Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Kriege. Kaum ein Mensch auf der Welt ist von den Kriegen dieses Jahrhunderts unbeeinflusst geblieben. Trotz aller Umwälzungen, Neuaufbrüchen und Entdeckungen in Wissenschaft und Technik sind es die Kriege gewesen, die das Gesicht der Welt und die Biographien der Menschen geprägt haben.
Zu Beginn des 20. Jahrhundert rief Otto Dibelius, Pastor der Bekennenden Kirche und später evangelischer Bischof von Berlin, das Jahrhundert der Kirche aus. Nach dem ersten Weltkrieg war die evangelische Kirche frei geworden von der Bevormundung durch den deutschen Obrigkeitsstaat. Dibelius sah goldene Zeiten heraufziehen. Er sollte Unrecht behalten. Auch die Kirche des 20. Jahrhunderts wurde – vor allem in negativer und weniger in positiver Weise – durch die Umstände in Mitleidenschaft gezogen. Häufig genug machte sie sich schuldig, selten genug konnte sie in guter Weise gestalten.
Die Lage ist ein Jahrhundert später völlig anders. Alles ist in irgendeiner Weise religiös konnotiert. Religion ist eine öffentliche Angelegenheit und längst nicht mehr Privatsache, wie das in völlige Verkennung der Realität die Aufklärung gefordert hatte.
Vollends klar macht uns das der 11. September 2001. Die Schockwellen der kollabierenden Hochhaustürme jagen noch immer von Kontinent zu Kontinent. Die alljährlichen Gedenkfeiern sind Manifestationen der amerikanischen Zivilreligion. Immerhin: Bei der ersten Aufführung dieses nationalen Spektakels durfte auch ein farbiger amerikanischer Imam mitmachen. Sein Gebet hat mir imponiert.
Religion ist überall: Es gibt eine Debatte über den Gottesbezug in der europäischen Verfassung. Wir streiten über Kopftücher und Kruzifixe. Der Papst stellt mit seiner Medienpräsenz alles in den Schatten. Edmund Stäuber springt auf diesen fahrenden Religionszug auf. Die Opfer von Zugunglücken werden in Kirchen betrauert. Familienpolitik, Sterbehilfe und Umweltethik sind Spielfelder der Religion.
Religion geht alle an! Wie sehr, das wird uns klar auch angesichts der Auseinandersetzung mit dem Islam. Drei Millionen Muslime sind als Minderheit in Deutschland so relevant, dass der Bundesinnenminister eine auf Dauer angelegte Gesprächsrunde installiert, die auch gemeinsam in die Oper gehen will.
Wer glaubt, keine Religion zu haben, lügt oder weiß es nicht besser. Jeder Mensch verfügt über eine Vorstellung davon, was die Welt zusammen und am laufen hält. Ohne das Vertrauen darauf, dass Morgen die Sonne wieder aufgeht, schläft niemand ein.
Ich sage ausdrücklich, wir leben im Jahrhundert der Religionen. Es kommt auf den Plural an, denn erst der hat uns allen klar gemacht, wie sehr die Religion unser Leben bestimmt. Dazu brauchen wir nicht Ottfried Fischer als Pfarrer Braun, auch wenn der oben auf der Religionswelle mitschwimmt. Das Fremde ist es, das das eigene bisher mehr oder weniger unartikuliert liegen gebliebene besonders deutlich ausleuchtet.
Wer sich eine Meinung über die Dinge in der Welt bilden will, muss in religiösen Dingen kompetent sein! Dabei kann aber diese Kompetenz nicht darin bestehen, Lexikonwissen über die sogenannten Weltreligionen anzuhäufen. Kompetenz in religiösen Dingen ist persönliche Kompetenz, die über einen Standpunkt verfügt, sei er nun muslimisch, christlich oder atheistisch. Nur so kann es ein wirkliches gegenseitiges verstehen geben. Religion ist keine akademische Disziplin, sie prägt das Leben.
Ich brauch für das Buch die Zusammenfassung und den Steckbrief über die Autorin!