Die Straßen sind gespenstisch leer, als erwarten sie das
Unheil. Viele Iraker sind zu dem Schluss
gekommen, dass sie, wenn sie überleben wollen, am besten zu Hause
bleiben – oder außer Landes gehen. Dies bleibt meist nur Familien der
Mittelschicht mit dem nötigen Geld vorbehalten. Damit verliert der Irak
einen Großteil jener Bevölkerungsschicht, die so wichtig ist für den
Aufbauprozess eines Landes. Gerade Ärzte und Lehrer verlassen das
Land. In einem der schlimmsten Viertel in Bagdad, Dawra wurden Ende
April
vier Lehrer in zehn Tagen getötet. Es ist kaum vostellbar, wie hier
noch Unterricht möglich ist. Es ist unsicher, ob die Schüler überhaupt
einen Abschluss erhalten. Selbst irakische Beamte, die sich in der
relativ sicheren Grünen Zone
verschanzen und früher durchweg optimistisch waren, beginnen zu
verzweifeln.
Monkath Abdul Razzaq ein sunnitischer Araber aus der Mittelschicht bringt die Ängste vieler Iraker auf den Punkt.
„I
have no government. I have no protection from the government. Anyone
can come to my house, take me, kill me and throw me in the trash.“
Die Regierung besteht vor allem aus Schiiten, was ihr den Ruf einbringt
parteiisch zu sein. Der Anschlag auf die heilige Moschee der Schiiten in Samarra ließ den Hass der beiden größten Bevölkerungsgruppen in offene Gewalt
umschlagen. Nun durchkämmen sunnitische Milizen wie Zarquawi’s Omar Brigade und die schiitische Badr Brigade das Land auf der Suche nach
Anhängern der falschen Gruppe. Oft gehörten die Killer zu
den paramilitärischen
Formationen der Regierung, etwa zu den Kommandoeinheiten der Polizei.
Das Vertrauen in die Ordnungskräfte der Regierung ist damit quasi verflogen.
Daher
entschließen sich immer mehr Iraker ihr Land für eine unbestimmte Zeit
zu verlassen. Die meisten gehen nach Syrien oder Jordanien. Sie hoffen
eines Tages zurückkehren zu können, dann wenn die revalisierenden
Gruppen aufgehört haben sich umzubringen und es endlich möglich sein wird hier
seine Kinder großzuziehen. Auch wenn die USA im Irak ein heilloses Chaos
angerichtet haben ist die gesamte westliche Staatengemeinschaft
gefordert, um zu zeigen, dass wir in der Lage sind Demokratie und Freiheit
zu verbreiten.
„Der Irak wird wohl auf unbestimmte Zeit eine Gefahr für seine Nachbarn bleiben.“ Unter Saddam war der Irak natürlich ein friedliebendes Land, das weder den Iran noch Kuwait angegriffen hat und auch nicht nach Massenvernichtungswaffen strebte (Osirak). Saddam behandelte sein Volk und seine Nachbarn mit Respekt und Liebe. Bis 2003 war der Irak also ein Musterschüler am Golf, oder? Dann kamen die bösen USA und richteten „im Irak ein heilloses Chaos“ an. Zerstörten all die demokratischen Institutionen die der weise Wesir Saddam errichtet hat und führten Bürgerkrieg, Terror und Selbstmordattentate ein. Sie liessen weder frei Wahlen zu noch versuchten sie das Land zu stabilisieren – das einzige was sie wollten war Öl, Öl und nochmals Öl. So ist es doch, oder? Schön wenn die Welt so einfach ist.
