Wird das Gehirn zur Festplatte?

Wie funktioniert die Langfrist-Speicherung im Gehirn, sozusagen die Festplatte? Durch permanente Verstärkung der Verbindungen zwischen den Neuronen! Also liegt doch der Gedanke nahe, das Speichersystem zu steuern, in dem man die Verstärkung abschaltet, wenn der Langfristinhalt gelöscht werden soll.

Diesen Mechanismus haben Forscher am SUNY Downstate Medical Center nun entwirrt und damit den Weg für entsprechende zukünftige Anwendungen freigemacht. Das Enzym „Protein Kinase M zeta" bewirkt die Langzeitspeicherung von Gedächtnisinhalten durch die beständige Verstärkung der synaptischen Verbindungen. Indem sie dieses Molekül hemmen, können sie die Erinnerung löschen und die mentale Festplatte wieder beschreibbar machen.

Erste Anwendungen im Bereich der Traumabehandlung oder bei Phantomschmerzen klingen menschenfreundlich. Die erschreckten Aufschreie über Missbrauch dieser Technik kann ich mir nicht desto trotz gut vorstellen: Gehirnwäsche leicht gemacht, egal ob aus politischen Gründen oder bei Opfern von Verbrechen. Oder grundsätzlicher: Was ist das Gedächtnis an die Vergangenheit und die darin verborgene Wahrheit wert, wenn das permanent umzuschreiben ist?

Schon wahr, nur stößt uns das vielleicht nachhaltig auf eine unangenehme Einsicht, die Gehirnforscher uns schon eine Weile erzählen: wir basteln unsere Erinnerung auch so ständig um. Bei jedem Abruf wird der ursprüngliche Inhalt verändert. Nicht, was tatsächlich geschehen ist, wird erinnert, sondern was uns gerade in der aktuellen Situation an der Erinnerung erinnernswert erscheint. Haben wir diese unsere virtuelle Natur erst einmal verstanden, stehen wir vielleicht auch der Technik neugieriger gegenüber.

Außerdem: wenn wir demnächst extrem langlebig werden, könnte es eine Notwendigkeit werden, gelegentlich einmal das eine oder andere zu löschen. Sie gehen ja auch nicht in New York mit dem Stadtplan von 1871 spazieren.

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