Die Illusion der Wichtigkeit

In letzter Zeit ist mir anhand der Statistiken zu meinem eigenen Blog mehrererlei aufgefallen. Schreibe ich quasi meta, also schreibe ich über andere Blogs und Aktionen in Blogdorf, habe ich schnell recht viele Kommentare, insgesamt aber relativ wenige Besucher. Schreibe ich hingegen über Themen, an denen nicht nur der Bloggersdorfer interessiert ist, steigen die Besucherzahlen deutlich, aber es kommentiert fast keiner mehr.

Warum erwähne ich das? Seit gut einem Jahr wird in Blogdorf immer wieder über die Macht, die Relevanz, die Wichtigkeit der Blogs und der ihnen angeblich eigenen Kommunikationsstruktur salbadert. Seit jeher wird die Bedeutung eines Blogs daran gemessen, wie viele andere Blogger ihn verlinken und wie aktiv die Kommentatoren in seinem Blog sind. Schnell wird mal abfällig geäußert, bei dem oder dem kommentiere ja nicht mal einer.

Gefühlsmäßig hat mich das schon immer irritiert. Warum sollte es beispielsweise eine Rolle spielen, wie viele andere Blogger meinen Blog verlinken? Im Zweifel wird Irrelevanz von Irrelevanten per Hyperlink dokumentiert. Ein Stück näher lag mir da schon der Gedanke, dass Kommentaraktivität irgendwie ein Gradmesser dafür sein kann, wie interessant oder relevant ein Blog ist. Aber auch das ist offenbar eine Illusion, wie mir die Statistik zeigt.

Daraus folgt: Will der Blogger zum Beispiel aus Gründen der Kommerzialisierung eine breitere Öffentlichkeit erreichen, sollte er sich nicht, jedenfalls nicht außerhalb homöopathischer Dosen blogdorfinternen Diskussionen hingeben. Ein Rat, der auf den ersten Blick falsch zu sein scheint. Schaut man sich jedoch die (in Relation zu anderen Blogs) erfolgreichen Blogs, wie die Blogbar oder ix oder Niggemeier oder Spreeblick oder oder an, und wundert sich über die hohe Zahl an Kommentatoren, stellt man zweierlei fest. Erstens beinhalten diese Blogs eine große Zahl an nur für den Blogger (als Gattungsbegriff) relevanten Themen, drehen sich also quasi im eigenen Saft. Zweitens gibt es kaum einen Kommentatoren zu den jeweiligen Themen, der nicht selber auch ein Blog betriebe. Otto Normalverbraucher schaut nur ab und an hinein und wirft teils erschrocken, teils gelangweilt in den Raum, dass er nicht verstehen könne, wovon überhaupt die Rede ist und warum sich alle so aufregen.

Natürlich lese ich dennoch in diesen Blogs. Wäre ich Kaninchenzüchter, würde ich sicherlich auch die Vereinspostille studieren, damit mir keine Insiderinformation entgeht. Das ist meiner Meinung nach auch völlig in Ordnung und Metablogs, Selbstbefruchter haben schon ihre Berechtigung. Was falsch ist, ist deren Selbstverständnis einer neuen digitalen Elitebewegung. Bei denen geht´s halt immer rund. Weit unter 0,01 Promille der deutschen Bevölkerung kommentiert dort, was aber absolut schon mal bis zu 200 Kommentare sein können. Das sieht natürlich nach einer ganzen Menge aus. Schwupps, fühlt man sich furchtbar relevant und ruft sich zur digital-moralischen Avantgarde einer neuen Medienlandschaft aus.

Kein Wunder, dass die etablierten Medien für derlei Selbstüberschätzung wenig Lob bereit halten. Allerdings kann ich auch die Beißreflexe mancher Vertreter konventioneller Medien nicht nachvollziehen. Hierin liegt unnötig reichhaltige Nahrung für die bloggenden Selbstüberschätzer. Wäre ich Zeitungsfunktionär, ich wäre ganz ruhig. Denn woher nehmen denn die bloggenden Meinungsverbreiter die Informationen, zu denen sie ihren Senf abgeben? Richtig! Aus den konventionellen Medien, wie Zeitungen, Fernsehen, Radio, sowie deren Onlinependants, allen voran SpOn. Man kann sagen, ohne konventionelle Medien gibt es nichts (außer Selbstreferenzielles) zu bloggen. Warum also so nervös?

In Diskussionen konnte ich überdies feststellen, dass diejenigen Diskutanden, die sich offenbar nur noch aus frei zugänglichen Onlinequellen zu informieren versuchten, in der Regel diejenigen waren, die insgesamt am schlechtesten informiert waren. Schon oft habe ich dann die Empfehlung ausgesprochen, sich doch vielleicht mal ein Nachrichtenmagazin mit Hintergrundinformationen zur blanken Kostenlosmeldung zu kaufen. Informationen sind vielleicht mittlerweile Freeware, recherchierte Hintergrundberichte sind es nicht und können es nicht sein. Und Blogger können dies auch nicht leisten.

Insofern ist es durchaus berechtigt, von einer für den Blogger symbiotischen Verbindung zwischen alten und neuen Medien zu sprechen. Ich hätte allerdings auch Verständnis dafür, wenn der konventionelle Journalist die Verbindung eher als parasitär beschreiben würde…

(Foto: www.pixelio.de / Fotograf: Kurt Michel)

4 Meinungen

  1. Wieso parasitär? – Die Blogosphäre bietet eine günstige, demokratische Metaebene zur Kommentierung bspw. des Mediengeschehens. Dass man nicht alle Informationen aus Blogs ziehen kann ist klar – sie sind eben eine Ergänzung.

  2. Dieter Petereit

    .Ich bin ja auch eher ein Anhänger der Theorie einer symbiotischen Beziehung ;-).

  3. Wilhelm Entenmann

    Bloggen erinnert mich immer wieder an die analogen Zeiten der Kommunikation des CB-Funkes (so um 1977 – 1979) in Deutschland.Menschen wollen kommunizieren, d.h. tratschen und sich ggf. streiten – damals kappte man im Notfall den Spargel (Antenne) des anderen, heute wird ggf. gehackt.Es bleibt die Neugierde, der Hang zum Voyeurismus bzw. Exhibitionismus, heute, in der dugitalen Zeit der Blogs.Ich verfolg derart Treiben aus sicherer Distanz und schäme mich zuweilen, dass ich mich auch einen Blogger nennen lassen muss.Es sollte, wie für den Bereich KW- und UKW-Funk, bestimmte Lizensen geben.

  4. Dieter Petereit

    .77 war ich 11. Da bin ich mit einem riesigen Walkie-Talkie durch den Wald gestreift und habe immer den Kumpel an der anderen Leitung gefragt: „Kannst Du mich noch verstehen?“. Mehr haben wir eigentlich nicht gesagt..DAS ist es, woran mich Bloggen heute häufig erinnert..

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