Leider behielten die Demoskopen recht — über 7 Prozent für die Rechten. Ist der Einzug ein Beweis der Funktionsfähigkeit des demokratischen Systems, oder ist der Osten immer noch nicht in der demokratischen Wirklichkeit angekommen? Wohl eher zweiteres. Gut 40 Prozent der Wähler votierten für das Nichtwählen. Ein trauriger Spitzenwert. Da hilft es auch nicht, sich hinter der erstmaligen Abkopplung der Landtags- von der Bundestagswahl zu verstecken. 40 Prozent verzichten auf ihr demokratisches Recht, über 4 Prozent der Stimmberechtigten gaben einer undemokratischen Partei ihre Stimme. Nur Protest? Nein. Der Osten hat ein Problem mit Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Das sollte nicht erst seit dieser Wahl bekannt sein. Nur eine Woche vor der Wahl bewiesen dies schon Dummköpfe beim DFB-Pokalspiel Hansa Rostock II gegen Schalke 04. Der Einmarsch der NPD ist aber auch eine Niederlage der etablierten demokratischen Parteien, die es zum einen versäumten ihre Wähler an die Wahlurne zu bringen und zum anderen keine Antworten auf den Populismus der NPD fanden, damit sind nicht nur die Parteien im Land gemeint. Wo die Bürokratie die Fortsetzung von Programmen gegen Rechtsextremismus behindert, muss die Frage erlaubt sein, welchen Stellenwert die Bekämpfung dieses Gedankenguts hat.
Wie geht es nun weiter? Parlamentarische Verantwortung wird man von der NPD wohl kaum einfordern können. Allerdings muss mit allen Mitteln versucht werden, den Imageschaden des strukturschwachen Landes in Grenzen zu halten. M-V ist ein Land, dessen größtes wirtschaftliches Standbein der Tourismus ist. Da ist der Einzug einer Partei, die mit Fremdenfeindlichkeit erfolgreich auf Wählerjagd geht, der Super-GAU. Internationale Blätter werden sich kaum für die Koalitionsverhandlungen interessieren. Ihre Schlagzeile wird lauten, dass es die Rechten wieder in einen deutschen Landtag geschafft haben.
So gilt es nun umso mehr für die demokratischen Parteien, Zeichen zu setzen. Ein erstes setzten bereits die Bürger des Landes. Nach den deprimierenden Prognosen sammelten sich Hunderte vor dem Schweriner Schloss und brachten ihren demokratischen Protest gegen die undemokratischen Protestler zum Ausdruck. Viele Politiker beteiligten sich an dieser Demonstration. Es ist ein Zeichen an die Welt, dass es sich bei den NPD-Wählern um eine Minderheit handelt. Die Mehrheit der in diesem Land lebenden Bürger steht ein für Demokratie und gegen Fremdenfeindlichkeit.
Und auch die NPD wird ein Zeichen setzen. Sie hat kein Interesse an der parlamentarischen Demokratie, das machte ihr Spitzendkandidat in den ersten Interviews deutlich. Sie wird sich selbst mit ihrem Handeln disqualifizieren. Allerdings wird dies ein später Sieg der Demokraten. Dank Wahlrechtsreform wird die NPD nun fünf statt vier Jahre die mediale Bühne des Landesparlaments in Anspruch nehmen. Sie wird Steuergelder zugewiesen bekommen und diese für weitere Wahlen nutzen. Und in drei Jahren sind wieder Bundestagswahlen.
Die Ausgaben der NPD für den Wahlkampf werden auf 800.000 Euro geschätzt. Das ist ungefähr soviel, wie SPD und CDU gemeinsam für den Wahlkampf in M-V ausgaben. Um Inhalte ging es selten, dumpfe Parolen reichten. Warum soll so nicht der Einzug in weitere Parlamente gelingen? Es steht zu befürchten, dass die Länderparlamente wie Dominosteine zu Gunsten der Rechten fallen werden. Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern .. Who´s next? Die nächsten Wahlen finden im Mai nächsten Jahres in Bremen statt. Droht dort der erste Einzug in ein Parlament der alten Bundesländer. Oder wird auch zukünftig nur der Osten die unrühmliche Ehre haben, braun auf der deutschen Wahl-Landkarte verzeichnet zu sein?
Es ist nicht zu verstehen, dass rechtsextreme Parteien Wahlkampfkostenerstattung bekommen und gleichzeitig Programme gegen den Rechtsextremismus nicht mehr unterstützt werden sollen. Wer die NPD gewählt hat, hat Gewalt gewählt und Hass und ein schweres seelisches und intellektuelles Problem. In meinen Augen müssen wir die NPD viel aggressiver bekämpfen. Wir dürfen ihnen nicht die Wahl der Mittel überlassen, intellektuell sind wir ihnen hoch überlegen, aber das reicht nicht aus. Ich fordere von der Politik ein klares Konzept und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und zwar auf lokaler Ebene. Die finanzielle Unterstützung durch den Bund darf nicht eingestellt werden. Die Medien müssen sich mit den Protagonisten der Szene auseinandersetzen und der Rechtstaat ihnen mit Härte begegnen.