Es ist wohl nur ein Gerücht – ein abzuschaffendes Vorurteil? – dass die Deutschen das bürokratischste Völkchen sind. Das wird wohl niemand mehr behaupten, der einen Visumsantrag für die USA ausfüllen musste. Seit den Anschlägen auf das World Trade Center im September 2001 wurden die Bestimmungen noch verschärft. Zum Beispiel muss jetzt jeder Antragsteller persönlich im Konsulat vorsprechen, wird sozusagen auf Tuchfühlung abgecheckt. Ich hatte mir doch tatsächlich vorgestellt, mit dem Konsul persönlich sprechen zu müssen und mir der Form halber noch eine ordentliche Bluse übergeworfen. Doch weit gefehlt! Den Konsul bekam ich nicht zu Gesicht, dafür viele Beamte hinter Schaltern aus vermutlich kugelsicherem und panzerfestem Glas. Aber der Reihe nach (und ein bisschen ausführlicher, im Falle ein paar Leser dieses Eintrages tragen sich mit dem Gedanken, in Amerika zu studieren oder zu arbeiten).
Als ich 2002 in die Staaten ging, wurde mein Visumantrag noch per Post angenommen und wieder zurückgeschickt, inklusive Pass – dazu später. Im Jahr danach fingen die verschärften Sicherheitsvorkehrungen an, die ich in nun am eigenen Leib erfahren durfte. Zum Beispiel wird ein Beweis dafür verlangt, dass man nach Ablauf der Studienzeit in den USA wieder zurück nach Deutschland geht. Eine Möglichkeit besteht darin nachzuweisen, dass man ein Haus besitzt oder sonstige wertvolle Güter, die eine Rückkehr erfordern. Da das bei mir nicht der Fall war, blieb mir nur eine Lösung übrig: ich habe meinen Hauptwohnsitz bei meinen Eltern belassen um zu versichern, dass ich aus familiären Gründen wieder heimfliegen will nach Abschluss meiner Studien.
Zunehmend wird der Papierkram und sämtliche Vorbereitungen für Visaanträge im Internet abgehandelt, sicher um den Beamten in der Clayallee Arbeit abzunehmen. Das auszufüllende Formular ist im Internet zu finden, die Terminvereinbarung zum Interview ist dort abzumachen (Online Visa Informationsservice, kostenpflichtig). Auf der Website kann man sich auch darüber informieren, welches Konsulat für einen zuständig ist (hängt vom Wohnort ab) und mit welchen Wartezeiten zu rechnen ist (bis zu 2 Wochen). Wer den Termin lieber persönlich ausmachen will, kann eine Telefonnummer benutzen, die pro Minute 1,86 Euro kostet. Diese funktioniert nur von Deutschland aus, ich konnte also von Boston aus telefonisch keinen Termin vereinbaren.
Es dauert Stunden, bis alles gelesen, genauestens befolgt und ausgefüllt werden kann. Das Passfoto darf höchstens 6 Monate alt sein und muss bestimmte Maße haben (5 x 5 cm). Ein Beispiel für die Detailfreudigkeit der Amerikaner: Ich bin in Deutschland zu einem Fotografen gegangen, habe Passbilder verlangt und diese dann im Konsulat vorgelegt. Da wurde mir entgegnet, dass es so nicht angenommen werden könne, weil ich meinen Kopf leicht schräg halte (wie vom Fotografen angewiesen!) und sie aber eins haben wollen mit frontal Blick. Aber keine Sorge, im Konsulat befindet sich ein Automat, mit dem man die gewünschten Fotos noch nachmachen kann.
Das Visum selbst kostet Geld, meines 84 Euro um genau zu sein. Diese müssen online überwiesen werden und die ausgedruckte Zahlungsbestätigung zum Interviewtermin mitgebracht werden. Also am Ende hatte ich einen ganzen Stapel Paiere vorzuweisen plus einen Briefumschlag, in dem der Pass – hoffentlich mit Visum – wieder zurückgeschickt wird. Und jetzt kommts: das geht nicht mit Einschreiben! Das heißt, der Post vertrauen oder untergehen!
Nach all dem Gemecker zum Abschluss noch was Positives: der Termin selbst verlief reibungslos. Nach einer Sicherheitskontrolle wie auf dem Flughafen, durfte ich das Gebäude in der Clayallee betreten (ohne Handy, Rucksack usw.). Dort sieht sich ein Beamter gleich alle Formulare an und stellt fest, ob was fehlt oder nicht. Der Warteraum ist gut gefüllt, man sollte mit Wartezeiten zwischen zwei und drei Stunden rechnen. Die Mitarbeiter dort sind so freundlich, so dass die ganze Anspannung nachlässt. Ab und zu werden sogar Witze gemacht, man kommt leicht ins Gespräch, tauscht sich aus. Die penible Vorbereitung hat sich gelohnt. Einen Tag später wird der Pass in den Briefkasten geworfen. Vielleicht hat sich ein Konsulatmitarbeiter meinen ständigen Wohnsitz zur Sicherheit angesehen – die Briefmarke ist nämlich nicht abgestempelt …
Homepage: http://german.germany.usembassy.gov/
Speziell zu Visas in die USA: http://german.germany.usembassy.gov/germany-ger/visa/index.html
Angaben zu Passfoto: http://german.germany.usembassy.gov/germany-ger/visa/foto.html
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