Der Trick beim ‚Plural der Herrschaft‚ besteht regelhaft darin, sein eigenes Ich als Kollektiv erscheinen zu lassen: ‚Wir hier in Deutschland wollen hier nicht so viele Ausländer‚, sagt dann beispielsweise Kalle Kaputtke, der kleine Rechtsextreme mit den kaschubisch-polnischen Vorfahren – und er setzt sich per ‚wir‘ umstandslos mit ganz Deutschland gleich. Obwohl er nur die Meinung von Kalle und seinen Kumpanen artikuliert. Denn ‚die Wirtschaft‘ , ‚die Politik‘, ‚die Rentenkassen‘ , ‚die Universitäten‘, ‚das Gesundheitswesen‘ und auch noch ganz andere gesellschaftliche Bereiche, die würden ihm Wunderdinge über die Notwendigkeit der ‚Ausländer‘ und der ‚Zuwanderung‘ erzählen. ‚Unser‘ Kalle aber sagt ‚wir‘ statt ‚ich‘ – und schon hat er sich sprachlich als gesamtdeutsches Kollektiv etabliert und überhöht – und er wird dafür vom gesamten Tresen gebührend bewundert. In Burschenschaften würden sie ihm dafür glatt einen Salamander reiben …
Aber auch in weniger politischen Zusammenhängen ist der Plural maiestatis quicklebendig. Zum Beispiel lebt er in einem gewissen ironischen Sprachgebrauch, wo zum Beispiel der Vater zum Sohn sagt: ‚Würden wir denn vielleicht mal das Zimmer aufräumen?‚. Obwohl Papa sicherlich nicht die Absicht hat, auch nur einen Handschlag zu dieser Aktion beizutragen.
Ein weiteres schönes Beispiel lieferte just auch ein überregional bekannter Fußballmanager, obwohl dem die pluralmajestätische Komik seines Redebeitrags sicherlich nicht aufging. Uli Hoeneß, nach der großen Shoppingtour seines Vereins auf dem Transfermarkt, sagte ohne jede Selbstironie über die verkorkste Saison seines Vereins Bayern München, "dass wir den Mund ganz schön voll genommen haben". Wer bitte ist denn da ‚wir‘, Herr Hoeneß …? Man sieht – auch zur Verschleierung von Verantwortlichkeiten ist der ‚majestätische Plural‘ ein überaus nützlicher Idiot …
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Mit dem Plural Maiestatis, wie Sie ihn beschreiben, ist auch etwas verwandt, das man Plural Aliis (oder so ähnlich) nennen könnte: „Die Deutschen haben keine/n Humor/Stil/Lebensfreude/Ahnung von guten Weinen/etc.“, „Die Deutschen können nicht kochen/das Leben nicht genießen“, „Die Deutschen leiden unter einem kollektiven Minderwertigkeitskomplex“, und so weiter… Immer ist der Sprecher solcher Sätze selber Deutscher und immer will er uns damit sagen: „Mit Ausnahme von mir“.
Yep, das ist quasi eine gegenläufige Stilfigur. Sie dient der De-Kollektivierung. Dadurch, dass ich ’nicht so doof‘ bin wie die anderen, lassen sich soziale Distinktionsgewinne erzielen, ein ich-erhöhendes Sprungbrett vor dunkler Folie. Mir fällt ‚Das Leben des Brian‘ ein: ‚Ihr seid alle Individualisten‘ ruft da dieser Jesus-Darsteller der Masse zu. Schon piepst ein empörtes Stimmchen dazwischen: ‚Ich nicht!‘ …