Eine ägyptische Königin in Angst und Mord an einem hethitischen Prinzen

Ein wundervolles Rätsel, bestehend aus Intrigen, politischem Kalkül, Liebe und purer Machtgier, ist die Dahamunzu-Affäre für die heutigen Ägyptologen und Hethitologen gleichermaßen.

In den Archiven der hethitischen Hauptstadt Hattuscha, in Anatolien, sind Tontafeln gefunden worden, die die Korrespondenz des hethitischen Herrschers mit einer ägyptischen Königin in der XVIII. Dynastie wiedergibt, die äußerst brisant, explosiv, ja, Verrat am Vaterland ist, sollte sie aus Machtgier und nicht aus politischem Kalkül geführt worden sein. Die Philologen zerbrechen sich seit Jahren den Kopf, wie die Titel und Namen den einzelnen, damals lebenden Personen zugeordnet werden können, denn unterschrieben sind die Briefe nur mit „Dahamunzu“- der hethitischen Lautübertragung des ägyptischen „tA Hm.t ns.wt“ – „Die königliche Gemahlin“. Bedauerlicherweise lebten in der Periode, aus der diese Briefe stammen, vier königliche Gemahlinnen, die die Macht und ein Motiv hätten, ihr Land an den Feind zu verraten. Demgegenüber stehen noch etwaige andere Theorien, die mit einer Fälschung der Briefe durch alle möglichen Beteiligten beginnen, um sich Vorteile zu verschaffen oder andere in Missgunst zu bringen; Theorien, die einen Verzweiflungsakt in Betracht ziehen oder einen „großen Plan“ dahinter vermuten. Doch nun erst mal zum Anfang: Wer schlägt denn hier wem was vor?

Familienplanung: Die traurige Witwe und ein neuer Schwiegervater

Aus den Berichten der Hethiter geht hervor, dass die Ägypter, wieder einmal – aus dem Nichts heraus – feindselig und aggressiv wurden und dann plötzlich, als der hethitische Herrscher ein Machtwort sprach, Angst bekamen. In den ägyptischen Berichten ist übrigens dieselbe Geschichte immer genau andersherum, aber das kann in diesem Zusammenhang übersehen werden. Also, plötzlich, in der angstvollen Phase der Ägypter, erhielt der Hethiterkönig einen Brief von jener besagten Dahamunzu. In diesem berichtete die exotische Königin, dass ihr treuer Gatte, Nip-Huru-Rija, verstorben sei, sie aber keine Söhne habe, die den Horus-Thron übernehmen könnten. Sie hätte nun aber gehört, in Hatti gäbe es viele hübsche Prinzen, ob nicht einer von ihnen sie heiraten, und damit die ägyptische Pharaonenwürde übernehmen könnte; denn sie würde niemals einen ihrer Diener zum Gemahl nehmen.

Gut, eine etwas elitäre Einstellung muss den damaligen Royals nachgesehen werden. Stattdessen sollte anerkannt werden, dass der alleinige Gedanken einen Ausländer zu heiraten und zum Pharao zu machen, in der „Herrenrassen-Mentalität“ der Maat, die nach der ägyptischen Auffassung die Welt im Gleichgewicht hält, eigentlich unvorstellbar ist. Diese Möglichkeit nicht nur in Betracht zu ziehen, sondern sich auch aktiv um ihre Umsetzung zu bemühen, muss für eine ägyptische Königin schon als außerordentlich fortschrittlich betrachtet werden. Einen Diener zu heiraten würde wirklich zu weit gehen, und würde auch die Träume des Normalbürgers zerstören, der seine Queen Elizabeth ja auch für ihr etikettenhaftes und verschwenderisches Leben, voll des Standesdünkels und eigentümlicher Marotten, verehrt.

