Michael Hanekes „Die Rebellion“

Der in Österreich geborene, in Deutschland aufgewachsene und in Frankreich lebende Regisseur ist einem Großteil der filminteressierten Menschheit vermutlich bekannt durch seine (Kino-)Filme Code Unknown (2000), The Piano Teacher (2001) und Caché (2005). Haneke kann aber auch auf eine langjährige Arbeit am Theater und fürs Fernsehen zurückblicken. Die Retrospektive trägt den Titel A Cinema of Provocation. Wenn ich mich mit Leuten unterhalte, die ein oder zwei seiner bekanntesten Filme kennen, wie zum Beispiel den erst in diesem Jahr fertig gestellten Funny Games, höre ich das Wort „disturbing" sehr oft. Beunruhigend, aufwühlend – seine Filme klingen lange nach, lassen keine Ruhe, regen zu hitzigen Debatten an und definitv zu einem erneuten Ansehen. Daher betrachte ich den Titel als treffend und gelungen.

Gestern, nach der Vorführung seines Fernsehfilms „Die Rebellion" im Kinosaal des Museum of Fine Arts in Boston, blieb es eine ganze Weile ruhig. Haneke saß vorn, neben einer Übersetzerin, wartete auf Fragen, während die Zuschauer sich noch sammelten, aus der düsteren Stimmung auftauchten und nach Luft schnappten. „Die Rebellion" ist die Verfilmung eines weniger bekannten Romans von Joseph Roth. Darin geht es um Andreas Plum, einen Invaliden aus dem 1. Weltkrieg. Er hat ein Bein verloren, aber lässt sich davon nicht unterkriegen. Er ist zufrieden mit seinem Schicksal und lächelt selig, als eine Kommisssion ihm die Lizenz erteilt, Leierkasten zu spielen. Und am Anfang scheint sich auch alles zum Guten zu wenden, als ihm eine Witwe ihr Herz (und Haus) öffnet.

Ich kenne den Roman (noch) nicht, aber Musik und Gestus der Protagonisten, die Stimme des Erzählers und eine Vorahnung liessen mich das Schlimmste befürchten. Es kann ja nicht alles gut gehen, Plum wird in einen Streit verwickelt, gerät ohne Schuld ins Gefängnis. Sein Weg ins Unglück erinnerte mich sehr an Döblins Held in Alexanderplatz, vielleicht auch, weil es zur gleichen Zeit spielt. Der Film „Die Rebellion" bewegt, er gibt Anstoß zum Nachdenken. Plums Hadern mit Gott, die deutsche Bürokratie, stumpfsinnig, pünktlich und unmenschlich, es tut einfach nur weh, das mit anzusehen. Ich habe mich regelrecht gewunden in meinem bequemen Kinosessel. Die ganze Zeit denkt man als Zuschauer: Stop, so kann es nicht weitergehen, das Leben kann nicht so ungerecht und sinnlos sein. Denn am Ende, was hat Plum von seinem Leben gehabt? Ein paar Momente des Glücks schimmern durch seine Qual: die Liebe zu dem Kind der Witwe, die Zuneigung zu  seinem Esel, auch die Freude an der Arbeit als Leierkastenmann.  

Im Gespräch nach dem Film sagte Haneke übrigens: „Wenn ich einen Film fürs Fernsehen mache [ in diesem Fall bezieht er sich auf eine Literaturverfilmung], will ich den Zuschauer dazu bewegen, sich danach das Buch zu kaufen. Der Film kann nur einen Bruchteil des Werkes rüberbringen." Das hat er bei mir geschafftt. Joseph Roth „Die Rebellion" steht auf meinem Wunschzettel zu Weihnachten.

3 Meinungen

  1. Guter Film nach Deiner Beschreibung, „Die Rebellion“, werde ich mir merken,Annette Strauch vom Wales Blog.

  2. klappt das wirklich ;)??

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