Nun mal schön auf dem Boden der Tatsachen bleiben, agent d´orange! Ich denke mal mit ein wenig Übersicht über die Geschichte des Irak der letzten 30 Jahren sollte dir klar werden, dass dein Kommentar ziemlich daneben ist. In dem Artikel werden Tatsachen aufegzählt…ich lese da nirgendwo etwas wirklich Amerika-kritisches heraus.Fakt IST, dass die Amerikaner durch ihren stümperhaft geführten Krieg ein Chaos angerichtet haben. Gleiches gilt auch für Afghanistan (oder sollte ich Kabulistan sagen?)“Wer sich die Suppe versalzt, muss sie auch auslöffeln“ – deshalb MÜSSEN die Amerikaner im Irak bleiben, wegen der Menschen die dort gerne bleiben würden!Allerdings haben sie sich dort selber militärisch Schachmatt gesetzt. Aber das wissen die Iraner ja am besten ;-)MfG Hackl
@Hackl „Heilloses Chaos“ — klingt schon so, als wenn es vorher die heile Welt im Irak gegeben hätte, und das stimmt ja nun mal nicht. Seinerzeit gab es Ruhe, weil ein großer Teil der Bevölkerung unterdrückt, gefoltert und hingerichtet wurde. Dass nach dem Zusammenbruch ein Machtvakuum entsteht, in das nun Paramilitärs stoßen, hätte man zwar vorher besser bedenken sollen, aber ganz verhindern können hätte man es nicht.
@ agent d‘ orangeEigentlich ist deine Kritik gar keinen Kommentar wert, aber ich will es trotzdem nicht so stehen lassen. Aus meiner Situationsanalyse einfach den Umkehrschluss zu deuten und mir vorzuwerfen, ich behaupte, dass vorher alles friedlich und schön war, zeugt ja nun nicht gerade von argumentativer Brillianz und Schlüssigkeit, sondern ist rein polemisch. Ich verstehe ja, dass es viele Menschen gibt, die die Dinge so unkritisch annehmen und sich mit dem Gedanken zufrieden geben: „alles ist besser als saddam, also verbietet sich Kritik an den USA“,aber ich sehe die Dinge nunmal ein wenig kritischer.__Sicher war das Leben unter Saddam, zumindest für Kurden und Schiiten hart und gefährlich und es ist gut, dass er sich nun für seine Verbrechen verantworten muss. Trotzdem ist die Kritik am Wiederaufbaustil der Invasoren berechtigt. Denn momentan gibt es keine Sicherheit für Niemanden und der Irak bricht auseinander. Die Usa beschränken sich aber zunehmend mit der Sicherung der für sie wichtigen Gebiete und überlassen den Rest einer gefährlichen Eigendynamik.
@ SebastianNun, polemisch war es auch gemeint, was ich dort schrieb. Und wie du schon bemerkt hast war es keine Meisterleistung der Dialektik die ich dort vollbrachte. Es war/ist eine subjektive, einseitige, polemische Meinung – nicht mehr und nicht weniger. Dein Artikel lässt jedoch leider auch die nötige Objektivität vermissen. Einfach 2003 mit der Analyse anfangen greift m.E. zu kurz. Die Geschichte beginnt ja nicht auf einmal. Es gab auch vorher schon Missstände und Probleme im Irak – nur konnten diese unter Saddam verheimlicht, vertutscht ud geleugnet werden. Das die USA blauäugig und wenig vorbereitet für den Wiederaufbauprozeß in den Irak eimaschierten steht dahin – dass sie es jedoch sind, die „im Irak ein heilloses Chaos angerichtet haben“ möchte ich bezweifeln. Sicher sie haben die Armee usw. aufgelöst – dennoch sind es ja wohl die Extremisten, Räuber und Mörder vor Ort die das Chaos anrichten. Die US Soldaten bekommen es nicht unter Kontrolle, anrichten tun sie es jedoch mitnichten.
Zum einen sollte man sich einfach mal fragen, wie das Ende der Saddam-Diktatur aussehen würde, wenn die Amerikaner nicht im Irak stünden? Besser? Noch schlechter?Und dann sollte man nicht Schwarzmalen. Es gibt im Irak auch Gebiete, die sicher sind und in denen es wirtschaftlich vorangeht. Aber das ist natürlich nicht so spannend, nicht wahr?
