Interview: Xavier Naidoo und Kool Savas über Xavas ‚Gespaltene Persönlichkeit‘

Im November 2011, im Rahmen von „Wir beaten mehr“ und Xaviers Auftritt auf Savas' Single „Aura“ tauchten die ersten Gerüchte und Interviewschnipsel auf – Xavier Naidoo und Kool Savas arbeiten an einer gemeinsamen Platte.
Aufregend war das, wenn auch etwas ungewöhnlich. Aber 2011 war lange nicht der Anfang dieser Idee.

Xavas: Jahrelang am Köcheln

Xavier: Die Idee ist schon ganz lange her, mindestens 6 oder 7 Jahre wenn nicht sogar schon länger und von dem her haben wir das eigentlich ganz schön lange schleifen lassen und haben wirklich warten müssen, bis wir dann mal so ein Projekt hatten wie „Wir beaten mehr“ wo wir dann zusammen waren, ansonsten war Savas immer beschäftigt, ich immer beschäftigt, und da hätten wir uns die Songs wirklich zuschicken müssen und das wollten wir nicht, also wir wollten wirklich zusammen arbeiten, gerade den Prozess genießen.

Arbeit am Album 'Gespaltene Persönlichkeit'

Irgendwann tröpfelten dann die weiteren Infos hinter her, das Projekt sollte „Xavas“ benannt werden, das Album „Gespaltene Persönlichkeit“ trägt die beiden Künstler auf dem Cover, je nachdem, wie man es hält, steht einer von ihnen Kopf. Aber wie sehr musste man sich überhaupt verbiegen, um miteinander zu arbeiten?

Savas: Eigentlich ging das schon von vornherein gut. Ich kann für meinen Teil sagen, ich hab natürlich geguckt, wie arbeitet Xavier und hab auch versucht, mich darauf einzustellen. Ich hab mich erst mal relativ zurück gehalten und eigentlich zieht sich das dann durch das ganze Album, das wir nie versucht haben, dem anderen reinzugrätschen, sondern diesen Freiraum zu lassen, dass wenn einer eine Idee hatte, dass man nicht sagt 'kategorisch lehne ich das ab', sondern dass man guckt, 'ok, was kann ich damit anfangen' und sogar wenn das mal über den eigenen Horizont rüber ging, also ich für mich hab dann doch gesagt 'ich geh jetzt trotzdem darauf ein und sehe das als Herausforderung' und im Nachhinein war das das Beste, was man machen konnte.

Trotzdem, da kommen zwei Menschen zusammen auf einer Platte, die davor vielleicht noch nicht so viel Musik zusammen gemacht haben oder fast gar nicht miteinander musiziert haben und bringen etwas hervor, das total sinnvoll klingt und das so klingt als hätte es immer so sein müssen.
Wir haben unabhängig voneinander gesagt, was wir uns vorstellen können als Single und das hat sich zu 100% gedeckt. Das waren vier Tracks, die wir uns ausgesucht haben und das war auf beiden Seiten genau das Gleiche. Wir haben unabhängig voneinander eine Email geschrieben und dann meint David (Laube) zu mir 'Oh geil, das sind Xaviers Vorschläge'.

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Bundesvision Song Contest: Ring frei für Hip Hop

Die erste Single 'Ich schau nicht mehr zurück' findet die beiden nachdenklich und reflektierend auf die mittlerweile beachtliche Karriere beider Künstler schauend. Im Musikvideo ließen sie sich von Kameradrohnen in die Berge jagen, auch wenn das Video schon draußen ist, das große Live Debüt wird es für die Mehrheit nach einem kuscheligen Showcase am 5.9.2012 im Berliner Asphalt Club endlich am 28.9.2012 beim Bundesvision Song Contest geben, wo sie gegen ziemlich beeindruckende und erstaunlich vielfältige Konkurrenz angehen müssen. Wie war der Spruch noch mal, 'Hauptsache mitmachen'?

Xavier: Dann wären wir falsch gepolt. Man geht nicht dahin und sagt 'Dabei sein ist alles'. Klar, das kann man sagen, wenn man verloren hat, ich bin auch bereit, das zu sagen, aber jetzt im Moment haben wir uns darauf verständigt, dass es verheerend wäre, wenn es ein anderer Hip Hop Act macht. Das wäre schlimm für uns, auch wenn wir sie alle schätzen. Deswegen dürfen alle anderen Acts gerne gewinnen nur bitte kein anderer Hip Hopper, das müssen dann schon wir machen, wir sind so ein bisschen zum Siegen verdammt.

