Zürich 2

Meine liebste Geschichte ist die vom Wurstessen beim Druckermeister Froschauer, Zwinglis Verleger. Dort, in unmittelbarer Nähe zum Grossmünster, hatte man sich am Aschermittwoch 1522 getroffen und im Beisein Zwinglis ein grosses Wurstessen veranstaltet. Damit hatte man demonstrativ gegen die Fastenvorschriften verstossen und damit war auch der Bruch mit der katholischen Kirche vollzogen.
 
An den reformierten Kirchen in der Schweiz schätze ich vor allem die strenge Konzentration auf das Wort, also auf die Bibel und das Evangelium. Auch das kann man im Grossmünster besonders deutlich sehen. Der grosse Chor der ehemaligen Stiftskirche ist leer – bis auf das Chorgestühl. Es gibt keinen Altar und kein Kreuz und auch sonst nichts, was ablenken könnte. Es brennt nur eine einzige Kerze. Unterhalb des Chors, an zentraler Stelle, steht der Taufstein, der einen Holzdeckel hat und so auch als Tisch für das Abendmahl benutzt werden kann. Darauf liegt eine alte aufgeschlagene Bibel. Die Taufe, das Abendmahl und die heilige Schrift mitten in der Kirche. Auch die strenge reformierte Kirche arbeitet mit Symbolen.
 
Vom Chor Treppe hinunter in eine Andachtskapelle, die Apostelkapelle. Die ist reserviert für das stille Gebet und für die persönliche Andacht. Als ich da hineinkam, war ich allerdings ein wenig befremdet. Drei ältere Damen sassen im Lotussitz auf dem Boden – zumindest versuchsweise – und waren in ihre Meditation versunken. Mein Eintreten veranlasste die eine, mit ihrer Klangschale wieder die „spirituelle Ordnung“ herzustellen. Für mich und meine Andacht war allerdings kaum Platz in diesem Raum, so dass ich die Kapelle wieder verliess. Erst später fiel mir ein, dass ich mein Handy nicht ausgeschaltet hatte. Mir wurde klar, welcher spirituellen Katastrophe die drei Damen und ich entgangen waren.
 
Ich bin dann noch zur Limmat hinunter gegangen, dorthin, wo die Täufer Felix Manz und Konrad Grebel von den Zürichern ertränt worden waren – wegen Ketzerei. Die hatten nämlich behauptet, die Taufe sei kein Sakrament, mit dem Gott Heil schafft, sondern ein Bekenntnisakt. Man musste sich nach Auffassung der Täufer also noch einmal (wieder-) taufen lassen. Für die züricher Reformatoren war dies nicht hinnehmbar, denn dadurch wurde die Taufe wieder zu einem Werk, durch das die Menschen Gott von sich aus näher kommen konnten. In der Auseinandersetzung mit der katholischen Seite hatte man sich gerade dagegen zur Wehr gesetzt, dass Gute Werke vor Gott gerecht machen – und jetzt ging das auf dem linken Flügel der Reformation wieder los. Die Hinrichtungsart hatte man entsprechend ausgewählt.
 
Zwingli selbst ist auch gewaltsam ums Leben gekommen: Im zweiten Kappeler Krieg gegen die katholischen Kantone ist er 1531 als Feldprediger der züricher Truppen im Kampf getötet worden. Es gibt Darstellungen die ihn im Harnisch gerüstet zeigen. Als man seiner Leiche habhaft wurde, hat man ihn in Stücke gehauen, verbrannt und die Asche in alle Winde verstreut.
Viele grüsse aus Zürich

2 Meinungen

  1. Felix Manz stand u.a. gegen die Todesstrafe und den Kriegsdienst sowie gegen eine Zwangstaufe von unmündigen Säuglingen und hielt sich dabei näher an das Wort Jesu als Zwingli dies tat.Konrad Grebel plädierte auch gegen eine Säuglingszwangstaufe, für die Gewissensfreiheit und die Trennung von Kirche und Staat.(starb nicht durch Ertränken, sondern durch die Pest)Ja, bei solchen weltlichen Wünschen kann ich auch voll dahinterstehen. Ich wäre damals bestimmt ebenso von den eiskalten Gegnern geknebelt und ertränkt worden wie Manz. Diese Hinrichtungsart wurde gewählt, weil sie nur Frauen bestimmt war und man Felix Manz in seiner Männlichkeit dadurch noch mehr demütigen wollte. Vorher wäre ich noch von den grausamen Katholischen als ketzerische Hexe verbrannt worden. Garantiert!! Ist aber schließlich ganz egal, ob man von links oder von rechts gemeuchelt wird, Hauptsache die Ankläger und Henker sind so wahnsinnig fromme Menschen, die ihres Gottes Gebote vorbildlich einhalten…und sich gegenseitig zuhauf beseitigen, sobald ihnen eine Kleinigkeit nicht passt.Gut, dass sich so manches mit Hilfe der dringend notwendigen Aufklärung durchgesetzt hat und ich heute meine Meinung frei sagen darf.

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