Elegie, Ode und Sonett: Beispiele und Definitionen dieser wichtigen Lyrik-Begriffe

Lyrik ist neben Dramatik und Epik eine der drei Hauptgattungen der Literatur. Der Ursprung dieser Bezeichnung war einst der Gedichtvortrag in Begleitung eines antiken Zupfinstruments, der „Lyra“. Sprachlich zeichnet sich ein Gedicht immer durch Kürze und gleichzeitige inhaltliche Dichte aus.

Das Gedicht stellt primär Subjektivität (steter Bezug auf das lyrische Ich) und eine damit verbundene Akkuratesse der Worte in den Vordergrund. Thematisch werden meist Gefühle oder Lebenssituationen beschrieben. Sprachliche Stilmittel der Rhetorik wie Reime, Metaphern oder Alliterationen fungieren als Ausdrucksmittel. Elegien, Oden oder auch Sonette sind die Klassiker unter den Gedichtformen. Doch wie sind diese Begrifflichkeiten genau definiert?

Die Elegie

Elegien sind sowohl formal als auch inhaltlich fest definiert. Formal sind es Gedichte, die zunächst in Pentametern, sowie später in Distichen von Pentametern und Hexametern, verfasst wurden. Elegien sind nicht in Reimform geschrieben. Schiller dichtet in seinem Kurzgedicht „Das Distichon“ über diese Gedichtform: „Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule,/ Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab.“

Eine gewisse Nähe zum Epigramm zeichnet die Elegie dabei aus. Die inhaltliche Charakterisierung dieser besonderen Lyrikform unterlag im Laufe der Zeit einem Wandel von Lobliedern auf Wein oder Kriegseinsätzen hin zu einem meist klagenden, resignativem Grundton. Als eine Art Klagelied wirkt die Gedichtform erstmals in dem Stück „Iphigenie auf Tauris“ als ein „barbarischer Jammerruf“ (ca. 414-412 V. Chr.) von dem großen griechischen Dramatiker Euripides beschrieben.

Seit den römischen Elegikern wie Ovid, Tibull oder Propertz avancierte dieser schwermütige, sehnsuchtsvolle Ton zur allgemeinen Grundstimmung einer Elegie. Auch römische Liebeselegien wurden mit diesem Grundton geschrieben. Beliebte Themen sind in der sentimentalistischen Moderne beispielweise geschichtsphilosophische Inhalte über die verlorene Natur und die Unerreichbarkeit des jeweils angestrebten Ideals. Thematisch verarbeiten Elegien häufig die unüberbrückbare Distanz zwischen Ideal und Wirklichkeit in ihren Werken. Bekannte elegische Dichter waren u.a. der Dichter Rainer Maria Rilke, Friedrich Gottlieb Klopstock, Johann Christoph Friedrich von Schiller, Johann Wolfgang von Goethe und Johann Christian Friedrich Hölderlin.
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Heute wird die lyrische Form der Elegien auch noch verwendet. Als Exempel kann man hier die „Römische(n) Elegien“ des Lyrikers Durs Grünbeins anführen. Ein sehr bekanntes Vorbild für Grünbeins Elegie sind nachweislich Goethes „Römische Elegien“, die Goethe nach seinem Aufenthalt um 1800 in Italien schrieb. Grünbeins literarische Adaption des Titels erfolgt aber lediglich durch eine Transformation des dargestellten inhaltlichen Motivs der Liebe. Die formale Form wird bei Grünbein eingehalten, während der Inhalt nicht mehr die Liebe behandelt, sondern eher geschichtliche und lokale Impressionen wiedergibt. Das ist typisch für Gegenwartslyrik. Es wird quasi eine Mehrfachcordierung des Textes vorgenommen, denn das Liebesgedicht an sich scheint zunächst in seiner klassischen Form in der Postmoderne überholt und so auf den ersten Blick nicht mehr zu existieren. Stattdessen wird hier durch den klassischen Bezug zu dem Goethe-Gedicht auf die Zeiten verwiesen, als es noch möglich war eine Liebeselegie zu schreiben.

Typisches Exempel: Friedrich Hölderlin „Brod und Wein“ (erste von neun) hier lesen

Die Ode

Die Ode war in der Antike ein allgemeiner Sammelbegriff für strophische Dichtung, die von Musik begleitet wurde. Die Ode ließ sich in der Antike in drei Teile untergliedern: in einen Auf- und Abgesang (Antode und Epode), in eine Ode, die nur für Chorgesang bestimmt war (pindarische Ode) und die von einem Einzelnen vorgetragene Ode (mit festen Odenmaßen). Die Odenmaße bestanden dabei aus der alkäischen Strophe mit  zwei Elf-, einem Neun und einem Zehnheber, der sapphischen Strophe aus jeweils drei Elfsilbern und einem Adoneus (antiker fünfhebiger Versfuß), der asklepiadeischen Strophe, die vierzeilig ist mit zwei 12-silbigen zudem aus jeweils einer sieben oder achtsilbigen Zeile und schließlich der archilochischen Strophe, wobei die dritte Strophe wiederholt wird.

