Es freut, dass es in Gelsenkirchen mal wieder einen Spieler gibt, der seine Meinung kundtut. Dass sich gerade Kevin Kuranyi berufen fühlt, den mannschaftlichen Lautsprecher zu geben, ernüchtert zwar gehörig, aber wir wollen nicht meckern. Dass Kuranyis Einschätzung, der Schalker Kader könne noch die ein oder andere Verstärkung gebrauchen von einigen Pressevertretern als anmaßende Provokation gegenüber Manager Andreas Müller eingestuft wird, ist entweder ein Sommerloch-Phänomen oder- nein, es ist einfach ein Sommerloch-Phänomen. Kuranyis Aussage ist schließlich fundiert, zumindest auf den ersten Blick. Teilzeitkraft Altintop und Vollzeit-Diva Lincoln haben das Ruhrgebiet verlassen, als Ersatz für den Strippenzieher im Mittelfeld wurde lediglich der vielversprechende Ivan Rakitic verpflichtet, der allerdings den ersten Eindrücken nach zu urteilen noch eine Weile brauchen wird, um sich in der Liga zu akklimatisieren. Ist ja auch erst 19, der Junge.
Substantiell hat der Schalker Kader also tatsächlich Einbußen hinnehmen müssen, zumal die anderen Neuzugänge Jones, Azaouagh und Westermann in der Vergangenheit zwar durch Talent aber nicht durch Konstanz auffielen. Da kommt es umso überraschender daher, dass man Lincoln ohne viel Murren ziehen ließ. Des Rätstels Lösung könnte sein, dass Trainer Mirko Slomka schon während der letzten Saison deutlich machte, dass er gerne ein 4-3-3 praktizieren würde, was sich allerdings mit Lincolns Spielweise nicht vertrug. Mit den in der letzten Saison meist verletzten Lövenkrands und Asamoah über die Außen und dem zum Wortführer mutierten Kuranyi in der Mitte zeigte Schalke schon im Ligapokal, woher der taktische Wind in Zukunft wehen soll. Die zentrale Position hinter den Spitzen ist mit den Bewerbern Rakitic, Azaouagh und Özil nicht ausreichend besetzt. Die defensiveren Parts übernehmen wohl Ernst und Kobiashvilli.
Der Abgang von Lincoln sollte nicht nur am fußballerischen Potential des Brasilianers bewertet werden. Ohne den polarisierenden Schönspieler ist die Mannschaft spielerisch flexibler und könnte einen Zustand erreichen, der seit deb Beginn der großen Shoppingtouren vor einigen Jahren ein Fremdwort war: Homogenität.
Mit eben jener hat man vielerseits den Meistertitel des VfB Stuttgart begründet. In der Sommerpause ist es Manager Heldt und Trainer Veh gelungen das funktionierende Gefüge der letzten Saison gezielt zu verstärken. Mit Yildiray Bastürk ist ein Spieler gekommen, der mit seinem guten Gespür für die Situation das Spieltempo rausnehmen und durch seine Dribbelstärke jederzeit wieder anziehen kann. Der zusätzlichen Belastung in der Champions-League hat man durch die Verpflichtung der Stürmer Ewerthons und Marica Rechnung getragen. Alles wunderbar also beim VfB! Leider nein, denn viele Leistungsträger, darunter Gomez, Bastürk und Innenverteidiger Delpierre sind verletzt. Immerhin haben die Mexikaner Osorio und Pardo auf die Copa America verzichtet und dürften ausgeruht und fit in die neue Saison gehen. Zum Saisonauftakt darf man trotzdem keine Wunderdinge von den Stuttgarten erwarten. Genau das könnte aber ihr Problem werden: Wenn man, von den Bayern einmal abgesehen, von einer Mannschaft zauberhaftes erwartet, dann natürlich vom amtierenden Meister, der in der letzten Saison so bemerkenswert unbekümmert daherkam. Ob sich Hilbert, Khedira, Tasci so Co. diese Unbefangenheit über die Sommerpause bewahrt haben und ob sie erste Rückschläge und damit einhergehende Medienkritik verkraften werden, davon könnte die Saisonleistung des VfB abhängen.
Für heute abend darf man wohl mit Marica als einziger Spitze rechnen, da neben Gomez auch Cacau verletzt ist und Ewerthons Körperbau neuerdings ein wenig an Ailton erinnert.
Es riecht nach Unentschieden. Aktuelles gibt es heute abend im Live-Ticker.