Das liest sich schon besser , jetzt kann ich auch was mit deiner Kritik anfangen. Vorweg, es gibt eine gewisse Wortbeschränkung, daher kann ich hier nicht ellenlang über Hintergründe und Vergleiche referieren. Das es nicht so objektiv ist wie ein Dossier o.ä. , ist ja klar, denn in Blogs drängt sich ja gerade die Subjektivität, also die Gedanken des Autors zum Thema in den Vordergrund, deswegen gibts dann auch immer so freche Kommentare 🙂 und es regt zur Diskussion an.
@boche: Es würde mich freuen zu diesem Thema vielleicht von dir mal was zu lesen. Wenn du meinst man solle nicht alles schwarzmalen, dann zeig mal die Highlights auf, die der USA-Einsatz im Kampf gegen Terror gebracht hat. Klar gibt es Gebiete im Irak die „sicher“ sind, aber warum sind sie es?? Liegt es vielleicht daran, dass sie eine ganz wichtige (unterirdische) Eigenschaft besitzen, die sie so wertvoll macht? Ich fände es sehr spannend mal was richtig Positives aus dem Irak zu hören..
@Sebastian HaackDeine Bitte ist mir Befehl! Hier Hier findest Du (allerdings auf Englisch) einige Fakten über den heutigen Irak, die gegen ein zu düsteres Bild sprechen.Das auf die Schnelle. Bei Gelegenheit vielleicht mal mehr.
Wann endlich rafft sich die Weltgemeinschaft dazu auf, massiv darauf hinzuwirken, dass endlich alle amerikanischen Folter-KZs (Guantananmo/Kuba, Polen, Rumänien, Bulgarien und wer weiß, in welchen besetzten Ländern noch) geschlossen werden und Bush vor dem internationalen Gerichtshof als Kriegsverbrecher, Initiator eines Angriffskrieges gegen den Irak und Invasor verurteilt wird! Auch dem israelischen Terror- und Besatzungsregime sowie dem israelischen Landraub in Palästina ist schleunigst Einhalt zu gebieten, um einen 3. Weltkrieg noch zu vermeiden.Die allerschlimmsten Terroristen weltweit sind zweifelsohne das Bush-Regime und seine treuesten Verbündeten. Auch die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat seinerzeit – trotz aller anderslautenden Rhetorik – unter Kanzler Schröder und Außenminister Fischer den aggresiven US-amerikanischen / britischen Angriffskrieg gegen den Irak direkt und indirekt unterstützt. Dafür müssen die Veranwortlichen bestraft werden.
Wo ist denn jetzt der Mehrwert deiner Aussage? Bis auf Unwahrheiten (Terror- und Besatzungsregime) äußerst fragwürdige Vergleiche (Folter KZs) und Beschimpfungen/Verunglimpfungen kann ich deinem Kommentar leider nicht viel entnehmen.Und die Tatsache, dass die ach so viel beschworene Weltgemeinschaft sich zu nichts „aufrafft“ bzw. aufraffen will wird wohl auch seine Gründe haben.
@Martin Kulik: Nun, wenn ich von der deutschen Bundesregierung gesponsert werden würde (siehe http://www.germanblogs.de/martin/persons/aboutMe.htm) , um mir mal Washington D.C. etwas genauer anzusehen, dann hätte ich wahrscheinlich auch Schwierigkeiten mit einer einigermaßen realistischen Sicht der Dinge. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing… Doch es geht eben nicht immer nur um den Mehrwert.
Naja, wenn ich jetzt in DC sitzen würde, könnte ich deine Kritik ja noch ansatzweise verstehen. Jetzt sitze ich aber gerade in Hamburg, schaue WM und hab mit der BuReg (oder im konkreten Falle dem AA) nix zu tun. Übrigens muss man das Praktikum komplett selbst zahlen – da wird nix gesponsort vom AA. Man gewinnt lediglich Einblicke in den Arbeitsalltag der Botschaft – als angehender Politologe recht attraktiv und interessant.Und wenn du diese Brot/Lied Geschichte schon anfängst, wer „sponsort“ dich denn? Die Hamas? Hisbollah? Herr A. aus T.? Und ein Mehrwert in der Diskussion durch fundierte Statements wäre mir schon ganz lieb.