Savas: Ist krass, dass Raab, so ein Comedian, der Erste ist, der dafür sorgt, dass die Hip Hop Acts auch ernst genommen werden, natürlich ist das auch nicht alles strikt oder so, der Song von den Orsons ist ja auch straight up Pop aber das ist geil, dass das so weit gekommen ist. Vielleicht füllen wir mal nen ganzen Bundesvision Song Contest mit ehemaligen Rappern oder Noch-Rappern.

'Wir beaten mehr' legt die Grundlage zum Album

Ganz viel Hip Hop und Soul gab und gibt es allerdings schon mit „Wir beaten mehr“, einem Projekt von Xavier und Savas und genau dort heraus sprossen auch die ersten Songs des gemeinsam gesatlteten Albums.

Xavier: Die „Wir beaten mehr“ Show, die wir da gemacht haben, da gehörte zum Konzept, dass wir deutsche Produzenten suchen und die Leidenschaft und deren Arbeit dokumentieren und uns währenddessen eben Beats bei den Produzenten raus suchen und natürlich haben wir uns nur die Beats rausgesucht, die wir auch gefeiert haben und da war uns gleich klar 'warum sollen wir die nicht für unser Album nehmen'.
Und echt viele Tracks, ich glaub so 5 oder 7 Tracks, sind so durch dieses Beat Picken bei den Produzenten entstanden. Das wurde sogar noch aufgezeichnet. Und von dem her war das dann der Startschuss und witzigerweise der erste Beat, den wir gepickt haben, ist auch noch ein Beat von nem Produzenten, (Milan) Martelli, der den allerersten Beat gemacht hat, auf dem wir zusammen zu hören waren, da hat sich auch so ein Kreis geschlossen.

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Nicht über Texte reden, sondern übers Reden texten

Auf Beats gebettet folgen dann die Texte. Gerade wenn zwei Künstler zusammen kommen, deren Lyrik sich wohl vor allen Dingen unterscheidet, stellt sich natürlich die Frage, wie da der Prozess verläuft, ob man sich gegenseitig inspiriert und über Texte redet.

Xavier: Wir haben nicht über Texte gesprochen. Man trifft sich halt um 12 im Studio und man fängt ja eh nicht sofort an, vielleicht mach ich was zu essen oder Savas hat was mitgebracht und dann erzählt man drei Stunden über wasweißich oder auch nur über eine Sache, nur über Autos, nur über Frauen, nur über Geld und daraus entwickelt sich dann später etwas, wenn man die Beats hört.
Das ist so ein Schlagabtausch, meistens hatte ich das Glück, mein Ding geht dann auch schneller, ich muss nur ne Hook finden und dann sing ich ein, dann kommt der Savas, schreibt seinen Rap, dann kann es sogar sein, dass ich noch einmal rein gehe und die erste Strophe mache und dann mach ich was anderes und komm wieder zurück und dann ist der erste Rap von Savas fertig. Es war einfach ein ganz natürlicher Prozess. Später beim Album hat der Savas noch aufgeschrieben, welche Tracks noch was gebrauchen können.

Das neue Album, das wollen wohl beide, soll das Beste aus beiden Welten sein, eine Art Brücke zwischen Soul und Hip Hop, eine Zusammenarbeit zwischen zwei einflussreichen Musikern, die das deutsche Soundbild maßgeblich geprägt haben.

Savas: Ich hatte es noch nie bei einem Album, dieses 'Das ist unser Konzept, das ist unser Sound', ich weiß auch nicht, ob das modern oder klassisch oder ausgeflippt oder konservativ ist, ich finde, das lässt sich nicht einordnen. 'Es passt in diese Zeit aber mehr', könnte ich überhaupt gar nicht dazu sagen.

Beide Künstler sind auch durch die zahlreichen Zusammenarbeiten mit Kollegen bekannt, geradezu spartanisch haben sie sich da für „Gespaltene Persönlichkeit“ gegeben und lediglich einen Gastrapper geladen – Olli Banjo.

