Deutschland haftet für Flugzeug-Crash über dem Bodensee

Das Landgericht Konstanz hat die Bundesrepublik Deutschland verurteilt, den Wert der zerstörten Maschine ersetzen zu müssen. Darüber hinaus hat es den deutschen Steuerzahler verpflichtet, die Bashkirian Airlines von jedweden Schadensersatzansprüchen der Hinterbliebenen des Flugzeugunglücks freizustellen. Die Schadenshöhe wurde aber nicht beziffert.


Eine Flugsicherung, die die Bezeichnung nicht verdient



Zum Zeitpunkt des tragischen Zusammenstoßes der Maschinen bei Überlingen überwachte die schweizerische Flugsicherung Skyguide den süddeutschen Luftraum. Haarsträubende organisatorische Mängel, ein einsamer, völlig überlasteter Fluglotse sowie gravierende technische Ausfälle hatten das Unglück verursacht. Warnprogramme und das Telefon waren aufgrund von Wartungsarbeiten schlicht außer Betrieb.


Ein Gericht, das nur auf Vertragsrecht abstellt



Das Landgericht Konstanz ist der Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland alleine für die Versäumnisse bei Skyguide den Kopf resp. das Portemonnaie hin halten muss. Die Flugüberwachung sei grundsätzlich eine hoheitliche Aufgabe des Staates – so heißt es in der Urteilsbegründung – die nur mit einem völkerrechtlich verbindlichen Staatsvertrag hätte abgetreten werden dürfen. Ein Staatsvertrag zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik habe aber nicht bestanden, so dass die Regelung rechtswidrig gewesen sei. Sie verstoße zudem gegen das Grundgesetz, demzufolge die Luftverkehrsverwaltung, also auch die Luftüberwachung, in bundeseigener Verwaltung geführt werden müsse. Deutschland müsse darum die Amtshaftung für die eklatanten Fehler von Skyguide übernehmen.
Das Gericht ließ bei der Urteilsfindung ein Mitverschulden der Piloten der Passagiermaschine außer Betracht. Zwar hatten die Anti-Kollisions-Systeme (TCAS – Traffic alert and Collision Avoidance System) beider Maschinen Warnsignale abgegeben. Die Piloten verließen sich dennoch auf den Fluglotsen.


Beteiligte, die sich raushalten



Axel Raab, Sprecher der Deutschen Flugsicherung in Langen, erklärte nach dem Urteilsspruch: „Deutschland ist für seinen Luftraum zuständig und somit rein rechtlich ganz offensichtlich zum Schadenersatz verpflichtet.“

Patrick Herr, der Sprecher von Skyguide, vermied eine wertende Kommentierung des Urteils: „Wir waren bei diesem Zivilverfahren nicht Partei, daher auch nicht involviert und können das Urteil aus diesem Grund nicht kommentieren.”. Er regte aber an, dass die Politik eine tragfähige Regelung für die Überwachung des süddeutschen Luftraumes schaffen solle, die auch Haftungsfragen abschließend regeln müsse.

Das Bundesverkehrsministerium hat bisher keine Stellungnahme zu dem Konstanzer Urteil abgeben. Man will die schriftliche Urteilsbegründung, die immerhin 65 Seiten stark ist, zunächst abwarten, um die Aussichten einer Berufung zu prüfen. Auch auf die Frage, ob denn nun zukünftig ein Staatsvertrag die biherigen, bloßen technischen Absprachen zur Flugüberwachung ablösen solle, wollte man sich zur Stunde nicht äußern.


Anwälte, die zufrieden sind



Am heutigen Tage jubiliert vor allem die Hamburger Kanzlei Vehlow & Wilmans, die  Angehörige von 25 Opfern des Flugzeugunglücks vertritt. Rechtsanwalt Wilmans stellte befriedigt fest, dass das heutige Urteil „die Hinterbliebenen womöglich in das für sie ungünstige deutsche Schadenersatzrecht hätte führen können, das für den Verlust von Familienmitgliedern lediglich Entschädigungen von wenigen tausend Euro vorsieht.“ Eine Entschädigung ist aber bereits aus dem Entschädigungspool geflossen, an dem sich die Schweiz, Deutschland und Skyguide beteiligt haben. Damals hätten die Angehörigen etwa 150 000 US-Dollar pro Opfer erhalten.


Ein Urteil, dessen Bestandskraft sicher hinterfragt wird



Ob das Urteil Bestand hat, ist fraglich. Soll über die Verantwortlichkeit ausschließlich Vertragsrecht, aber nicht das Verursacherprinzip entscheiden? Entscheidend ist auch die Frage, wer für die Überwachung von Skyguide im Zeitpunkt des Unglücks unmittelbar in der Verantwortung stand. Der soll auch zahlen, zumindest eine Mitschuld tragen.
Ob die Bundesrepublik Deutschland im Falle ihrer rechtskräftigen Verurteilung Skyguide erfolgreich in Regress nehmen kann, ist fraglich. Wo kein wirksamer Vertrag, da keine Obliegenheitsverletzung! Ob aus anderen Rechtsgrundsätzen ein Ausgleichsanspruch begründet werden kann, bleibt abzuwarten. Mal sehen, was die Urteilsbegründung hergibt.


Strafrechtliches Nachspiel


Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Konstanz will Ende August ihre Ermittlungen abschließen und dann entscheiden, ob das Unglück insbesondere für die verantwortlichen von Skyguide wenigstens strafrechtlich ein Nachspiel haben wird.



 

Eine Meinung

  1. Gemäss Luftrecht sticht die Anweisung des Radarlotsen die bis heute unverbindliche Ausweich-Empfehlung des technischen Systems TCAS. Der russische Pilot hat also korrekt gehandelt. Sollte trotzdem eine Schuld auf breitere Schultern verteilt werden wollen, dann stellt sich sofort die Frage:“Was taten die Piloten der DHL-Maschine während der kritischen zwei Minuten?“. Denn alle Beteiligten, Skyguide, DHL und Bashkirian Airlines waren mindestens fünf Minuten vor dem Unglück auf der selben Frequenz!

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