Die Hacker-Ommas kommen!

In den letzten Jahren haben immer mehr ältere Menschen das Netz für sich entdeckt. Doch wer bisher angenommen hat, sie würden dort nur fleißig die Seiten ihrer Lieblingsfernsehsendungen ansurfen und sich über die neuesten Stützstrumpf-Modetrends informieren, der irrt. Glaubt man der Firma Pegasus Originals, mausern sich besonders die betagteren Damen online zu wahren Netzpiratinnen.

Pegasus Originals verkauft Stickmuster. Fröhliche Bildchen mit Aufschriften wie »A House Is Not A Home Without A Cat«, die von netten Omas für ein paar Dollar gekauft, auf Kissen gestickt und anschließend an die nette Verwandtschaft verschenkt werden. Diese darf sie dann in die Kiste zu den Geschenken vom Vorjahr legen, beruhigt feststellen, dass die Oma immer noch die Alte geblieben ist, und alle sind glücklich. Eine Industrie der Idylle, könnte man meinen.

Doch seit 1997 sind bei Pegasus die Verkäufe um 40 Prozent zurückgegangen. Seit ein paar Monaten weiß man auch, warum: Die lieben Omas scannen ihre Stickmuster und tauschen sie im Netz über Chaträume und Mailinglisten aus. Pegasus-Originals-Firmengründer Jim
Hedgepath ist schwer empört und denkt gegenüber der Los Angeles Times laut über rechtliche Schritte gegen die Seniorinnen nach: »Sie sind Hausfrauen, und sie sind Hacker. Es ist mir egal, ob sie Kinder haben. Es ist mir egal, dass es Großmütter sind. Sie bootleggen uns aus dem Geschäft.«

Für Carla Corny dagegen ist das Tauschen der Stickmuster nur eine »Hilfe unter Freunden«. Corny betrieb mit anderen passionierten Stickerinnen die Mailingliste »Pattern Piggies Unite!«, auf der rund 350 Teilnehmerinnen fleißig gescannte Muster austauschten. »Warum sollten Freunde einander nicht aushelfen und ein bisschen Geld sparen?«, fragte sie die Los Angeles Times. Doch seit Anfang Oktober 2000 ist die Mailingliste nicht mehr erreichbar. Hedgepath hatte sich offenbar in die Gemeinschaft eingeschlichen und danach ihre Schließung erwirkt. Reuters berichtete er von seiner Undercover-Arbeit gegen die Piratinnen: »Innerhalb weniger Tage bekam ich so viele Muster zugesandt, dass ich meine E-Mails nicht mehr herunterladen konnte.«

Viele der von ihm angeschriebenen Angebote seien mittlerweile geschlossen. Einige würden aber wohl im Untergrund weiterbetrieben, und man bekomme nur noch gegen persönliche Empfehlungen Zutritt. Gegen diesen harten Kern der Piraten wollen die Stickmusterhersteller notfalls auch juristisch vorgehen. Nach ihrem letzten Jahrestreffen richtete die International Needleheart Retailers Guilt bereits einen Fonds für juristische Auseinandersetzungen ein. Verbandsvertreter Jo Weiss zeigte sich gegenüber Reuters zu allem bereit und verglich das Schicksal der Stickmusterhersteller mit der von MP3-Piraterie bedrohten Musikindustrie.

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