Man darf es getrost Tradition nennen, was einmal im Jahr in der "Männerkneipe" Prinzknecht in der Fuggerstrasse im schwulen Bermuda-Dreieck von Schöneberg abgeht. Ab spätestens 19 Uhr füllt sich der sonst so männlich-kerlige Laden mit dem robusten Interieur nicht nur mit bärigen Gästen in karierten Holzfällerhemden, sondern mit einer bunten Klientel fröhlich trällernder Grand-Prix-Freunde. Pünktlich um 20 Uhr ist das Etablissement bereits hoffnungslos überfüllt, ab 21 Uhr – so auch gestern – flimmert von Großleinwänden und Bildschirmen der Eurovision Song Contest, den ich altmodische Pflanze auch weiterhin nur Grand Prix (Eurovision de la Chanson) nennen mag. Zum Biertrinker mischte sich an diesem Abend der smarte Sektschlürfer, zum prallen Lederoutfit-Mann der modische Jeans-Boy und alle alle starrten 3 Stunden lang wie gebannt auf die krachbunte Show aus Helsinki. Deren Auftakt mit der Monster-Hard-Rock-Hallelujah-Truppe Lordi, die mancher zu Recht schon wieder vergessen hat gestaltete sich für ältere Semester wohl schon als klassischer Abschalter. Was danach kam, war ein finnisches TV-Feuerwerk der guten Laune für das Auge und eine Reise quer durch Osteuropa für das Ohr. Jeder Titel, jeder Sänger, jede Band, jedes noch so schräge Bühnenoutfit gab schönste Anlässe zu Kommentaren, leicht erregten Ausrufen oder heftigen Bösartigkeiten. Die Ukraine hatte eine transvestitische Diskokugel geschickt, die übrigens ausgerechnet aus Polen 12 Punkte bekam (am Ende Platz 2 und die Hoffnung, dass Polen wirklich noch nicht verloren ist). Im Voting der Prinzknecht-Gemeinde lag Serka Verduchka weit vorn. Deutschlands Roger Cicero bekam naturgemäß den größten Jubel, auch wenn er sein Lied "Frauen regier´n die Welt" routiniert, aber ohne Feuer sang und halb Europa ihn, den "Deutsch-Sänger", eben nicht verstand. Im Prinzknecht gab es Jubel, immer neue Regen aus Bieruntersetzern und die große Enttäuschung, als Cicero nicht einmal aus der sonst so mildtätigen Türkei Punkte bekam. Die Stimmung kippte leicht, denn nun wurde diskutiert, ob das Liedertreffen nicht doch ein Brudertreffen ist, das sich die Osteuropäer und ihre Kleinstaaten untereinander diktieren. Am Ende nämlich fanden sich auf den Plätzen 1-16 und ausser der Türkei und Griechenland nur Lieder aus dem ehemaligen sozialistischen Wirtschaftsgebiet. Doch zuletzt musste selbst der größte Kritiker anerkennen, dass die 22jährige Marija Sefirovic aus Serbien eben nicht nur "douze Points" (12) aus Ex-Jugoslawien bekam, sondern eben auch aus Österreich. Finnland oder der Schweiz. Das unscheinbare Outfit jedenfalls kann die Balladen-Sängerin nicht auf Platz 1 gehievt haben. Das macht Hoffnung für das nächste Jahr, wenn in Belgrad der Grand Prix abgeht. Vielleicht stehen dann wieder Lieder im Vordergrund, nicht Monster, Stewardessen (England), Diskokugeln oder James-Bond-Verschnitte (Belarus). Aber wahrscheinlich ist der Grand Prix eben bei schwulen Männern so beliebt, weil es sich quer durch die Bank lästern, lallen und loben läßt. Danke liebe Prinzknecht-Crew für einen erfrischenden Abend.