@Martin Kulik: Hier kommt der Mehrwert, leider nicht von mir selbst, sondern aus der israelischen Presse:Ein Bündnis der TyrannenVon Gideon Levy, Haaretz, 28.05.2006Wurde der Ministerpräsident bei seiner Rede auf dem Kapitol-Hügel 38 mal – wie es Maariv und Haaretz berichteten – oder 41 Mal durch Applaus unterbrochen, wie es Yedioth Ahronoth schrieb? War es die Rede seines Lebens oder seine „Siegesetappe“? Das spielt keine Rolle. Diejenigen, die die Flut der Lobeshymnen lasen, die von einem einstimmigen Chor in der israelischen Presse über Ehud Olmert gehäuft wurden, mögen denken, dass dies ein historischer Besuch war, der einen bedeutenden Fortschritt beim Erlangen des Friedens im Nahen Osten bringen wird. Aber davon kann gar keine Rede sein.In Washington gab es ein Treffen der Führer beider Länder, die „allgemeine Prinzipien und Werte“ mit einander austauschten, wie der Ministerpräsident in seiner Rede ganz richtig sagte. Die USA und Israel sind heute die verhasstesten Länder der Welt. Beide sind verantwortlich für brutale Besatzungen und das Blutvergießen an Unschuldigen; beide kämpfen gegen Terrorismus, ohne Rücksicht auf dessen Gründe und wahren Ursachen; beide gefährden den Weltfrieden und ihre Führer verbreiten Slogans über den Frieden – doch dies sind nur Worthülsen; beide umgeben sich mit Mauern. Der einzige Unterschied zwischen den beiden ist, dass es in den USA Anzeichen des Aufwachens über die Täuschung eines kriminellen Krieges im Irak gibt – drei Jahre nach seinem Beginn. In Israel dagegen halten die Leute an all den Lügen der Vergangenheit fest, wenn es um die Verbindung zwischen der Besatzung der Gebiete und der Sicherheit geht – nach 39 Jahren Besatzung.Das erneuerte Bündnis, das zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten und dem amerikanischen Präsidenten geschmiedet wurde, ist ein Bündnis der Tyrannen, von zwei Tyrannen, die glauben, ihnen sei alles erlaubt, was sonst in der Welt verboten ist. Amerika und Israel können nach Herzenslust alle möglichen Waffen benützen und gleichzeitig jeden bedrohen, der dasselbe versucht. Warum? Weil sie stark sind. Das sind die wirklichen Werte, für die Olmert 38 oder 41 Mal unterbrochen wurde; Olmert „streckte Mahmoud Abbas die Hand zum Frieden aus“ – von Washington aus. Doch selbst Israels langer Arm bringt keine so weite Atlantiküberquerung fertig, vom Kapitol bis zu den Ruinen der Mukata in Ramallah. Wenn Olmert es wirklich meinen würde, dann hätte er dies leicht in einer Viertelstundenfahrt von seinem Büro aus schaffen können.“Präsident“ Abbas, wie Olmert ihn hier das erste Mal mit einer nichtssagenden Geste nannte, hat als der moderateste Führer, den die Palästinenser je hatten, seit langem zu verhandeln versucht. Aber Olmert und vor ihm Sharon haben Abbas’ zum Frieden ausgestreckte Hand immer nur zurückgewiesen.Olmert hat keine ernste Absicht, mit Abbas Verhandlungen zu führen. Er weiß, Abbas ist ein schwacher Führer. Er wird ihn treffen und dann erklären, er tue nicht genug gegen den Terror, und so wird es zu keinen Verhandlungen kommen. Andrerseits hat der Ministerpräsident nicht die Absicht, wirklich mutige Schritte zu tun, die von ihm gefordert werden: nicht nur zu dem nahen und verhältnismäßig angenehmen Ramallah zu