Novalis nannte das Opium eine "Art von Universal-Medicin", und sein Briefpartner Friedrich Schlegel raisonniert darüber, dass er besser ein wenig "mehr Opium [hätte] nehmen sollen", dann wäre sein ‚Alarcos‘ ein wahrhaft antikes Trauerspiel geworden. In Deutschland schrieben vor allem die Romantiker im Mohnwahn, später stürzten sie sich kopfüber in den Katholizismus. Ihre Erweckungsgeschichten wiederum sind ohne Opium gar nicht denkbar: Die Gebrüder August Wilhelm Schlegel und Friedrich Schlegel liebten diese Tinktur, der schwindsüchtige Novalis genoss es am Ende nahezu täglich, aber auch romantische Hofphilosophen wie Schelling und Fichte sollen mit Hilfe dieses Alkaloids die enge Pforte von der logischen Vernunft zu den esoterischen Polit-Legenden eines ‚vernünftigen Gottesgnadentums‘ gefunden haben (lt. Marbacher Magazin 72/1995). Manchmal fanden ‚unter Einfluss‘ zunächst Ausflüge ins ‚Indische‘ statt, wie bei den Gebrüdern Schlegel. Auch das folgt ja nur dem gewohnten Hippieschema, erst kommt Goa, später die ’strenge Observanz‘ …
In England schlug das spirituelle Mohndestillat wie eine Bombe unter den jungen Intellektuellen ein: Samuel Taylor Coleridge schreibt nicht nur ‚wie‘ im Rausch, er war es oft auch, ebenso John Keats, Percy B. Shelley (der allerdings als ‚romantischer Atheist‘) und Thomas de Quincey. Seltsamerweise kehrt die Droge mitsamt ihrer Motivik Ende des 19. Jahrhunderts zurück, als bestimmte Bildwelten, gewandet jetzt als ‚Neo-Romantik‘, ihre Renaissance erleben. Wieder hüllt sich die literarische Szenerie in katholisch-langgestreckte Ephebengewänder und in die Knappen- und Kardinalskostüme aus dem ‚Jugendstil‘, was aber jetzt oft nur noch Staffage ist, purer Ästhetizismus, l’art pour l’art: Bei Oscar Wilde zum Beispiel, bei Joris Karl Huysmans, bei Charles Baudelaire oder auch bei einem Georg Trakl, der wohl nur in einem Absurdistan wie Wien jemals ‚Militärmedikamentenbeamter‘ werden konnte, was schließlich bedeutete, den Bock zum Gärtner zu machen – bzw. einen Junkie zum Drogenberater. Seine mythischen Marienapologien ‚Expressionismus‘ zu nennen, konnte nur einem Literaturwissenschaftler einfallen: "Tief ist der Schlummer in dunklen Giften, erfüllt von Sternen und dem weißen Antlitz der Mutter, dem steinernen. Bitter ist der Tod, die Kost des Schuldbeladenen … süßer Gespiele nahte ihm ein rosiger Engel, daß er, ein sanftes Lamm, zur Nacht hinschlummerte; und er sah das Sternenlicht der Reinheit" (‚Sebastian im Traum‘). Drogenschlummer, tiefe Nacht, mütterliches Marienbild, armer Sünder, Todessehnsucht, rettender Engel, sanfte Unschuld, Erlösung, leuchtendes Himmelreich – das ganze katholische Requisitorium ist hier aufs Schönste versammelt.
Offenbar – darauf will mein Text hinaus – gibt es ebenso seltsame wie verborgene Zusammenhänge zwischen Religion, Drogen und Schreibweise, zwischen literarischen Motiven und halluzinogenen Moden. Nur das Ecstasy scheint mir in literarischer Hinsicht bisher denkbar impotent zu sein – und welche Drogen ein Herr Pofalla bevorzugt, ist mir auch noch nicht recht klar …
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Die Drogen des Herrn Pofalla? „Angies Dust „vielleicht…
Kann man so nicht stehen lassen. Weder Opiate, noch Opioide haben eine halluzinogene Wirkung. Mag sein, das in der Hinsicht demnächst irgendwelche RCs entwickelt werden, aber wen würde sowas schon interessieren?