Weitaus problematischer ist hingegen der königliche Gemahl „Nip-Huru-Rija“. Anhänger der Ägyptomanie werden sich schon verwundert die Augen gerieben haben, welcher Pharao in der XVIII. Dynastie denn „Nip-Huru Rija“ genannt wurde. In der Tat, es hieß natürlich keiner so, das ist nur eine keilschriftliche Bezeichnung für, leider, zwei wohlbekannte Pharaonen des Neuen Reiches: Echnaton und Tutanchamun alias Amenophis IV. und Tutanchaton, wobei Echnaton zur Zeit von der Forschung präferiert wird. Doch zurück zu den Briefen: Der hethitische König glaubte der ägyptischen Première Dame jedoch nicht und schickte seinen Kanzler Hattusa-Ziti in das Nil-Land, um diese Information überprüfen zu lassen. Hattusa-Ziti kehrte nach vielen Monaten zurück (Hattuscha liegt ca. 200 Kilometer nördlich von Ankara) und berichtete, dass es tatsächlich keinen Thronfolger in Ägypten gebe. Der hethitische König schickte, voller Vorfreude den großen Feind endlich auf einem so einfachen Wege zu besiegen, seinen Sohn Zananza nach Ägypten, um den Pharaonenthron einzunehmen. Kurz nach der Überquerung der ägyptischen Grenzen wurde Zananza jedoch ermordet. Sein Vater erklärte Ägypten daraufhin den Krieg und Ägypten verlor seine Vormachtstellung in der antiken Welt. Das hethitische Reich brachte sich aber mit den vielen ägyptischen Kriegsgefangenen die Pest ins Land, die viele Jahre dort wütete.

Kleiner Exkurs zur Genealogie

Nur zu Erinnerung und um die Verwirrung in Grenzen zu halten: Echnaton war mit Nofretete verheiratet, sie galt als seine Hauptgemahlin. Eine weitere wichtige Frau in seinem Leben war Kija, die möglicherweise eine Mitanni-Prinzessin und auch schon mit seinem Vater Amenophis III. verheiratet gewesen ist. Echanton und Nofretete hatten sechs Töchter, die beiden wichtigsten sind Meritaton und Anchesenamun alias Anchesenpaaton. Nachdem Nofretete in Ungnade gefallen oder verstorben war (so sicher weiß man das nicht, jedenfalls verschwindet sie aus den Inschriften), erhebt Echnaton seine Tochter Meritaton zu seiner Hauptgemahlin.
Als Echnaton stirbt, heiratet Meritaton Semenchkare, den Nachfolger Echnatons. Der abwechselnd als ein entfernter Verwandter betrachtet wird oder als der Bruder des Ketzerkönigs, der diesen „wie eine Art Gemahlin“ betrachtet haben soll. Aufgrund verschiedener Indizien wird vermutet, Semenchkare sei eigentlich Nofretete gewesen, die zusammen mit ihrer Tochter, Meritaton, regiert habe. Die Phantasie geht sogar so weit, dass Semenchkare eigentlich Meritaton oder Kija gewesen sei, die Hinweise, auf die sich derlei Gedanken stützen, werden aber immer schwächer.

Nach dem baldigen Tod Semenchkares wird Tutanchaton Herrscher. Er verlegt die Hauptstadt wieder von Achetaton nach Theben, führt den alten Glauben an Amun wieder ein, und nennt sich fortan Tutanchamun. Er ist möglicherweise der Sohn einer Nebenfrau Echnatons gewesen, aber, wie alle wissen, hatte er nicht viel Glück im Leben und wurde alsbald vom Schicksal ereilt. Vorher hat er aber noch geheiratet, und zwar die ebenso blutjunge Echnaton-Tochter Anchesenpaaton, die sich umbenannte in Anchesenamun. Nach dem Tod Tutanchamuns wurde Eje, ein adliger Beamter in fortgeschrittenem Alter, Pharao. Er heiratete Anchesenamun, um seine Herrschaft zu legitimieren. Auch er regierte nur kurz und ihm folgte der oberste Heeresführer Haremhab, der als der letzte Pharao der XVIII. Dynastie gilt.

Wer ist Dahamunzu?

