In der Literatur, sagen Spötter, sei das Plagiat die häufigste Textform. Wobei das Klauen hier weniger aus einem ‚Copy & Paste' besteht, wie im Falle unbedarfter Studies, die sich ihre Examensarbeit ‚zusammengoogeln'. Unter Schriftstellern sind es meistens die literarischen Motive, die im Handumdrehen in der Wurst des anderen landen. Ein Beispiel:
Einer der berühmtesten Romananfänge stammt von Robert Musil. Der ‚Mann ohne Eigenschaften' beginnt so: ‚Über dem Atlantik befand sich ein barometrisches Minimum; es wanderte ostwärts, einem über Russland lagernden Maximum zu, und verriet noch nicht die Neigung, diesem nördlich auszuweichen. Die Isothermen und Isotheren taten ihre Schuldigkeit. Die Lufttemperatur stand in einem ordnungsgemäßen Verhältnis zu mittleren Jahrestemperatur …' usw. Das Geschehen unter uns Menschlein ist mit dem Wettergeschehen vergleichbar: es ist unbeeinflussbar, ‚von Strömungen getrieben', was geschieht, geschieht, und auch die ‚große Aktion', von der dieser Roman handelt (bzw. ‚handeln würde', wäre er jemals beendet worden), wird dies Geschehen keineswegs ‚gestalten' können.
Unter der Heerschar nachfolgender Romanciers finden wir Klaus Modick, ein bedeutender moderner Schriftsteller, immerhin Träger des Bettina-von-Arnim-Preises und des Nicolas-Born-Preises. Sein bekanntester, in einige Sprachen übersetzter Roman ‚Das Grau der Karolinen' aus dem Jahr 1986 beginnt so: ‚Eine blasenförmige Zelle, losgelöst vom notorischen Azorenhoch, war vor vierzehn Tagen über die Biskaya und Frankreich hinweggezogen, hatte bei dieser Wanderbewegung Pilzgestalt angenommen, sich schließlich über dem Frankfurter Raum festgesetzt und dort mit dem Festlandsmaximum über Polen und Westrussland Verbindung aufgenommen'.
Das barometrische Motiv ist in meinen etwas beleseneren Augen eindeutig ‚geklaut' – es dann noch, wie auch Musil, direkt an den Anfang des Romans zu stellen, das ist schon dreist. Vermutlich würde Modick sagen, dass er es gerade wegen dieser Augenfälligkeit so gemacht habe. Schließlich habe er das Motiv nur ‚zitiert' – und dabei immerhin eigene Worte gewählt. Ob nun ‚Zitat' oder ‚Plagiat' – diese Selbstbedienungsmentalität jedenfalls ist in der Literatur die Regel, nicht die Ausnahme. Damit müssen wir leben – und so etwas dürfen wir auch tun. Die weite Welt der Literatur und literarischen Verfahren steht uns Freibeutern des Web 2.0 offen, wir dürfen uns alles zusammenrauben, was uns gefällt. Wenn wir es uns ‚aneignen' und ‚anverwandeln', heißt das.
Anders aber ist es bei wörtlichen Zitaten. Überall dort, wo wir den großen Vorgängern mehr als ein Bild, ein Motiv oder ein Thema klauen, wo wir sie bis in den Wortlaut hinein nachahmen, da sollten wir aus Gründen des Anstands die Quelle kenntlich machen. Arthur Schopenhauer hat einmal gesagt, der Stil wäre die Kunst, ‚mit gewöhnlichen Wörtern ungewöhnliche Dinge zu sagen'. Wer sich mit diesen fremden Federn schmückt, und dazu noch mit denen solch ausgestorbener Riesenvögel wie des großen Greifen Schopenhauer, um sie dann im Web 2.0 als sein eigenes Gefieder auszugeben, der überschreitet eindeutig die Grenzen des guten Geschmacks.
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Zugegeben: Das Plagiieren ist eine Krankheit.
Hallo Leute,
helft mir mal mit dem „Raben“.
Von Wem stammt dieser Spruch: „Ich brauch es nicht, so sprach der Rabe, doch ist
es schön, wenn ich es habe“.
Bin mal gespannt auf die Anwort.
MfG Jens