Ausgrenzung und Beleidigung
Im Bankenviertel von London sei Mobbing gang und gäbe, heißt es. Ob das Urteil gegen die Deutsche Bank Group Services an dieser Unternehmensunkultur etwas ändert, darf gespannt beobachtet werden. Dann hätte das Urteil, das die ehemalige Sekretärin Helen Green erstritten hat, tatsächlich bahnbrechenden Chrakter. Das Gericht hielt es für erwiesen, dass die heute 36-Jährige, die zwischen 1997 und 2003 bei der Tochtergesellschaft der Deutschen Bank beschäftigt war, von ihren Kollegen vorsätzlich ausgegrenzt und beleidigt wurde. So warfen die Mobber, vier Frauen und ein Mann, Helen Green vor, sie stinke. Wenn sie ihre Kollegen ansprach, reagierten diese nicht, sondern behandelten sie wie Luft. Wenn die Angestellte das Büro verließ, musste sie grundsätzlich ihre Unterlagen und Utensilien wegschließen, damit sie nicht entwendet wurden. Die schikanierte Bankangestellte erlitt zwei Nervenzusammenbrüche. Das war für das Gericht Grund genug, eine stattliche Summe Schadenersatz zuzusprechen. Die Bank will das Urteil respektieren, was auch immer das heißen mag. Denn gleichzeitig ließ die Bank offen, ob man gegen das Urteil Berufung einlegen werde.
Pupsgeräusche im Lehrerstuhl
Die Wahl der Mobbingmethode ist für Helen Green "vergleichweise glimpflich" ausgegangen. Die Lehrerin Sue Storer führt derzeit Klage beim Arbeitsgericht Bristol gegen ihre ehemalige Schule, weil sie angeblich das Opfer eines ganz besonderen Mobbings geworden sein soll. Die "Times" berichtet, dass die frührere stellvertretende Schulleiterin einen Lehrerstuhl von Kollegen untergeschoben bekommen haben soll, der ständig Pups-Geräusche verursachte. Sie sei gezwungen worden, auf einem präparierten Stuhl zu sitzen, der sie permanent gegenüber ihren Schülern in Verlegenheit gebracht habe.
Alle ihre Eingaben, eine neue Sitzgelegenheit gestellt zu beommen, seien jedoch abgelehnt worden. Die beiden anderen stellvertretenden Schulleiter seien dagegen mit neuen Stühlen bedacht worden. Entnervt hat sie schließlich nach 26 Jahren Schuldienst ihre Stelle aufgegeben. Insgesamt will Storer eine Summe von einer Million Pfund (knapp 1,45 Millionen Euro) erstreiten.
Abführmittel im Mettwurstbrötchen
Deutlich übler erging es einer Krankenschwester aus Frankfurt. Ein 24-jähriger Krankenpfleger schikanierte sein Opfer u.a. mit Abführmitteln. Er hatte der Frau zwei starke Abführtabletten in ein Mettwurstbrötchen gesteckt.
Nach Ansicht des Gerichts erfüllt diese Mobbingattacke den Tatbestand der Körperverletzung. Es verurteilte den Pfleger im Strafprozess zu einer Geldstrafe. Der Mann muss 1250 Euro zahlen.
Das Opfer hatte das Brötchen arglos gegessen, ohne die Abführtabletten zu bemerken, und danach über starke Darmkrämpfe und Durchfall geklagt. Dem mobbenden «Kollegen» ging die Kreativität bei der Wahl seiner Mittel zur Drangsalierung der Krankenschwester nicht aus. Er setzte noch eins drauf und präparierte das Mundstück einer Limonadenflasche mit einem Betäubungsmittel. Die Lippen des Opfers wurden daraufhin vorübergehend taub. In welcher Höhe der Täter dem Opfer Schadensersatz und Schmerzensgeld für die erlittenen körperlichen Peinigungen zahlen muss, ist vom Zivilgericht zu klären. Sicherlich wird die Summe nicht erreicht, die Helen Green erstritten hat. Deutsche Gerichte sind zumindest in puncto Schmerzensgeld noch sehr zurückhaltend. Wenn man bedenkt, dass nach einem ärztlichen Kunstfehler, der eine lebenslange Pflegebedürftigkeit auslöst, derzeit 300.000 € Schmerzensgeld für angemessen erachtet werden, müssen sich Mobbing-Opfer auf ein Trinkgeld einrichten. Allerdings ist zu bemerken, dass insbesondere die Arbeitsgerichte bei Mobbing inzwischen hart durchgreifen.
Urteil gegen rabiaten Personalleiter, der mit Prügel drohte
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen hat einen Personalleiter zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt und ging dabei sogar über den Klageantrag des Opfers hinaus. Das war von einem Kollegen in die Arbeitsunfähigkeit geprügelt worden. Daraufhin behelligte der Personalleiter das Opfer mehrfach telefonisch und beschimpfte es als "Simulant". Überdies drohte er dem Arbeitnehmer mit körperlicher Gewalt, falls er nicht unverzüglich die Arbeit wieder aufnehme. Der Arbeitnehmer kündigte fristlos. Erst neun Monate später fand er wieder einen Job. Das Mobbing-Opfer verklagte seinen ehemaligen Vorgesetzten auf Zahlung der Differenz zwischen seiner früheren Bruttovergütung und dem bezogenen Arbeitslosengeld als Schadensersatz. Das LAG (Az. 7 Sa 520/05) verurteilte den Mobber sogar zur vollen Zahlung der entgangenen Vergütung.
Es ist zu wünschen, dass neben den strafrechtlichen Sanktionen auch die zivilrechtlichen Folgen für den "Mobber" härter werden, um abschreckend zu wirken. Zudem bleibt zu hoffen, dass die Opfer den Mut aufbringen, Mobbingattacken, ohne zu zögern, zur Anzeige zu bringen. Die Unternehmen sind aufgerufen, eine Umgangskultur zu pflegen, die "Mobber" mobbt, besser noch: stoppt.
Mobbing ist oft von Seiten der Opfer nur schwer nachweisbar und im Einzelfall für Aussenstehende leider weniger tragisch denn lächerlich: Einer Schulleiterin, die offensichtlich nicht auf die Idee kommt, sich selbst einen anderen Stuhl zu besorgen, statt dessen aber hinwirft und bemerkenswerte Geldforderungen stellt, würde ich meine Kinder tatsächlich nicht gerne anvertrauen. Die Tücke liegt sicher in der verkürzten Darstellung der Geschehenisse; eine objektive Beurteilung scheint mir kaum möglich (zumal hier eben nicht die berufliche Qualifikation des Mobbingopfers auf dem Prüfstand steht). Genau dies ist jedoch die Aufgabe der Richter, in deren Haut ich nicht stecken möchte. Gleichwohl ein interessanter Artikel.Gruß,Pamina