Jürgen Trittin: Vom Kommunisten zum Finanzminister?

Bei den Grünen funktioniert alles ein bisschen anders. Man nennt sich Freundin und Freund statt Genossin und Genosse und legt viel Wert auf eine flexible, durch und durch demokratische und genderkonforme Führung. Mit dem Führungsquartett aus Özdemir, Roth, Künast und Trittin versucht man zu verdeutlichen, dass man keinen Alleinherrscher akzeptiert und auch die geschlechtliche Besetzung ist kein Zufall. In den letzten Monaten hat sich jedoch Jürgen Trittin als eine Art erster Ansprechpartner für Öffentlichkeitsarbeit herauskristallisiert, welcher sich stets mit finanzpolitischem Detailwissen zu profilieren versucht hat. Trittin hat damit seine Partei den aktuellen Themen näher gebracht. Man möchte als Grüne Partei nun auch als Finanzexperte gelten. Angesichts der starken Umfragewerte und dem zunehmenden Einfluss der Grünen sollte man sich den „starken Mann“ der Partei genauer anschauen. Man muss sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass die Grünen mittelfristig mitregieren und Trittin könnte sie führen. Hat er das Format eines Joschka Fischer?

Trittin und der Dosenpfand

Immer, wenn es um Kritik in niveauarmer Weise geht, was heutzutage leider keine Seltenheit mehr ist, wird Trittin als „alter Kommunist“ oder auch „DJ-Dosenpfand“ bezeichnet. Dass er eine bewegte Vergangenheit hatte, dürfte daraus auch für den Laien abzuleiten sein, aber sie könnte in einer durchaus erfolgreichen Zukunft enden. Angefangen beim „Kommunistischer Bund“ wurde Trittin bald zu einem linken Grünen. Über das Studienparlament in Göttingen, die AGIL in Göttingen und dem Niedersächsischen Landtag kam er schließlich als niedersächsischer Minister im Kabinett Schröder an. Die ganz große Bühne betrat Trittin dann 1998 als er nach dem Wahlsieg Schröders als Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ins Bundeskabinett einzog und ein grünes Kernressort übernehmen durfte. Zu dieser Zeit galt er als Gegenpol des „Realos“ Joschka Fischer – heute soll er dessen Nachfolger werden. Dies wird er im Falle einer Wahl zwar nicht als Außenminister tun, sondern, wenn es nach ihm ginge, als Finanzminister. Er ist nicht der Einzige, der das Finanzministerium derzeit als das wichtigste Ressort am Kabinettstisch sieht. Die aktuelle Besetzung Merkels ist das beste Beispiel dafür.

Die Grünen zeigen Regierungsfähigkeit

Heute macht Jürgen Trittin Oppositionsarbeit im Dienste seiner Partei. Er gibt sich als Finanzexperte und legt seine kenntnisreichen Vorträge geschickt und medienwirksam dar. Trittin möchte seiner Partei, welche in den Augen vieler noch ein Mehrheitsbeschaffer mit dem ein oder anderen Kernthema ist, hin zu einem breiteren Themenspektrum führen. Die Partei hat sich jüngst auf dem Parteitag in Kiel in vielerlei Hinsicht neu positioniert und hat nun den Anspruch auch als Finanz- und Wirtschaftspartei wahrgenommen zu werden, nach dem Motto „Antwort: Grün“. Man hat hier durchaus eindrucksvoll Regierungsfähigkeit gezeigt.

In der Zukunft werden die Grünen und auch Jürgen Trittin die Möglichkeit haben zu zeigen, dass man regierungsfähig ist. Angesichts der gravierenden Krise der FDP, dem Schwächeln der Linken und dem harten Aufprall nach dem hohen Sprung der Piraten könnten die Grünen in eine weitaus stärkere Position gelangen, als sie im Moment sind. In einem Parlament mit drei oder vier Parteien wären sie Mehrheitsmacher oder stärkste Oppositionspartei. Dann wird auch Trittin seinen Kritikern zeigen, dass er nicht nur Dosenpfand kann, sondern auch große internationale Politik. Wobei das Dosenpfand nicht geschmälert werden soll. Es ist definitiv sinnvoll, besonders wenn man sich anschaut, was derzeit sonst noch so alles von Politikern verzapft wird.

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