Der barocke Schriftsteller Martin Opitz schrieb 1624 das „Buch zur Deutschen Poeterey“ und gilt als der Vater der neueren deutschen Dichtung. Der darin formulierte Grundgedanke besagt, dass der Dichter in seiner Lyrik zwischen der semantischen Bedeutung eines Wortes und der metrischen Kennzeichnung eine Koexistenz herstellen sollte. Die Ode ist ein gutes Beispiel für diese Koexistenz. Daher hat sich im Zuge dessen eine vereinfachte Variation der Ode weiter durchgesetzt: Die Ode besteht nunmehr aus einer langen Strophe mit meistens festem Versmaß und ist dabei reimlos. Der Inhalt ist pathetisch aufgeladen und  ähnelt daher der antiken Hymne. Klassisch antike Dichter wie Pindar, Sappho, Alkaios oder Horaz, aber auch Dichter wie Andreas Gryphius, Friedrich Gottlieb Klopstock, Friedrich Hölderlin, Friedrich von Schiller oder ein Johann Wolfgang von Goethe schrieben begeistert Oden. Eine der wohl berühmtesten Oden ist die „Ode an die Freude“ von Friedrich von Schiller:
[youtube ZxUmq2tOQ2Q] Noch heutzutage ist die Ode als Dichtform relevant. Betrachtet man beispielsweise die „Ode an das Dienzephalon“ (Schädelbasislektion, 1991) des postmodernen Dichters Durs Grünbein, so muss man zunächst einmal feststellen, dass formal alles stimmt. Die Form scheint gewahrt, doch ist bereits durch den obskur anklingenden Titel der Ode deutlich das postmoderne Moment der Ironie festzustellen. Der Hohe Ton der Ode wird durch die hier gewählte Beschreibung des Zwischenhirns demontiert. Der Lyriker formuliert treffend im siebten Vers mit „Eingeklemmt und zwischen Logos und feeling…“, wo das Problem des postmodernen Schreibens und des Menschen im Allgemeinen liegt.
Typisches Beispiel für eine Ode: Friedrich von Schiller „Ode an die Freude“ (hier lesen)

Das Sonett

Das Sonett war ein Klinggedicht, das im 12. Jahrhundert in Italien als lyrische Form aufkam. Die italienische Sonettform hat dabei den Endecasillabo als Versmaß, einen Elfsilber mit weiblicher Kadenz. Das gängige Reimschema für ein Sonett ist im Deutschen und Französischen der Alexandriner, jener klassische Dramenvers mit einem zwölf- bzw. dreizehnsilbiges Versmaß mit Zäsur nach der sechsten oder siebten Silbe. Als allgemein gängige Form des Sonetts galt aber ein Vierzehnzeiler, der jeweils in zwei Quartette (Vierzeiler) und zwei Terzette (Dreizeiler) eingeteilt war. Darin wurde die inhaltliche These, Antithese und optional eine Synthese formuliert. Zudem wird das Sonett durch Enjambements untereinander sowie durch ein durchgängiges, festes Reimschema inhaltlich verbunden.

Oftmals werden Sonette auch in größeren Zyklen wie im sogenannten „Sonettenkranz“ zusammengefasst, wobei diese aus 15 Einzelsonetten bestehen und untereinander jeweils in der Anfangszeile die Schlusszeile des vorangegangenen Sonetts zitieren. Alle 14 Schlusszeilen ergeben dann das letzte, 15. Sonett, oder auch Meistersonett genannt. Die erste Blütezeit hatte das Sonett mit der Dichtung Petrarcas und Dantes und verbreitete sich im 16. Jahrhundert auch in England und Deutschland. Dann wurde das Sonett erst von Gottfried August Bürger und August Wilhelm Schlegel wiederentdeckt.
Typisches Exempel für ein Sonett: August Wilhelm Schlegel „Das Sonett“ (hier lesen)
Erst die William-Shakespeare-Rezeption (mit einem jambischen Fünfheber) und die Poetik Schlegels machte das Sonett zum Merkmalsträger für die Epoche der Romantik. Friedrich Schlegels Gedicht „Das Sonett“ veranschaulicht romantische Motive wie beispielsweise die Ironie und die Brechung mit den gängigen Lyrikkonventionen sehr deutlich:
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Auch seit den 1980 Jahren erfreut sich das Sonett wieder größerer Popularität unter den deutschen Lyrikern wie beispielsweise Ulla Hahn, Durs Grünbein und Jan Wagner. Als ein konkretes Beispiel kann man das postmoderne Sonett „der schläfer im wald“ benennen, das wiederum formal einwandfrei verfasst ist, doch inhaltlich durch das Stilmittel der Ironie und der Mehrfachcodierung von Motiven ein Spiel im Spiel vorantreibt und dadurch die strenge Form des Sonetts unterwandert. Dem Leser werden mehrere Möglichkeiten der Leseweise angeboten. Gegenüber der klaren Form des Gedichts steht also die Unklarheit des Inhaltes.

Typisches Exempel für ein postmodernes Sonett: Jan Wagner „der schläfer im wald“ (hier lesen)

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