Zuerst die Vergangenheit. Wir erinnern uns: eine Collage aus Spielfilmfetzen, Interviews und Archivmaterial über einen deutschen Dichterfürsten eroberte die Filmpreise, alle Welt tobte vor Begeisterung. Anscheinend störte es niemanden, dass der Zuschauer nicht in die Spielfilmhandlung eintauchen konnte, weil er ja permanent rausgerissen wurde (wieso sich dann noch über Werbung aufregen?) oder dass es geringfügig irritierend war, die Hauptfigur ständig in anderen Versionen zu sehen. Zu welchem Zeitpunkt was gerade spielte, konnte sich der Zuschauer nach Belieben aussuchen. Fazit: ein völlig unsinniges Format, aber von Kritikern mit Lob überschüttet.
Aber es blieb nicht bei dem einen Mal: das Dokudrama war geboren. Und da es einmal gut geklappt hatte, wurde es weiter verwendet und zwar für die komplette und eigentlich dringende Aufbereitung der jüngeren Geschichte: egal ob Treuhand, Nazis oder Atombombe, nichts durfte mehr rein dokumentarisch oder als mitreißender Spielfilm alleine gedreht werden. Zu früheren Jahren wurde hierzulande noch darüber gelacht, dass Cousteaus poetischer Film über das Meer, „Die schweigende Welt“, in Asien mit Pfeilen und Beschreibungen der Fische versehen wurde, weil dort niemand etwas mit rein poetischen Betrachtungen anfangen konnte, jetzt frönten wir selber dem zerstörerischen Stilmix.
Das Medienformat hatte seine Höhen und Tiefen: erstaunlicherweise gab es bewegende Umsetzungen (wie die Produktion über Hiroshima), Versionen, die an Dämlichkeit die Intelligenz des Zuschauers beleidigten (wie die Produktion über den Hooverdamm) und Dokudramen, die einen bedauernd seufzen ließen (wie „Speer und er“, was ein hervorragender Spielfilm hätte sein können).
Jetzt greift die zerfetzende Hand des Dokudramas in die Zukunft: die „Doku-Fiction“ ist geboren, mit gleichem Prinzip. Zukunftsorientierter Fernsehfilm wird durch dokumentarisch/ wissenschaftliche Sequenzen am Ausbruch von zuviel Spannung gehindert. Und das scheint nicht so gemeint zu sein, wie bei den sehr dokumentarorientierten „Blauen Palais“-Folgen von Rainer Erler, sonder eben eher wie bei „Die Manns“.
Erste Realisierung des neuen Genres: Das ZDF dreht mit Ziegler Film noch bis zum 07. August einen Dreiteiler „2030″ mit dem Themenhintergrund demographischer Wandel. 50 Schauspieler und 660 Statisten arbeiten in Berlin, Brandenburg und Südspanien, Bettina Zimmermann spielt die Hauptrolle. Das Thema an sich ist für mich schon ein rotes Tuch, weil es im Moment dem Zeitgeist folgend immer auf die selbe Art verarbeitet wird. Und dann noch als Dokudrama future-style? OK, ich werde mir den Film natürlich ansehen, wenn er erfreulicherweise gut gelingt, leiste ich hier öffentlich Abbitte. Aber bis dann hoffe ich, dass jemand überzeugendere Formate erfindet.
Oh shit! Einen Dreiteiler „2030″ mit dem Themenhintergrund demographischer Wandel. 50 Schauspieler laufen dann sicher mit graugefärbten Haaren in silbernen Overalls durch ihr vollautomatisiertes Altenhabitat. Dazu erhellendes Kommentargut von J. Blubbellath aus dem Off geschwafelt, dazu die „brandneue“ Grafik von der kopfgedrehten Alterspyramideach und ein japanischer Pflegerobot…..ach da freue ich mich drauf!