Die Piraten vor der Küste Somalias halten die Welt in Atem und greifen jetzt durch ihre Taten indirekt sogar in den Wahlkampf 2009 ein. So forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel jüngst eine Verfassungsänderung. Die soll es ermöglichen, in Zukunft zu solchen Zwecken wie der Befreiung von Geiseln von einem gekaperten Schiff auch Sondereinsatzkommandos der Bundeswehr zu schicken. Hintergrund ist die erst kürzlich gescheiterte Befreiungsaktion des Schiffs „Hansa Stavanger“ durch die Spezialeinheit GSG9. Diese wiederum gehört zur Bundespolizei, die bisher laut Gesetzt für derartige Aufgaben in Betracht gezogen werden musste.
Piraterie ist auch ein europäisches Thema
Im Moment gibt es zum Schutz gegen die somalischen Piraten einen Korridor aus Kriegsschiffen. Dass der nicht ausreicht, hat wohl die letzte Entführung des deutschen Schiffes, das unter fremder Flagge unterwegs war, gezeigt. Somalia ist so gefährlich, weil es seit knapp 19 Jahren quasi im Chaos versinkt: Keine Regierung, Armut und viel Gewalt prägen das afrikanische Land, das nun in aller Welt vor allem für seine Piraten bekannt ist. Es gibt hier nicht einmal eine Küstenwache.
Probleme bereitet das nicht nur Deutschland: Nachdem ein spanisches Kriegsschiff vor Kurzem sieben somalische Piraten festnahm, begann im Land eine heftige Diskussion um die gesetzlichen Zuständigkeiten. Das Thema ist längst auf Europaebene angekommen und dürfte auch für die Abgeordneten im europäischen Parlament ein brennendes Thema sein. Für Deutschland sind dort beispielsweise gerade Daniel Caspary (CDU), Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) und Tobias Pflüger (Die Linke) zuständig. Ob man damit rechnen kann, dass sich die Thematik noch vor den Europawahlen am 7. Juni in die nächst höhere Ebene verlagert ist unklar.
KSK statt GSG9
Wenn Merkel und Schäuble sich nun gegen das GSG9 aussprechen und eher die Elitesoldaten des KSK einsetzen wollen, hat das natürlich auch den Hintergrund der Möglichkeiten. Es geht nicht nur um die Ausbildung für solche Situationen, sondern auch um Kompetenzen. Ende letzten Jahres hatte man sich auf Bundesebene darüber verständigt, in derartigen Fällen wie dem jetzt eingetretenen das Innenministerium einzuschalten, dem die GSG9 unterstellt ist. Diese sollten nun die „Hansa Stavanger“ befreien, mussten dafür aber auch auf fremde Mittel zurückgreifen, denn als Spezialtrupp der Bundespolizei verfügt man nicht über die nötigen Schiffe und Hubschrauber, um von dieser Basis aus gekaperte Schiffe zu befreien. Dazu wollte die GSG9 im Rahmen des Europäischen „Atlanta“ Abkommens (Anti-Piraten-Mission) auf amerikanische Hilfe zurückgreifen, die kurz vor dem Einsatz jedoch abgezogen wurde.
Gewalt erzeugt bei Piraterie nur Gegengewalt
Wie das ganze ausging ist ja hinlänglich bekannt. Nun hätte das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr die nötigen Mittel, aber eben möglicherweise nicht die passende Ausbildung. Zudem sind führende Experten aus dem Bereich Seefahrt der Meinung, dass man das Problem der Piraterie weder durch die GSG9, noch durch das KSK oder irgendwelche Verfassungsänderungen angehen könne. Das wäre in etwa so, als würde man einen Kommunalpolitiker wie Daniel Sander für die hohen Steuern einspannen. Die Wurzel allen Übels liegt im Land selbst. Ein im Chaos versinkender Staat, in dem täglich Menschen an Unterversorgung und Hunger sterben, Korruption und Gewalt auf der Tagesordnung stehen und keine politische Führung in Sicht ist, erzeugt wiederum bei seinen Bürgern Gewaltbereitschaft, die letztendlich nicht durch Abschreckungsmaßnahmen eingedämmt, sondern nur verstärkt werden kann.
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