Nehmen wir als Beispiel einfach den Daimler, weil das Bremer Werk von dem Platz, wo ich hier tippe, nur 500 m Luftlinie entfernt liegt. Bekanntlich hatte der Jürgen Schrempp mit dem Nobelautobauer große Pläne: ein ‚Weltkonzern‘ sollte aus dem schwäbischen Traditionsunternehmen werden, ein ‚Global Player‘ in der ersten Liga, der auch noch jede Menge ‚Synergien‘ erzeugt. Ein strahlender Held der Weltwirtschaft also. Das waren also die ‚Wants‘ dieser firmenzentrierten Erzählung.
Also ging das Management shoppen, um überhaupt mit irgendwem die erwünschten Synergien austauschen zu können: Chrysler kam hinzu, Mitsubishi, und dann noch jede Menge Allotria drumherum: Flugzeugbau, Raumfahrt, Logistik, Dienstleistungen usw. Eine klassische Romankonstellation: Der Held vergaloppiert sich heillos, verprasst das elterliche Vermögen – und denkt dabei auch noch, dass er jetzt jemand ganz anderes und wichtigeres wäre. Daimler nannte sich DaimlerChrysler …
So weit, so gut: Dann kam die Katharsis, das reinigende Gewitter – mit dem Markt als zürnendem ‚deus ex machina‘. Alles, was die Planer sich gedacht hatten, das haute nämlich nicht hin. Der böse Zauberer Jürgen Schrempp musste gehen, die Halteseile zu den falschen Freunden absaufenden Tochterunternehmen wurden gekappt, und der Held erfuhr jetzt erst, was seine eigentlichen ‚Needs‘ seien: Die ‚Rückbesinnung auf die Kernkompetenzen‘ stand plötzlich auf der Agenda, es würden zukünftig Nobelautos gebaut und sonst gar nichts. Der Held hatte Bescheidenheit gelernt und war gesundet. Eigentlich hätte er auch gleich zu Hause bleiben können. Die Geschichte schließt also mit einer wahrhaft schwäbischen Moral: Bleibe daheim und nähre dich redlich.
So dramaturgisch beschrieben wird es allerdings auch zur Romanhandlung, zum ‚Plot‚ wie die Schreiber sagen. Wichtig daran für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit ist, dass auch Jubiläumsbroschüren, Festschriften, Unternehmensgeschichten usw. nur gelesen werden, wenn ihnen ein solcher Plot zugrunde liegt, der überhaupt erst das Interesse weckt. Auch diese Medien brauchen eine erzählerische Dramaturgie, die den ‚Helden‘ über Umwege ans Ziel führt und auch kritische Momente nicht verschweigt. Die üblichen Jubelperser-Texte aus dem Genre der Firmenlyrik jedenfalls verfehlen zumeist ihren Zweck, weil sie keinerlei Konflikte und Überraschungen enthalten: "Im Jahre 1880 hatte der Firmengründer Willi Wichtig die Vision eines florierenden Kosmetikkonzerns und an dieser Vision halten wir auch als börsennotiertes Unternehmen heute noch fest". Nee – wat spannend!
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