gehen, wo der vorherige Führer Palästinas sitzt, sondern auch zu dem hungrigen und abgewürgten Gaza, um dort den neuen Führer der Palästinenser, Ismail Haniyeh, zu treffen. Es ist nicht schön in Gaza. Es ist übervölkert und bedrohlich, ja sogar gefährlich – Olmert würde dort keinen Applaus bekommen wie auf dem Kapitol-Hügel – aber dort – in Gaza – und nur dort ist es möglich, mit dem Versuch zu beginnen, Frieden zu machen.Dafür ist wirklich eine andere Art von Mut nötig, nicht der, dem die Amerikaner applaudieren. Und Olmert hat diese Art von Mut nicht. Aus Gaza hört man nun auch neue Stimmen. Haniyes Interview mit Danny Rubinstein in Haaretz, in dem er von Frieden in den Grenzen von 1967 spricht, hätte eine Welle positiver Reaktionen aus Jerusalem auslösen sollen, genau wie das „Dokument der Gefangenen“, das im Haradim-Gefängnis unterzeichnet wurde. Aber Jerusalems Ohren sind, wie üblich, gegenüber einem solchen Ton, der den Friedensprozess voranbringen könnte, taub.Olmert verkaufte den Amerikanern Sprüche aus der Vergangenheit: Über Hamas sagte er: „Es ist eine Organisation, die ekelhaft antisemitisch ist und die sich der Zerstörung Israels verpflichtet hat.“ Hamas aber spricht jetzt ausdrücklich von einem Kompromiss mit Israel. Olmerts Hand war nur den Amerikanern und den Israelis gegenüber ausgestreckt. Nur dort und hier kaufen ihm die Leute noch die Legende ab, dass Israel Frieden und nicht an den besetzten Gebieten festhalten wolle. Nur in Israel und Amerika glauben die Leute noch denen, die die Welt auffordern, das palästinensische Volk zu belagern und auszuhungern, zu ermorden, zu bombardieren, zu verhaften und zu zerstören. Olmert versprach, mit dem „Konvergenz-Plan“ in zwei Jahren zu beginnen. Jetzt spricht er davon, nicht mehr als 40.000 Siedler zu evakuieren und sie in den „Siedlungsblöcken“ anzusiedeln. Das ist offensichtlich kein Friedensplan, das ist ein Plan, um die Besetzung zu verewigen – nur unter für Israel passenderen Bedingungen. Außerdem werden nach der Ausführung des „Konvergenz-Planes“ – falls er überhaupt durchgeführt wird – sogar noch mehr Siedler in den besetzten Gebieten leben als jetzt in den Siedlungsblöcken, die nicht weniger gefährlich sind als die handvoll Siedlungen, die evakuiert werden sollen. Dass Amerika über Olmerts Plan nicht begeistert ist, stört niemanden. Am Ende wird es diesen unterstützen.Die beiden Länder haben schließlich so viele „gemeinsame Werte und Prinzipien“.Übersetzung: Ellen Rohlfs
@Martin Kulik: Hier kommt der Mehrwert, leider nicht von mir selbst, sondern aus der israelischen Presse:Ein Bündnis der TyrannenVon Gideon Levy, Haaretz, 28.05.2006Wurde der Ministerpräsident bei seiner Rede auf dem Kapitol-Hügel 38 mal – wie es Maariv und Haaretz berichteten – oder 41 Mal durch Applaus unterbrochen, wie es Yedioth Ahronoth schrieb? War es die Rede seines Lebens oder seine „Siegesetappe“? Das spielt keine Rolle. Diejenigen, die die Flut der Lobeshymnen lasen, die von einem einstimmigen Chor in der israelischen Presse über Ehud Olmert gehäuft wurden, mögen denken, dass dies ein historischer Besuch war, der einen bedeutenden Fortschritt beim Erlangen des Friedens im Nahen Osten bringen wird. Aber davon kann gar keine Rede sein.In Washington gab es ein