch hier! Schön, die intelligenten, gut recherchierten Texte bei germanblogs lesen zu dürfen. :-)Übrigens: 4711 kann man im Stammhaus in der Glockengasse weiterhin erhalten, so wird jedenfalls erzählt.

  2. Omas und 4711, das gehört irgendwie zusammen!Meine Oma Erna hatte auch immer einen unerschöpflichen Vorrat an Erfrischungstüchern und grüngoldenen Fläschchen jeder Größe!Un: Wie schön, dass der Captain auf der Brücke ist.

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