Anwaltskanzleien werben um die Mandate von Geschädigten im Fernsehen. Werberechtlich bewegen sich die Anwälte damit auf dünnem Eis.
TV-Spots im Privatfernsehen
Zielgruppe der in Privatsendern laufenden Werbespots sind Kunden des VW-Konzerns, die einen Pkw mit manipulierter Abgassoftware gekauft haben, die vor drei Jahren den Dieselskandal auslöste. Allein in der Bundesrepublik sind das fast drei Millionen Menschen. Die Spots sollen sie zur Teilnahme an Musterfeststellungsklagen bewegen, die ab November zulässig sind. VW musste im September 2015 einräumen, dass Abgaswerte mit einer illegalen Abschalteinrichtung für Prüfstände manipuliert wurden.
Die Art, wie die Anwaltskanzleien für diese potenziellen neuen Mandanten werben, ist für diesen Berufsstand recht ungewöhnlich: Mitten zwischen Fernsehwerbung für ein Online-Casino, Sparportale und Onlineshops fordern sie ihre Zielgruppe unter den TV-Zuschauern auf, sich auf einer bestimmten Webseite in Bezug auf den Dieselskandal über ihre Rechte aufklären zu lassen. Darüber hinaus empfiehlt die Website aber auch die Kontaktdaten der Anwaltskanzleien, die hinter der TV-Kampagne stecken.
Rechtsanwälte dürfen nur eingeschränkt werben
Diese Art anlassbezogener Anwaltswerbung ist ungewöhnlich – und gewagt. Anwälte unterstehen Standesregeln, und diese sind bei Werbung sehr eng gesteckt. Laut Paragraph 43b der Bundesrechtsanwaltsordnung darf ein Anwalt für seine Dienste nur werben, wenn er über seine berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und die Werbemaßnahme nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Damit sollen werbliche Anwaltsauftritte in den Medien vermieden werden, die auf billigem Niveau daherkommen oder überheblich sind.
Diese strengen Regeln versuchen die beiden Kanzleien zu umgehen, indem der Spot lediglich auf die Website verweist, die auf die tatsächlich drohende Verjährung zum Jahresende sowie über die Ansprüche Geschädigter Pkw-Käufer informiert.
Ist der potenzielle Mandant erst mal auf der Seite angekommen, kommt folgender Response-Mechanismus zum Tragen: Geschädigte fragen sich natürlich, welche Kanzleien für ihr potenzielles Mandat geeignet sind – die Initiatoren der TV-Kampagne empfehlen sich dann unten auf der Website selbst.
Gleich mehrere Kanzleien buhlen um Geschädigte
Laut Aussage einer der Kanzleigründer geht es den Anwälten primär darum, VW dazu zu bringen, schnellstmöglich eine Hardware-Nachrüstung für seine Kunden zu realisieren – und auch die Kosten dafür zu übernehmen. Gerade vor dem Hintergrund imposanter Verkaufszahlen und Gewinnen in Milliardenhöhe sei es nicht hinzunehmen, dass sich der Konzern weigert – und vielleicht sogar darauf spekuliert, dass am Ende der Steuerzahler für die Kosten der Nachrüstung mit aufkommen muss.
Dabei sind die Anwalts-Initiatoren der TV-Spots nicht die einzigen, die die potenzielle Klientel geschädigter VW-Kunden im Visier haben – wer „Dieselskandal“ googelt, erhält Online-Angebote, die oft ganz ähnlich funktionieren.
Bildquelle: Pixabay, 932734, tookapic
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