Treffen der Führer beider Länder, die „allgemeine Prinzipien und Werte“ mit einander austauschten, wie der Ministerpräsident in seiner Rede ganz richtig sagte. Die USA und Israel sind heute die verhasstesten Länder der Welt. Beide sind verantwortlich für brutale Besatzungen und das Blutvergießen an Unschuldigen; beide kämpfen gegen Terrorismus, ohne Rücksicht auf dessen Gründe und wahren Ursachen; beide gefährden den Weltfrieden und ihre Führer verbreiten Slogans über den Frieden – doch dies sind nur Worthülsen; beide umgeben sich mit Mauern. Der einzige Unterschied zwischen den beiden ist, dass es in den USA Anzeichen des Aufwachens über die Täuschung eines kriminellen Krieges im Irak gibt – drei Jahre nach seinem Beginn. In Israel dagegen halten die Leute an all den Lügen der Vergangenheit fest, wenn es um die Verbindung zwischen der Besatzung der Gebiete und der Sicherheit geht – nach 39 Jahren Besatzung.Das erneuerte Bündnis, das zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten und dem amerikanischen Präsidenten geschmiedet wurde, ist ein Bündnis der Tyrannen, von zwei Tyrannen, die glauben, ihnen sei alles erlaubt, was sonst in der Welt verboten ist. Amerika und Israel können nach Herzenslust alle möglichen Waffen benützen und gleichzeitig jeden bedrohen, der dasselbe versucht. Warum? Weil sie stark sind. Das sind die wirklichen Werte, für die Olmert 38 oder 41 Mal unterbrochen wurde; Olmert „streckte Mahmoud Abbas die Hand zum Frieden aus“ – von Washington aus. Doch selbst Israels langer Arm bringt keine so weite Atlantiküberquerung fertig, vom Kapitol bis zu den Ruinen der Mukata in Ramallah. Wenn Olmert es wirklich meinen würde, dann hätte er dies leicht in einer Viertelstundenfahrt von seinem Büro aus schaffen können.“Präsident“ Abbas, wie Olmert ihn hier das erste Mal mit einer nichtssagenden Geste nannte, hat als der moderateste Führer, den die Palästinenser je hatten, seit langem zu verhandeln versucht. Aber Olmert und vor ihm Sharon haben Abbas’ zum Frieden ausgestreckte Hand immer nur zurückgewiesen.Olmert hat keine ernste Absicht, mit Abbas Verhandlungen zu führen. Er weiß, Abbas ist ein schwacher Führer. Er wird ihn treffen und dann erklären, er tue nicht genug gegen den Terror, und so wird es zu keinen Verhandlungen kommen. Andrerseits hat der Ministerpräsident nicht die Absicht, wirklich mutige Schritte zu tun, die von ihm gefordert werden: nicht nur zu dem nahen und verhältnismäßig angenehmen Ramallah zu gehen, wo der vorherige Führer Palästinas sitzt, sondern auch zu dem hungrigen und abgewürgten Gaza, um dort den neuen Führer der Palästinenser, Ismail Haniyeh, zu treffen. Es ist nicht schön in Gaza. Es ist übervölkert und bedrohlich, ja sogar gefährlich – Olmert würde dort keinen Applaus bekommen wie auf dem Kapitol-Hügel – aber dort – in Gaza – und nur dort ist es möglich, mit dem Versuch zu beginnen, Frieden zu machen.Dafür ist wirklich eine andere Art von Mut nötig, nicht der, dem die Amerikaner applaudieren. Und Olmert hat diese Art von Mut nicht. Aus Gaza hört man nun auch neue Stimmen. Haniyes Interview mit Danny Rubinstein in Haaretz, in dem er von Frieden in den Grenzen von 1967 spricht, hätte eine Welle positiver Reaktionen aus Jerusalem auslösen sollen, genau wie das „Dokument der Gefangenen“, das im Haradim-Gefängnis unterzeichnet wurde. Aber Jerusalems Ohren sind, wie üblich, gegenüber einem solchen Ton, der den Friedensprozess voranbringen könnte, taub.Olmert verkaufte den Amerikanern Sprüche aus der Vergangenheit: Über Hamas sagte er: „Es ist eine Organisation, die ekelhaft antisemitisch ist und die sich der Zerstörung Israels verpflichtet hat.