Bundessozialgericht stoppt Bundesagentur für Arbeit

Das Bundessozialgericht (BSG) grenzt den Auslegungsspielraum der Bundesagentur für Arbeit ein. Nach dem Recht der Arbeitsförderung muss ein Arbeitnehmer mit einer Sperrzeit rechnen, wenn er eine Beschäftigung aus eigenem Antrieb aufgibt und arbeitslos wird (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Dies gilt aber nicht, wenn die Aufgabe der bisherigen Tätigkeit aus einem wichtigen Grund erfolgte. Den Katalog der Ausnahmetatbestände hat das BSG jetzt um zwei Beispiele erweitert.

Keine Sperrzeit nach Wechsel von unbefristeter auf befristete Arbeitsstelle

Eine Angestellte, die unbefristet beschäftigt war, kündigte und  nahm eine auf sechs Monate befristete Beschäftigung als Kinderanimateurin in Tunesien an. Nach Ablauf beantragte sie Arbeitslosengeld. Die Arbeitsagentur bewilligte zwar die Leistung, verhängte aber eine Sperrzeit von 12 Wochen. Hiergegen wehrte sich die Arbeitnehmerin. Sie begründete ihren Wechsel in das befristete Arbeitsverhältnis mit der dauerhaften Verbesserung ihrer Chancen am Arbeitsmarkt durch die Auslandserfahrung. Die Arbeitsagentur argumentierte, dass eine Sperrzeit eintrete, wenn keine gute Aussicht auf lückenlose Weiterbeschäftigung bestehe. Die Arbeitnehmerin hätte ihre unbefristete Stelle nicht aufgeben dürfen.

Das BSG gab der Arbeitnehmerin Recht (Urteil vom 12.07.2006, Az. B 11a AL 55/05 R). Arbeitnehmer müssen demnach die Möglichkeit haben, attraktive, befristete Arbeitsverhältnisse aufzunehmen, wenn der Wechsel in ein anderes Berufsfeld mit einer Erweiterung der beruflichen Einsatzmöglichkeiten verbunden ist. Eine missbräuchliche Gestaltung verneinte das BSG aufgrund der Dauer der befristeten Tätigkeit und des Umstandes, dass diese im Folgejahr fortgesetzt werden sollte.

Keine Sperrzeit bei Aufhebungsvertrag

Stimmt der Arbeitnehmer einem Aufhebungsvertrag zu, trifft ihn nicht zwingend eine Sperrzeit von zwölf Wochen.

In einer weiteren Entscheidung vom 12.07.2006 hat das BSG (Az. B 11a AL 47/05 R) entschieden, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages dann keine Sperrzeit rechtfertigt, wenn dem Arbeitnehmer eine sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung gedroht hätte, gegen die er sich durch eine Kündigungsschutzklage nicht erfolgreich hätte zur Wehr setzen können.

Zum Fall: Der Kläger war acht Jahre lang als Lagerleiter beschäftigt. Aufgrund einer Neustrukturierung der Ablaufprozesse fiel sein Arbeitsplatz dauerhaft weg. Er schloss darauf hin mit dem Arbeitgeber eine Aufhebungsvereinbarung, wonach sein Arbeitsverhältnis genau zu dem Zeitpunkt enden sollte, zu dem auch seine vertragliche Kündigungsfrist abgelaufen wäre.

Das BSG erklärte die Sperrzeit für nicht gerechtfertigt. Es stehe bei dieser Fallgestaltung dem Interesse des Arbeitnehmers, sich durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages zumindest eine Abfindung zu sichern, kein gleichwertiges Interesse der Gemeinschaft der Einzahler in die Arbeitslosenversicherung an einem Abwarten der angedrohten Arbeitgeberkündigung gegenüber.

Das Urteil enthält allerdings noch keine Antwort auf die Frage, ob nach Inkrafttreten des § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ein wichtiger Grund bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages auch ohne ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kündigung angenommen werden kann.

§ 1a KSchG regelt:

„Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse (…) und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 (drei Wochen) keine Klage auf die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung.

Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann."

Diese Vorschrift gilt seit dem 01.01.2004. Das BSG erwägt jedoch, künftig einen wichtigen Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses immer dann anzunehmen, wenn der Aufhebungsvertrag gemäß § 1a KSchG zustande gekommen ist und die gesetzlich festgelegte Abfindungshöhe nicht überschritten wird (0,5 Monatsverdienst für jedes Jahr des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses; höchstens jedoch 12 Monatsverdienste, bei älteren Arbeitnehmern bis maximal 18 Monatsverdienste – vgl. § 10 KSchG).

Dem BSG ist beizupflichten. Die Bundesagentur für Arbeit mag ihre Überschüsse gerne weiter erwirtschaften, aber nicht zu Lasten derjenigen Arbeitnehmer, die sich in Ansehung der stetig steigenden Anforderungen an ihre Qualifikation verändern müssen, um auch künftig Chancen auf eine Beschäftigung zu haben. Schon gar nicht sind solche Arbeitnehmer und Einzahler(!) mit einer Sperrzeit zu bestrafen, die durch Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung ihrer sicheren Kündigung nur zuvor gekommen sind. Hier darf die Praxis der Bundesagentur nicht die gesetzgeberische Intention des § 1a KSchG unterlaufen. Durch § 1a KSchG soll eine "einfach zu handhabende, moderne und unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess" geschaffen werden (vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 12).

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