Monsun in Deutschland

Es ist ein besonderes Wagnis, wenn man in diesem Sommer Freizeitaktivitäten plant, die sich nicht in Turnhallen oder x-beliebigen Wellness-Zonen abspielen. Am besten also etwas machen, wobei man mit Sicherheit nass werden kann und das vielleicht auch mal nicht vom Regen. Das ist einfach mal etwas anderes.

Wir machten uns auf den Weg nach Brandenburg. Wir bauten Zelte auf. Wir setzten uns in unsere Paddelboote und fuhren los – die Sonne schien. Na, geht doch! Aber dann verpassten sechs von uns die Ausfahrt Richtung Zeltplatz und fuhren weiter auf den See. Da öffnete der Himmel seine Schleusen. Von outdoor-Spezialisten großspurig angepriesene Regenjacken versagten innerhalb weniger Minuten ihren Dienst. Wasser rann zwischen Schulterblättern die Rücken hinab und durchtränkte T-Shirts und Hosen. Es wehte. Es hörte überhaupt nicht mehr auf. Der Zeltplatz war auch weg. Also musste einer aussteigen und sich in einer schütteren Datsche erklären lassen, wo es lang geht. Klar war: wieder zurück! Wir trafen die anderen wieder. Sie hockten in ihrem Kanadier und schöpften mit leeren Bierflaschen das zentimeterhohe Fußbad aus ihrem Gefährt. Soweit zum Start.

Am nächsten Tag wurden wir für diese Strapazen mit Sonnenschein belohnt. Es ging durch Kanäle, vorbei an angeberischen Yachten und doofen Motorbooten. Das Wasser war still, leise wurde es von den Booten geteilt, leise plätschernde kleine Bugwellen spritzten auf das Boot, ein Haubentaucher kam mit frisch erjagtem Mitagessen aus der Tiefe des Sees wieder hoch. Entenküken flitzten über die Wasseroberfläche. Am Himmel Kraniche. 

Herausforderung Schleuse: wie verhindern wir einen Schadstoff-boost, wenn wir dicht hinter einem Touristendampfer stehen? Gar nicht. Einer muss dran glauben. Der Motor wurde angelassen und eine dicke schwarze Schwade kam herausgepufft – das Mitführen von Wattestäbchen zur Reinigung von Nasenlöchern ist daher dringendst anzuraten.

Die Reise musste jedoch einen Tag früher als geplant abgebrochen werden. Denn den Tag darauf gerieten wir wieder in einen Regenguss, der seinesgleichen suchte. Wenn Sie durch einen kleinen Seitenarm paddeln, in dem es wirkt wie im Dschungel, mit bemoosten Baumstümpfen und dichtem grünen Blattwerk über Ihrem Kopf und durch genau dieses Dickicht kommt der Regen mit einer Kraft, der Ihnen Ruckzuck alles durchnässt, was Sie am Leibe tragen:            wollen Sie dann wirklich genau wissen, was Sie direkt auf dem See ohne Dickicht über dem Kopf erwartet? Ich würde sagen: nein. Aber da müssen Sie durch. Mitten rein.

Gespenstisch heben sich die Paddel durch den Nebel millionenfacher Regenfäden. Die Wasseroberfläche runzelt pockennarbig die Stirn. Im Kanadier rudern nur noch zwei, die dritte Person schöpft mittels einer Tasse "die Wanne" – nun ja, eben nicht leer. An Land Erstaunen: ein vollgelaufener Packsack enthält zwei überdimensional aufgequollene Riesenbrötchen. Der Aggregatzustand der Auflage ist undefinierbar. Durchnässt und zähneklappernd trotten wir zurück zum Zeltplatz. Feuerwehren kreuzen die Straße, auf zu neuen vollen Kellern. Verzweifelte Anwohner wringen im Vorgarten ihre Puschen aus.

Nasse Zelte. Nasse Schlafsäcke. Nasse Hosen. Nasse Kekse. Nasse T-Shirts. Aus Halbschuhen quillt mit einem satten "quörtsch!" eine bräunliche Lorke hervor. Der Boden ist matschig, üble Stürze drohen. Wie es sich für ein aufeinander eingespieltes Team gehört, ist das Areal im Nu von feuchter Kunstfaser nebst Gestänge bereinigt, nasses Schlafzubehör beginnt den sanften Gärungsprozess in großen Müllsäcken. Als Beweis, daß niemand abgegluckert ist, gibt es ein Gruppenfoto, auf dem alle ihre letzte Kollektion halbtrockener Sommergarderobe präsentieren. Dann geht es zurück nach Hause. Bis jetzt hat es noch nicht geregnet.

2 Meinungen

  1. Genauso war es, einfach klasse! Immer wieder!

  2. die haben wahrscheinlich damit gerechnet, dass mehr Leute ihre Kinder einfrieren (in Stücken) oder die Population der Winzlinge aufgrund vielfältiger Terroranschläge reduziert wird

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