Xavier: Da hatten wir einmal die Sache so ein bisschen umgedreht, dass Savas die Hook rappt. Da hatte ich schon zwei drei Strophen und eine war für mich so ein Lückenfüller und da hab ich gedacht, da könnte man schon vielleicht jemanden…Und dann hat der Savas die Idee gehabt, dass man vielleicht den Olli fragen kann. Und für den Olli hab ich gerade zwei Tage vorher ein paar Tracks für sein Album gemacht.
Ich in meinem Fall such mir Gäste, damit das Bild, das in dem Song gezeichnet wird, ein bisschen vervollkommnet wird, das man noch eine Vision von jemand anderem da hat und das Thema ein bisschen ausweitet.

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Im Freundeskreisen kreiseln

Wenn das gemeinsame Projekt bereits seit 6, 7 Jahren in den beiden Köpfen herum schwirrt, dann liegt dahinter auch eine lange Geschichte der Beiden, die sich immer mal wieder trafen, zusammen arbeiteten und alleine mit „Wir beaten mehr“ eine starke Szene kreieren, die sich musikalisch heraus hebt. Aber wo haben sich Xavier und Savas eigentlich kennen gelernt?

Xavier: Wir haben es vorhin ein bisschen auseinander klabüstert und jetzt glauben wir, dass es auf dem Echo war. Aber so genau kann ich das auch nicht mehr sagen. Weil wir so viele gemeinsame Freunde hatten, so dass man einfach Respekt hat vor dem, was der andere kann.
Als ich gehört habe, der Savas hat mit Illmatic zusammen ein Album innerhalb von 24 Stunden aufgenommen, da hab ich gedacht 'da muss ich auch mal ansetzen'. Das mag ich einfach, es gibt nicht viele Künstler die in dem Moment etwas schreiben können und die Leute, die das können, die kralle ich mir gerne.

Wenn man die Interviews und Kollaborationen so mitkriegt, scheint es fast, dass Deutschland ein Dorf ist, sich jeder überall begegnet und Zusammenarbeiten an der Schlange an der Supermarktkasse oder beim Sektausschank einer Awardshow entstehen. Trifft man so unentwegt Kollegen und Konkurrenz wenn man morgens aus dem Haus geht?

Savas: Wenn man will ja. Wenn man zum Beispiel nicht bereit ist, auf Partys zu gehen und Xavier ist Null der Partygänger ich auch mittlerweile absolut gar nicht mehr, dann kann man sich auch sehr gut aus'm Weg gehen. Ich treffe die wenigsten Leute. Mal so'n Bushido oder Sido hab ich aus Zufall vielleicht zwei Mal in meinem Leben getroffen, also es kommt so gut wie gar nicht vor.

Xavier: Sogar in meiner Partyzeit hab ich Tür gemacht, ich hab das genossen, das Leute da reingekommen sind und ich dafür sorgen konnte, dass es ne geile Party ist. Ich bin immer schon Dienstleister gewesen auch auf der Party.

Xavas: Was nimmt man mit, was hinterlässt man?

Taucht man ein wenig in die Geschichte der Beiden ein, dann stößt man auch auf ein Interview, in dem Xavier erzählt, dass er ausgerechnet durch einen Savas Song zum Vegetarier wurde.

Xavier: In der Zeit, das war auch noch situationsbedingt, da hab ich gerade eine längere Reise durch die Türkei gemacht und hab viel Savas gehört. Da gab's nen Tag wo so eine Kuhherde über die Straße gelaufen ist und ich auch wieder Savas gehört habe und die eine letzte Kuh, die hat so einen Eindruck auf mich gemacht, dass ich gedacht habe 'das ist doch ein Mensch in Kuh-Form', weil du hast echt in ihrem Gesicht gesehen 'Ey, wartet, ich komm doch!', die waren schon ein bisschen weiter und sie war die Letzte, die über die Straße geklettert ist und ich hab Savas gehört und der hat gerade gesagt 'ich könnte ohne weiteres darauf verzichten Fleisch zu essen und ohne weiteres ein Leben retten' und ich dachte 'das kann doch nicht sein, dass er mir das jetzt sagen muss'. Ich hab mich ein bisschen geärgert fast schon.

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Abgesehen von der Liebe zu den Tieren entstehen durch solche Zusammenarbeiten doch sicher auch gegenseitige Lerneffekte, irgendwie und irgendwo saugt man doch auch Eigenschaften des anderen auf, so dass sich die Frage stellt, in wie weit sie sich gegenseitig inspiriert haben und was sie voneinander mitnehmen.

