«Umgangssprachliche Klarschrift bedeutet die Erläuterung eines fremdsprachlichen Begriffes in der Form, dass der Begriff entweder selbst in verständlicher Weise erläutert oder sich jedenfalls hinreichend aus dem Gesamtzusammenhang ergibt», schreibt dieses pensionsberechtigte Männlein, wobei ich gar nicht genau weiß, woher ich eigentlich weiß, dass es ein Männlein und kein Weiblein ist. Sei's drum – ich weiß es eben.
Wir wollen aber über solchen randständigen Zusammenhängen nicht den Gesamtzusammenhang aus den Augen verlieren. Berechtigte Frage also, wer diesen Murks eigentlich geschrieben hat? Hier die Antwort: «AOK Bundesverband (…) Deutsche Krankenhausgesellschaft (et al.): Ausfüllhinweise zum Qualitätsbericht für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser, S. 6».
Große Frage aber, weshalb der Satz für uns, den Otto Normalleser, eigentlich so unverständlich ist? Denn die Satzstellung ist ja nicht übermäßig kompliziert, das Fremdwortaufkommen für Bewohner Bürokroatiens halbwegs tolerabel. Ich denke, es liegt an den Beiwörtern: diesem seltsamen "jedenfalls" oder auch dem "hinreichend", die beide förmlich als Nebel des Grauens vor dem Sinn des Satzes wabern. Ohne diese grammatischen Dunkelmänner wollte der Verfasser uns in etwa Folgendes mitteilen: «Wenn sich der Sinn eines Wortes nicht von selbst erschließt, dann sollte es zumindest verständlich erläutert werden. Nur so wird die Forderung nach "umgangssprachlicher Klarschrift" erfüllt». Kiek – und damit hätte ich unseren Damen und Herren Bürokraten noch nicht einmal ihr geliebtes Passiv geraubt. Ich bin eben ein echter Gutmensch …
Der angeführten Forderung nach „umgangssprachlicher Klarschrift" entspricht diese Form mit Sicherheit nicht. Um mit Kurt Tucholsky zu reden: „Man sollte diesen Wichtigtuern, die bei jeder Amtshandlung einen neuen Fachausdruck und für ihre Muff-Welt eine eigne Sprache erfunden haben, nicht den Gefallen tun, botokudisch zu reden."
Also, besonders schwerverständlich ist der Satz tatsächlich nicht, da ließen sich sicher härtere amtssprachliche Brocken finden. Sie haben ja auch etwas geschummelt, in dem sie die Beispiele aus dem Originalsatz entfernt haben, der eigentlich so lautet:
Für mein Gefühl machen diese Beispiele den Satz deutlich lesbarer. In einem gebe ich Ihnen aber Recht: die Verwendung von „jedenfalls“ hat mich beim Lesen auch ins Stocken gebracht. Für mich signalisiert „jedenfalls“ eine Distanzierung des Sprechers von bestimmten Grundannahmen des Hörers, etwa so:
B sagt mit dem „jedenfalls“ etwas wie „Auch wenn du vielleicht glaubst, dass ich es war…“ oder „Wenn überhaupt jemand von deinem Tellerchen gegessen hat…“. Diese Bedeutung passt natürlich im vorliegenden Zusammenhang überhaupt nicht. Aber ein Blick ins Wörterbuch (Wahrig) lässt mich zweifeln, ob mein Sprachgefühl hier repräsentativ ist: die dort genannten Bedeutungen würden genau passen:
Oha – da nehme ich eher an, dass diese Arbeitsgruppe für Qualitätssicherung ein wenig «gemogelt» hat. Denn ich hatte mir diese Perle vor etwa einem halben Jahr gesichert und auch keinen Text daraus entfernt. Seither ist dann wohl das Beispiel in Klammern hinzugekommen, vermutlich um „Butter bei die Fische“ zu geben, nachdem Kritik aus den eigenen Reihen laut wurde. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass Krankenhäuser nach diesen Anweisungen tatsächlich täglich handeln sollen. Der Satzteil nach diesem „oder“ ist „jedenfalls“ ein einziges Zurückrobben des Verfassers hinter das eingangs Gesagte, wobei er den strategischen Rückzug mit Beiwörtern zu tarnen sucht – allerdings nicht „hinreichend“. Dieser zweite Halbsatz ist nach meiner unmaßgeblichen Meinung auch komplett entbehrlich. Sollen die Herren Dottores doch einfach mal lernen, schlicht und verständlich zu schreiben, und sich ihr großes Latinum für die Ladies im Golfclub aufheben. Der Satz wäre „hinten ohne“ bloß komplett redundant, wie so vieles, wenn sich Funktionäre wichtig tun: In „skelettierter Form“ stünde dort dann: «Umgangssprachliche Klarschrift bedeutet die Erläuterung … in der Form, dass der Begriff … erläutert wird». Dämlicher geht’s kaum. 😉
Akademiker und verständliches Schreiben – eine leidige Geschichte. Wers nicht kapiert, ist halt doof; dies die implizite Haltung. Wenigstens wird im Zug der Bologna-Umsetzung jetzt auch etwas mehr Wert auf „akademisches Schreiben“ gelegt. Schaden kanns nicht.
Ach, fast hätte ichs vergessen:“Im Schuldphänomen verschränken sich die Komplikationen individueller und kultureller Pathologien des Selbst, die Identität ebenso bedingen wie verhindern.“Quelle: http://philo.at/pipermail/register/2003-November/000368.html
Wo du dich immer rumtreibst!