Am Ende waren sie alle begeister von ihm. Es hatte schon eine gewisse Besonderheit als am vergangenen Sonntag die Parteispitzen von Union, FDP, SPD und Grünen zur gemeinsamen Pressekonferenz luden um ihren Kandidaten für das höchste Amt im Staate in seinem Beisein zu loben und für die Wahl zu Nominieren.
Joachim Gauck als Merkels Kandidat zu sehen wäre zwar irrwitzig, doch zweifelsohne hält selbst die Bundeskanzlerin ihn für eine äußerst interessante Persönlichkeit. Lob gab es jedenfalls aus nahezu allen Reihen genug.
Warum eigentlich?
Joachim Gauck: der „überparteiliche“
Joachim Gauck mit einem Wort zuzuordnen ist unmöglich. Er sei sehr liberal, habe teilweise linke Ansichten, ihm liegen die grünen Gedanken am Herzen, er setze sich sehr für soziale Gerechtigkeit ein, er ist aus dem Osten und obendrein Protestant, so hört man es aus den Medien, wenn man versucht Gauck zu kathegorisieren. Das ist ebenso unmöglich wie unnötig. Denn Joachim Gauck ist einfach er selbst, Joachim Gauck, wie er bei seiner ersten Kandidatur darlegte, er sei weder grün noch rot noch gelb noch schwarz. Das Prädikat „überparteilich“ hat er sich allein dadurch verdient, dass er sich nicht in eine Richtung drängen lassen möchte. Er sei der gesuchte „Konsenskandidat“ so die Kanzlerin bei seiner Präsentation, was man ihr jedoch schwerrlich glauben kann, nach ihrem anfänglichem beharrlichem Weigern Gauck auch nur in Erwägung zu ziehen. Doch nun gibt es einen Konsens, fast alle Parteien loben Gauck im Vorraus, mit Ausnahme der Linkspartei, der deutlich Mehrheit der Deutschen wünscht sich ihn als Präsident. Doch wer ist Joachim Gauck eigentlich und wofür steht er?
Eine bewegte Biografie und ein noch bunteres Profil
Unser künftiges Staatsoberhaupt hat ohne Frage eine bewegte Biografie. Als evangelischer Pastor in der DDR und als ostdeutscher Freiheitskämpfer hat er sich ohne Frage für die deutsch-deutsche Sache verdient gemacht. Nach wie vor ist das in der DDR untersagte freiheitliche Denken eines seiner Hauptanliegen, viele möchten ihm die Freiheit als eine Art Label aufdrucken, als ob das nötig sei. Ohne Frage hat sein Freiheitsstreben dazu geführt, dass er die FDP für sich gewinnen konnte und damit auch die Kanzlerin, die Umstände sind bekannt. Auch nach der Wende war Gauck voll und ganz mit der DDR beschäftigt. Als Chef der Stasiunterlagenbehörde kämpfte er aktiv gegen das Vergessen. 40 Jahre Dikatur aufzuarbeiten ist natürlich quasi unmöglich, doch Gauck versucht einer breiten Öffentlichkeit den Irrsinn des ehemaligen sozialistischen Systems klarzumachen. Für die Linkspartei ist er deswegen scheinbar immernoch unwählbar. Die Partei hat damit aber auch die Chance verpasst sich endgültig von der DDR und der SED abzugrenzen. Ohne Frage ist Gauck als Pastor jemand der für christliche Werte steht. Ebenso wie die Kanzlerin ist er ostdeutsch und evangelisch, was bei nicht allen CDU und vorallem CSU-Mitgliedern für Begeisterungsstürme gesorgt haben dürfte. Dass zwei ostdeutsche Personen bald an der Spitze des Staates stehen, ist im Kontext der Wiedervereinigung schon mehr als erstaunlich. Auch die Grüne Partei ist voll des Lobes für den Bundespräsidenten in spe, er genießt bei ihren Anhängern die größte Zustimmung, verglichen mit den anderen Parteien. Das ist schon erstaunlich, wo Gauck doch auch oft als christlich und konservativ beschrieben wird. Man merkt dieser Mann hat ein ganz eigenes Profil, er ist eben einfach Joachim Gauck.
Die Kritik an Gauck
Doch auch Gauck ist nicht frei von Kritik. Seine Aussagen über einen „mutigen“ Thilo Sarrazin haben den ein oder anderen bestimmt irritiert. Auch sein tendezielles Ja zum Afghanistan-Krieg stößt bei eher linken Mitmenschen auf Unverständnis. Genausowenig wie Gauck alle in manchen Punkten mitnehmen kann, so stößt er auch bei jeden auf Kritik. Etwas anderes ist schlichtweg nicht möglich. Vermutlich wird er auch den ein oder anderen in seiner Präsidentschaft enttäuschen. Er kann schlichtweg nicht jedem gerecht werden, der in ein paar Wochen wählen wird. Dafür sind seine Wähler zu unterschiedlich.
Viel spekuliert wird dieser Tage ja auch über seine Themen, die er als Präsident möglicherweise ansprechen wird oder nicht. Den deutschen scheint es scheinbar sehr wichtig zu sein mit einem Bundespräsidenten ein ganz bestimmtes Thema zu verbinden. Selbst Christian Wulff hat man, wohlgemerkt mit dessen Mithilfe, noch versucht die Intergrationspolitik als großes Thema anzuhängen. Ob es das bei Gauck überhaupt geben kann? Vielleicht sollte man ihn gar nicht ständig mit einem Thema in Verbindung bringen?
Der nächste Bundespräsident wird auch ohne die aktuellen Diskussionen seinen Weg gehen. Er wird auf Geschehnisse in der Gesellschaft eingehen, wird kluge Dinge sagen, sich an das Volk wenden, wenn er es für nötig hält. Aber wenn man in 100 Jahren nach Gaucks politischen Profil fragen wird, wird man mutmaßlich als Antwort bekommen, er etwas ganz eigenes, er war einfach er selbst, Joachim Gauck.
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Bei aller kritischen Hinterfragung: Wie da wieder lose aus dem Kontext gerissene Zitate für Irritation gesorgt haben, war echt lächerlich.