Savas: Auf musikalischer Ebene natürlich, das sich Frei machen, locker machen, die Texte auch mal zulassen oder auch mal zulassen, dass sich die Sache auch mal von selber schreibt, das Genießen, dass man schöpfen kann und dass das was Großartiges ist. Auf der anderen Seite, menschlich seh ich ganz viele Sachen, zum Beispiel, dass der Xavier in sich glaub ich sehr zufrieden ist und auch in jeder Situation zufrieden sein kann. Ich war sehr oft – und bin ich wahrscheinlich oft noch so – von den äußeren Umständen abhängig und hab dann auch meine Laune davon abhängig gemacht und hab mich runter ziehen lassen, obwohl es gar nicht nötig war.
Xavier ist ein Mensch, der sich echt überall wohl fühlt und der selber dann die Umwelt bestimmt und einfach sagt 'ey, es ist so wie es ist', der seine Glückseligkeit auch in der Musik, in dem Machen und in dem Kreieren findet und das finde ich ne Rieseninspiration, dass es auch nicht immer so ein Kampf sein muss. Ich bin jemand, der auch oft mit sich selber kämpft und auch mit der Musik…

Xavier: …man muss aber auch sagen, dass der Savas echt nen harten Job hat, ich forder so schnell mal nen Doubletimer oder der Beat schreit nach nem Doubletimer, aber dass der Savas sich dann das Hirn zermartern muss, um darauf etwas zu schaffen, dass es so noch nicht gegeben hat, dass er niemanden bitet, dass es Sinn macht und so weiter.
Ich hab's da schon leichter, denn ich muss nicht so viel schreiben, ich glaub am Ende des Tages hört es sich so an als hätte ich mehr Anteile an dem Album, aber wenn man sich mal angucken würde wie viel geschrieben wurde, dann würde der Savas einfach seitenweise mehr geschrieben haben als ich und das bedeutet dann schon auch, dass seine Kunstform mit Ringen zu tun hat.

Das kann man sich nicht vorstellen, ich seh's ja, er ist dann ja stundenlang am Worte finden. Und der Savas muss einfach versuchen, dass das, was er da schreibt nicht nur rhythmisch krass ist sondern auch vom Sinn her. Das, was man unterschätzt ist, dass viele MCs die echt ihr Zeug beherrschen nicht nur Rhythmisch das abfeuern, dass es krass klingt, sondern dass was sie sagen teilweise auch noch hoch philosophisch ist.

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Jungfernfahrt im heißen Asphalt

Am 5.9. war das erste Konzert, auf dem Xavier und Savas vor Freunden, Presse und Kollegen eine Auswahl des neuen Albums vorstellten. Von einer groß angelegten Tour hat man noch nichts gehört, schön wäre es schon, aber erst einmal kann man ja fragen, wie denn der erste Auftritt mit dem neuen Material war.

Xavier: Wir haben bis auf „Wir beaten mehr“ nicht zusammen gespielt. Wir haben gestern auch gemerkt, als der Savas mich gefragt hat 'bleibst du da so stehen?' und ich 'ja, normal steh ich immer rechts aber irgendwie fühl ich mich als ob ich bei der Sache jetzt hier so links stehen bleibe' und Savas wusste nicht, ob das geht was er vorhat, weil er sagt, er muss immer rennen, er muss hin und her laufen, er läuft mehrere Kilometer auf so einem Konzert und dann hab ich gedacht 'muss ich jetzt auch wenn er die Bühne wechselt, wenn er auf die eine Seite kommt, muss ich dann auch immer los laufen auf die andere', das hätte mich ein bisschen raus gebracht und dann dachte ich 'fuck it, ich kann einfach stehen bleiben, er kann einfach so viel hin und her rennen, wie er will'. Aber das sind Sachen, wo man sich erst einmal denkt 'ja stimmt, da könnte man vielleicht so ein bisschen unstimmig zu dem ein oder anderen Problem sein', was dann natürlich nicht so war.

Ende gut alles, gut. Xavas – ein wenig ist es so als würden Grönemeyer und Westernhagen gemeinsame Sachen machen, zwei Künstler aus Welten, die nur oberflächlich gesehen unterschiedlich wie Tag und Nacht sind. Da darf man gespannt sein, was noch kommt, nach dem Bundesvision Song Contest ist alles offen…

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