“ Hamas aber spricht jetzt ausdrücklich von einem Kompromiss mit Israel. Olmerts Hand war nur den Amerikanern und den Israelis gegenüber ausgestreckt. Nur dort und hier kaufen ihm die Leute noch die Legende ab, dass Israel Frieden und nicht an den besetzten Gebieten festhalten wolle. Nur in Israel und Amerika glauben die Leute noch denen, die die Welt auffordern, das palästinensische Volk zu belagern und auszuhungern, zu ermorden, zu bombardieren, zu verhaften und zu zerstören. Olmert versprach, mit dem „Konvergenz-Plan“ in zwei Jahren zu beginnen. Jetzt spricht er davon, nicht mehr als 40.000 Siedler zu evakuieren und sie in den „Siedlungsblöcken“ anzusiedeln. Das ist offensichtlich kein Friedensplan, das ist ein Plan, um die Besetzung zu verewigen – nur unter für Israel passenderen Bedingungen. Außerdem werden nach der Ausführung des „Konvergenz-Planes“ – falls er überhaupt durchgeführt wird – sogar noch mehr Siedler in den besetzten Gebieten leben als jetzt in den Siedlungsblöcken, die nicht weniger gefährlich sind als die handvoll Siedlungen, die evakuiert werden sollen. Dass Amerika über Olmerts Plan nicht begeistert ist, stört niemanden. Am Ende wird es diesen unterstützen.Die beiden Länder haben schließlich so viele „gemeinsame Werte und Prinzipien“.Übersetzung: Ellen Rohlfs
Hab mir den Artikel mal durchgelesen. Einiges kann ich nachvollziehen, folgendes gar nicht: „[…] ein Bündnis der Tyrannen, von zwei Tyrannen, die glauben, ihnen sei alles erlaubt, was sonst in der Welt verboten ist.“ – gemeint sind Bush und Olmert. Beide sind demokratisch gewählt und halten sich an die Spielregeln ihrer Demokratien. Sie als Tyrannen hinzustellen erscheint mir doch sehr weit hergeholt.„Er wird ihn treffen und dann erklären, er tue nicht genug gegen den Terror, und so wird es zu keinen Verhandlungen kommen.“ Also Olmert wird Abbas treffen und ihm den mangelnden Einsatz gegen den Terror vorwerfen. Damit hat er ja auch Recht! Man brauchts sich ja nur mal die Bilder der letzten Tage anschauen. Also erstmal den Terror stoppen und dann kann man verhandeln.“Olmert verkaufte den Amerikanern Sprüche aus der Vergangenheit: Über Hamas sagte er: „Es ist eine Organisation, die ekelhaft antisemitisch ist und die sich der Zerstörung Israels verpflichtet hat.“ Hamas aber spricht jetzt ausdrücklich von einem Kompromiss mit Israel.“ Der angesprochene Kompromiß ist mir bisher nicht untergekommen. Meines Wissens negiert die Hammas nach wie vor das Existenzrecht Israels (siehe auch die Ablehnung des Referendums). Und mit jemandem der mir das Existenzrecht abspricht würde auch ich nur sehr ungern verhandeln.Alles in allem erscheint mir der Text von Levy ziemlich einseitig. Die israelische Regierung (und natürlich Washington) sind die ganz Bösen und die armen Palästinenser wollen doch nur in Frieden leben. Beides erscheint mir ziemlich verkürzt.