Ist Hannover 96 eine Spitzenmannschaft? Diese Frage wird seit einem Jahr immer häufiger und ernsthafter gestellt. Als die „Roten“ im August 2010 erstmals im vorderen Tabellenfeld auftauchten, ahnten wohl nicht einmal die kühnsten Optimisten, dass dieser Zustand bis in den Herbst 2011 hinein anhalten würde. Doch Mirko Slomkas Jungs hielten sich beharrlich einen Platz im internationalen Geschäft offen und stritten bis zum Ende der Saison mit dem nächsten Gegner, den großen Bayern aus München, um den Einzug in die Champions League. Diese erreichten sie schließlich zwar nicht ganz, vergoldeten Platz 4 aber zu Beginn der laufenden Saison durch den Sieg gegen den FC Sevilla und die damit verbundene Qualifikation für die Europa-League-Gruppenphase.
Hannover 96 im Herbst 2011
Wer nun gedacht hatte, dass die Hannoveraner der Doppelbelastung Tribut zollen und in der Liga Abstriche machen müssen, sah sich bislang jedenfalls getäuscht. Durch eine hervorragende Heimbilanz mit 3 Siegen und 2 Unentschieden gegen größtenteils namhafte Gegner halten die Niedersachsen auch in diesem Jahr engen Anschluss zu den ersten sechs Plätzen der Bundesligatabelle, die durch den Aufstieg Deutschlands auf den dritten Rang der UEFA-5-Jahres-Wertung ja jeweils einen Startplatz im Europapokal garantieren. Nur die verbesserungswürdige Auswärtsbilanz – bisher 1 Sieg, 1 Unentschieden und 2 Niederlagen – und die ein oder andere unglückliche Schiedsrichterentscheidung verhinderte, dass man hinter den Bayern Platz 2 einnehmen konnte. Und auch die Europa-League-Spiele sind durchaus erfolgreich. Nach drei Spielen und 5 Punkten hält sich Hannover 96 alle Chancen auf ein Weiterkommen offen, hätte allerdings beim jüngsten Heimspiel gegen den FC Kopenhagen mehr als ein 2:2 herausholen müssen, da man die Partie über weite Strecken dominiert hatte und der Gegner erst in der 89. Minute zum Ausgleich kam.
Man sollte wohl noch bis zur Winterpause warten, um den Hannoveranern den Status einer Spitzenmannschaft zu vergeben, denn bis dahin fließt noch viel Wasser die Leine herunter und der befürchtete Leistungseinbruch kann durchaus noch kommen, wenn es in der Europa League erst mal hart auf hart kommt. Allerdings werden wohl nur noch die wenigsten widersprechen, wenn man der Arbeit von Trainer Mirko Slomka und Sportdirektor Jörg Schmadtke Spitzenklasse bescheinigt. Das Team kommt ohne große Stars aus, besitzt aber einen guten mannschaftlichen Zusammenhalt und eine gut funktionierende taktische Disziplin. Natürlich gibt es mit Torwart Ron-Robert Zieler, Mittelfeldmotor Sergio Pinto und den drei gefährlichen Angreifern Mohamed Abdellaoue, Didier Ya Konan und Jan Schlaudraff herausragende Akteuere, aber fast ebenso wichtig sind die fleißigen, unauffälligen Arbeiter wie Manuel Schmiedebach oder Lars Stindl, die nicht nur leistungsstark, sondern auch jung und derzeit noch kostengünstig sind. Außerdem hat Slomka entgegen vieler Expertenmeinungen durchaus genug Alternative für die schweren englischen Wochen. Vorwerfen kann man der Mannschaft nur, dass es ihr einfach nicht gelingt, einmal einen klaren Sieg herauszuspielen, so dass die eigenen Fans regelmäßig auf die Folter gespannt und hin und wieder auch schon mit einem späten Ausgleich des Gegners enttäuscht wurden.
Bayern München dominiert die Liga nach Belieben
Am Sonntag kommt nun kein Geringerer als der Rekordmeister und derzeitige Topverein FC Bayern München in die hannoversche AWD-Arena. Für die Starauswahl von der Isar findet man derzeit kaum genug Superlative, um deren Leistungen angemessen zu würdigen. Nur eine Niederlage und ein einziges Gegentor – beide gegen Borussia Mönchengladbach am ersten Spieltag – mussten die defensiv wie offensiv beeindruckenden Bayern bisher hinnehmen. 7 Siege in 9 Bundesligaspielen brachten die Münchener mit schon beachtlichem Vorsprung zurück an den Platz an der Sonne, wo man sich standesgemäß auch gern sieht. In der starken Champions League-Gruppe A stehen 7 Punkte zu Buche. Das Achtelfinale ist damit so gut wie erreicht. Auch hier musste Torwart Manuel Neuer erst einmal hinter sich greifen: beim kürzlichen Gastspiel in Neapel überwand ihn aber nur der eigene Abwehrspieler Holger Badstuber.
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Trainerlegende Jupp Heynckes die Bayern wieder auf Kurs gebracht und vielleicht sogar die Erwartungen der eigenen Vereinsführung übertroffen hat. In allen Wettbewerben steht der deutsche Rekordmeister hervorragend dar. Die Meisterschaft sieht jetzt schon kaum einen ernsthaften Konkurrenten mehr. Doch wer die Bayern kennt, weiß, dass ihnen der nationale Titel nicht genug sein wird. In diesem Jahr steigt das Champions-League-Finale in München und da will der Gastgeber natürlich gern selbst beteiligt sein. Nun steht erst einmal das Auswärtsspiel in Hannover an und es gibt keinen Grund, warum die Bayern dort nicht mit breiter Brust auftreten sollten.
Fazit: Der FC Bayern erlaubt sich ein minimales Ergebnistief. Nach dem 1:1 in Neapel kommt er auch in Hannover nicht über ein Unentschieden hinaus. Die 96er verteidigen clever, sind aber vorn trotz ihrer überfallartigen Kontertaktik nicht durchschlagskräftig genug gegen das Bayern-Bollwerk. Gleichzeitig sind sie aber immer unheimlich schwer zu schlagen. Und so bekommen 49.000 Zuschauer in der AWD-Arena ein 0:0 der besseren Sorte zu sehen.