Wie bereits erwähnt, hätten Kija, Nofretete, Anchesenamun und Meritaton die Macht, ein Motiv und die zeitliche Übereinstimmung, um der Verfasser dieser Briefe zu sein. Falls es sich bei dieser Korrespondenz tatsächlich um den Hilferuf einer Demütigungen erwartenden Witwe handelt, und nicht um Täuschung, Kalkül oder anderweitig politische Interessen.

Meritaton ist aufgrund eines Briefes aus Tyros als ranghöchste Frau Ägyptens identifiziert worden. Demzufolge hätte sie sich um die Thronfolge gekümmert und hätte auch heiraten müssen.

Kija ist vermutlich eine mitannische Prinzessin gewesen, die nicht in der ägyptischen Kultur aufgewachsen ist. Sie hätte also die Standesdünkel haben können, keinen Höfling zu reiten und gleichzeitig die Dreistigkeit, einen Ausländer auf den Thron zu setzten, ohne in einen mentalen Konflikt zu geraten.

Zudem könnten einige der, in den Korrespondenzen verwendeten, Titel mit ihrer Titulatur deckungsgleich sein.

Nofretete: Angenommen Nofretete ist nicht vor Echnaton gestorben und sie ist auch nicht gleichzusetzen mit Semenchkare, dann hätte sie als verstoßene Königin ein Interesse daran haben können, Semenchkares Thronbesteigung zu verhindern und benötigte dafür die Unterstützung eines Mannes.

Anchesenamun gilt als Hauptverdächtige in der Dahamunzu-Affäre. Nach dem Tode Tutanchamuns gab es wohl keinen königlichen, männlichen Thronnachfolger mehr, der sich geeignet hätte und ihr drohte die Heirat mit einem Höfling. Diese Furcht bestätigte sich tatsächlich später, als sie mit Eje verheiratet wurde, der, zwar aus einer adligen Familie stammte, aber nichtsdestotrotz immer noch unter ihrem Stand war, und der, aufgrund seiner „Reife“, auf ein junges Mädchen wahrscheinlich nur anziehend gewirkt hätte, wenn sie arm gewesen wäre.

Schlussendlich muss festgestellt werden, dass zur Zeit nicht entschieden werden kann, wer die Hauptverdächtige in der Dahamunzu-Affäre ist. Es bleibt die Hoffnung weitere Schriftstücke zu finden.

Wer kann denn noch Schuld gewesen sein?

Davon Abstand nehmend, dass die Briefe von einem blutjungen Mädchen stammen, das in die Ehe mit einem alten Bock gezwungen werden sollte, und auch nicht annehmend, dass sie von einer alten Witwe stammen, die noch Rechnungen begleichen muss, gibt es noch diverse andere Verdächtige. Der einfachste denkbare Grund ist die Möglichkeit, dass die Briefe eine Fälschung der Hethiter sind, die eine offensive Kriegserklärung rechtfertigen mussten. Ebenso taucht schnell der Gedanke auf, dass die Briefe von den Ägyptern geschrieben worden seien, um Zeit zu gewinnen, um die Hethiter davon abzuhalten in das führerlose Land einzumarschieren und die Hochzeit war nur ein Köder, um sie hinzuhalten. Und, zum Abschluss, soll noch ein bisschen romantisiert und geträumt werden. Wie wäre es denn mit der Möglichkeit, dass die Briefe aus der Idee heraus geschrieben worden seien, die beiden riesigen Reiche per Hochzeit zu vereinen, eine große, friedliche Gemeinschaft im Nahen Osten sozusagen, EU in antik. Dies wäre sicherlich die schönste Erklärung für das Schreiben der Briefe. Nur schade, dass daraus nichts geworden ist, und es sogar Krieg und Pest gab!

Anmerkung: Dieser Artikel strebt nicht nach wissenschaftlicher Genauigkeit und übernimmt auch keine Garantien für seinen Inhalt!

Eine Meinung

  1. Engelhardt, Bernd

    Interessant, ist nur schade, dass kein Autor bzw, Autorin darunter steht!!

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