Es ist keineswegs egal, welche Bedeutung (oder «Semantik») in eine Landschaft hineingelegt wird. Wenn Gerhard Hauptmann im „Bahnwärter Thiel" die Schienen, Telegrafendrähte und Baumäste am Bahndamm zum Netz verflicht, dann geht es ihm nicht um die Botanik Niederschlesiens, sondern um angeblich naturgesetzliche Prinzipien, die der deutsche Expressionismus mit Hilfe der Landschaft predigte, dass nämlich der Mensch durch Vererbung und «Schicksal» unausweichlich so und nicht anders handeln müsse. Es ist, ideologisch betrachtet, der Abgesang auf den freien Willen: «Die schwarzen parallellaufenden Gleise glichen einer ungeheuren eisernen Netzmasche, deren schmale Strähne sich im äußersten Süden und Norden in einem Punkte des Horizontes zusammenzogen. … Auf den Drähten, die sich wie das Gewebe einer Riesenspinne von Stange zu Stange fortrankten, klebten in dichten Reihen Scharen zwitschernder Vögel. …». Wenn der kleine Bahnwärter seine pflichtvergessene Frau kurz darauf dahinmetzelt, dann trägt an dieser Tat gar nicht er die Schuld. Er ist viel zu simpel gestrickt, um zu durchschauen, was ihm geschieht. Im Grunde trägt seine Naturanlage die Verantwortung. Er war nur die Kugel, die aus dem Lauf des Schicksals abgefeuert wurde. Das «Milieu» hat gemordet. Nebenbei bemerkt: Dieser Schicksalsbegriff, dessen Zwangsläufigkeiten so seltsam deutsch anmuten, der sollte bis 1945 noch viel Unheil anrichten, weil die Deutschen kollektiv zur «Schicksalsgemeinschaft» umgedeutet wurden – und selbst auch daran glaubten.
Jaja, schon gut, das war damals, höre ich einige stöhnen: heute aber schreiben wir das Jahr 2007. Ja und? Deswegen muss noch gar nicht alles anders sein. — Guckt doch mal, zu welchen philosophischen Reflexionen Monsieur Poodle seine Stuttgarter Impressionen nutzt. Was der Don Alphonso aus Ingolstadt samt niederbayrischer Tiefebene an Sinngebung zaubert – oder aus seinem Hass auf Berlin. Oder zu welchen semantischen Flicflacs dem Rainer, diesem notorisch verschmähten Ruhrpottler, sein Düsseldorfer Ambiente dient. Bei mir spielt immer auch die norddeutsche Küstenlandschaft mit: Watt und Torf und Platt. Ich glaube, man kann gar keine Landschaft «neutral» und zugleich lesenswert schildern. Und wenn unsere Heldin Liebeskummer hat, dann hat draußen gefälligst nicht die Sonne zu scheinen …
Solche semantischen Felder darf man übrigens nicht auf Naturschilderungen beschränken. Der Landschaftsbegriff ist weiter zu fassen: Es kann sich um eine Stadt, eine Wohnung oder ein Großraumbüro handeln – oder um eine Notrufzentrale in der Provinz. Immer aber geben die semantischen Landschaften unserem Geschreibsel erst Sinn und Verstand. Vor allem aber «Bedeutung» – diese verzuckerte Leimrute, an der die Leser kleben. Dazu dürfen wir aber nie unbeteiligt in unseren semantischen Landschaften herumstehen, wir müssen sie bewerten, ausschmücken und «gestalten» …
BIRNE…semantisch zerpflückt ,kann zum einen geerntet werden oder bezeichnet eine „Spar-Lampe“,die jemand in Schwedens größtem „HIN&WEG“ Möbelhaus mit dem Slogan:Lebst du schon oder schraubst du noch? für wenig Geld einkauft.Möglich ist auch von einer weichen BIRNE zu sprechen,wenn damit mein Brummschädel sprich Kopf gemeint ist.Ein TOR ist einmal dazu da,möglichst KEINE Bälle vom Gegner zu kassieren,doch ein Tor kann auch ein dummer Mensch sein,der selbiges nach dem Spiel mit Sprengsätzen bewirft.Dabei handelt es sich um mehr als nur Torheiten.In KINDERLÄDEN gibt es keine Kinder zu kaufen.Im Gegenteil dort werden welche abgegeben,damit Mutti ihre Rente aufstocken kann,die aber trotzdem nie für ein Seniorenheim der gehobenen Klasse reichen wird.
Wurde auch höchste Zeit, dass sich die Literaturwissenschaft endlich meines Schaffens annimmt … im Ernst: ich habe jetzt das komplette Blog gelesen (was glaube ich sonst noch keiner geschafft hat) und bin sehr neugierig, wie das weitergeht hier. Endlich mal Theorie, bei der man nicht nach fünf Minuten einnickt.
Yep, der erste Schritt zum Nobelpreis ist jetzt getan. Ich hoffe, du erinnerst dich an mich, wenn du die Sore einstreichst …